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Wir stellen die Preisträger des 33. Deutschen Kamerapreises vor (10)

Ein Mann am Schreibtisch

In neun Folgen haben wir die Gewinnerinnen und Gewinnern beim 33. Deutschen Kamerapreis im Interview porträtiert. Wir beenden die Reihe mit Ralf Streese, der für den besten Schnitt Doku Screen ausgezeichnet wurde.

Porträt von Ralf Streese
Foto: privat

Ralf Streese war Tontechniker und Kameraassistent. An­schließend arbeitete er zehn Jahre als Kameramann. Seit 1999 ist er als freier Editor tätig. Seiner Leidenschaft für Bilder, seinem Gefühl für Dramaturgie und den richtigen Rhythmus verdanken einige seiner zahlreichen Filme meh­rere Preise: Adolf­-Grimme­-Preis („Durch die Nacht“, 2006), Quandt Medien Preis („Aktie – Die Lust am Geld“, 2000), Hauptpreis Fernsehen beim Internationalen Festival des spanischen Fernsehens, RTVE („Zu Tisch … In der Extrema­ dura“, 2006) und Hans­-Strothoff­-Journalistenpreis für Wirt­schaftsjournalismus („Ein Laden in Paris“, 2008).

Woran denkst du als Erstes, wenn du dich an den Schnitt von „Im Labyrinth“ erinnerst?
Da denke als Erstes an die Musik und an die Auseinander­setzung mit der Musik. Das ist etwas, das viel zu diesem Film beiträgt. Es gab natürlich auch sehr viel Material, weil das Team insgesamt drei Jahre für den Film gedreht hat, aber in erster Linie denke ich wirklich an die Musik. Das war ein großes Thema. Es geht ja um zeitgenössische klassische Musik und die ist ja, mal so ganz unter uns, manchmal ein bisschen sperrig in der ersten Rezeption. Da­ mit haben wir uns sehr viel auseinandergesetzt und die Mu­sik in ganz kleine Teile zerlegt, um zu sehen, was man da­mit machen kann. Da stellte sich zum Schluss heraus, dass sie sich unglaublich gut als Filmmusik eignet! Diese Musik versperrt sich dem „Ich setze mich hin und höre nur zu“ manchmal ein bisschen, weil sie über Assoziationen läuft, aber eben dafür unglaublich gut geeignet ist. Es ist ja auch ein ziemlich langes Werk und es ist auch nicht so, dass man es einmal durchhört und dann sofort den Über­blick hat. Das in den Griff zu bekommen und umzusetzen in den Prozess der Komposition, war eine große Arbeit im Schnitt.

Hast du musikalische Vorbildung?
Ich spiele Gitarre, allerdings auf Amateurniveau, kann auch Noten lesen und wenn es etwas Klassisches ist, dann kann ich das auch so ein bisschen in meinem Kopf umsetzen. Wir haben zwar mit der Partitur gearbeitet, wobei man aber sagen muss, dass die Partituren der zeitgenössischen klassi­schen Musik, und gerade die Partituren von Jörg Widmann, manchmal nicht zur Übersichtlichkeit beitragen! Es gibt in dem Film hin und wieder einen Schwenk über die Noten­zeilen. Da kann man erahnen, wie komplex die Musik ist.

Wie habt ihr den Schnitt organisiert?
Wir haben erst einmal probiert, uns mit den Kompositions­szenen auseinanderzusetzen, weil das etwas war, vor dem ich am Anfang, ehrlich gesagt, ein bisschen fürchtete, dass das schwierig werden könnte. Denn eigentlich ist die zentrale Erzählung: „Ein Mann sitzt an einem Schreibtisch und schreibt mit einem Bleistift etwas auf ein Blatt Papier.“ Deswegen haben wir uns zuerst mal daran gesetzt und geschaut, ob das länger als eine Minute oder zwei trägt. Danach haben wir versucht, Kompositionssequenzen zu schneiden, die eine gewisse Entwicklung haben: Jörg Widmann schreibt die ersten Noten, er ist dann irgendwo in der Mitte, er zweifelt, die Zweifel gehen weg, die Zwei­fel kommen erneut, schließlich ist die Komposition fertig. Wir wollten in diesen Kompositionsszenen einen Bogen schlagen und haben den dann mit den Konzertaufnahmen aufgefüllt. Diese Aufnahmen waren auch ziemlich aufwen­dig, weil sie mit fünf Kameras und mehreren Durchläufen gedreht wurden. Bei klassischer Musik sind die niemals identisch. Ein besonders ungewöhnliches, originelles Organisations­schema hatten wir nicht. Der Taiwan­-Part kam unglaublich spät, da waren wir eigentlich schon mit dem ganzen Rest im Groben und Ganzen fertig, Diesen Teil haben wir dann noch eingefügt. Ich kann also leider nichts über irgendeine un­gewöhnliche, spektakuläre Schnitt­-Organisation erzählen.

Drei Filmstills aus "Im Labyrinth – der Musiker Jörg Widmann"
Komponieren als Kernerzählung: Filmstills aus „Im Labyrinth“ (Fotos: Sven Jakob Engelmann / Sounding Images)

Wenn auch die Organisation nicht spektakulär war, so dann doch das Ergebnis, für das du völlig zu Recht den Deutschen Kamerapreis gewonnen hast – herzlichen Glückwunsch dazu noch einmal an dieser Stelle!
Dankeschön!

Die Schnittjury hat in ihrer Begründung Begriffe wie einfühlsam, rhythmisch und zum Teil auch mitreißend verwendet. Findest du dich da wieder?
Komplimente nehme ich natürlich immer gerne an und finde den Film auch einfühlsam, aber ich finde ihn auch sehr gut gelungen. Ich finde, dass diese Verquickung der Komposi­tion als Filmmusik und vor allen Dingen die Entwicklung in der Komposition wirklich gut gelungen ist. Das liegt natür­ lich auch ein bisschen daran, dass sich Jörg Widmann uns gegenüber geöffnet hat. Der Regisseur hat aber auch wirk­lich drei Jahre eine unglaubliche Beziehung mit ihm aufge­baut, ist abends mit ihm Wein trinken gegangen und solche Dinge. Man merkt dem Film sehr an, dass er einen wirklich an seiner Gedankenwelt teilnehmen lässt.

Das war ein Gedanke, den ich eben hatte, als du erzählt hast, die Kernerzählung des Films sei eigentlich, dass jemand mit einem Blatt Papier am Schreibtisch sitzt. Insofern habt ihr wirklich Glück gehabt, dass dieser Komponist unglaublich unterhaltsam ist.
Richtig. Das wäre bei aller Schnittkunst nicht mit jedem gegangen.

Wie lief die die Zusammenarbeit mit dem Regisseur Holger Preuße?
Die lief gut, wobei ich sagen muss, dass ich mit Holger Preu­ße schon etliche Jahre zusammenarbeite und wir bestimmt schon 50 Filme zusammen gemacht haben, also Dokumen­tationen. Wir arbeiten ja fast ausschließlich für Arte und sind da wirklich ein eingespieltes Team. Aber Holger und ich diskutieren immer noch gerne, disku­tieren auch gerne intensiv, so intensiv, dass die Leute außer­halb des Schnittplatzes, auf den Fluren, manchmal denken, dass wir uns gerade streiten, aber das ist gar nicht so! Wir diskutieren sehr intensiv über das, was wir machen, vorher, nachher und währenddessen. Es gibt aber auch eine gewisse Vertrauensbasis. Ich schneide auch schon mal Stücke ohne ihn, zeige sie ihm dann und er sagt was dazu.

Wie hast du den Rhythmus des Films hinbekommen?
Wir haben oft umgeschnitten! Oft dachten wir, jetzt haben wir es und haben dann aber festgestellt: Das ist es doch noch nicht, es ist rhythmisch eine falsche Stelle. Wir ha­ben uns die Zeit genommen, Sequenzen, die zum Teil auch wirklich gut waren, wieder einzureißen, um diesen Rhyth­mus zu erzeugen, dass ein natürliches Wechselspiel zwi­schen den Musik­Passagen und den Doku­Passagen ent­steht und dass das alles das richtige Timing hat. Wir waren uns aber von Anfang sicher, dass wir nicht super rasant schneiden wollten, obwohl sich ja die Musik so ein biss­chen dafür anbietet. Aber das ist etwas, was man schwer in Sätze fassen kann.

Es ist ja auch eine ziemlich abstrakte Frage.
Aber es ist auch eine wichtige Frage – eigentlich die wich­tigste Frage: Wie erzeugt man das? Wir haben immer wieder eingerissen und dann geguckt, ob es jetzt passt. Ich war mir allerdings auch ziemlich sicher, und das ist für mich bei einem Schnitt relativ selten, dass der Film gut wird. Schon am dritten Tag des Schnitts hatte ich dieses Gefühl: Das läuft ja ganz gut und das könnte etwas werden! Nor­ malerweise dauert bei mir die Phase des Zweifelns immer etwas länger an, dass ich bis zum Ende der ersten Schnitt­woche immer denke, hier muss uns noch etwas einfallen. Bei „Im Labyrinth“ war mir aber schon ziemlich schnell klar, dass der Film funktionieren wird, eigentlich schon beim Sichten. Ich bin jemand, der das Material vorher ziemlich gut sichtet, und das Material war einfach super, das der Regisseur und der Kameramann da angeschleppt haben. Damit konnte man ziemlich gut arbeiten. [15419]

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