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BVFT und VDT fordern dritte Tonperson am Set

Besserer Ton durch mehr Personal?

Die Berufsvereinigung Filmton BVFT und der Verband Deutscher Tonmeister VDT haben vor Kurzem einen offenen Brief verschickt, mit dem Ziel, wie es dort heißt, „die personellen Grundlagen der Originaltonaufnahme am Set neu zu gestalten.“ Wir sprachen mit Manfred Banach, Vorstandsmitglied beim BVFT und Urs Wihler, Referatsleiter Film und Fernsehen beim VDT für unsere Ausgabe 7–8.2023 über die Hintergründe dieser Forderung.

Ein Ton-Angler bei einem Spielfilmdreh in der Wüste
Foto: Manfred Banach

Im offenen Brief der Berufsvereinigung Filmton und des Verbands Deutscher Tonmeister geht es darum, dass in Zukunft bei szenischen Produktionen als Standard eine dritte Tonperson beziehungsweise ein zweiter Angler am Set tätig sein soll. Was hat es mit dieser Forderung auf sich?
Manfred Banach: Die Berufsvereinigung Filmton hat vor Monaten eine Arbeitsgemeinschaft gegründet, weil sich viele Set-Tonleute bei uns erkundigt haben, ob wir nicht mal gemeinsam dafür kämpfen sollten, dass sie zukünftig zwei Assistenzstellen kalkuliert und bewilligt bekommen, denn jeder kämpft mit diesem Thema. Bei größeren Budgets ist das zwar kein Problem, bei kleineren aber sehr wohl. Dann haben wir erfahren, dass der Verband Deutscher Tonmeister bereits eine Arbeitsgruppe mit den öffentlich-rechtlichen Sendern hat, bei der es um die in Dialogverständlichkeit im Fernsehen geht, was ja aufgrund von massiven Zuschauerbeschwerden ein akutes Problem ist. Die Berufsvereinigung Filmton und ich im Speziellen als Vertreter der Set-Tonleute haben uns dann mit dem Aspekt beschäftigt, wie man bei einer, sagen wir, modernen industriell hergestellten Serie, wo zwei und und mehr Kameras am Werk sind, die Tonabteilung entsprechend verstärken kann, so dass man zwei Angler am Set hat und zusätzlich die Routinen des Ver- und Entkabelns schneller und effektiver machen kann. Das würde sehr dabei helfen, im On und Off möglichst viel Material für die Postproduktion zu bekommen, um einen verständlichen Ton, den die Zuschauer ja wollen, zu erzielen.
Wir haben uns dann mit dem VDT besprochen und wollen nun mit einer Stimme dafür kämpfen. Wir wissen, dass dieser technischen Vorstellung ökonomische Vorstellungen direkt entgegenstehen, denn in der Realität werden Dreharbeiten weiter verkürzt und auch beim Personal wird in allen Departments eingespart. Wir können dagegen sowohl technisch als auch wirtschaftlich argumentieren, weil Produktionen schneller und reibungsfreier ablaufen, wenn das Tondepartment personell besser aufgestellt ist. Aber die Kalkulationen der Sender berücksichtigen das eben nicht.

Urs Wihler: Die ARD und das ZDF sind tatsächlich wegen der Zuschauerbeschwerden auf uns zugekommen, um gemeinsam neue Richtlinien zu entwickeln, wie man in Zukunft den Ton verbessern könnte, was man technisch und natürlich auch personell machen könnte. Es ist ja in unserer Satzung verankert, dass wir Arbeitsmethoden und technische Standards formulieren und Empfehlungen aussprechen sollen, wie man qualitativ guten Ton macht. Bei der Sprachverständlichkeit geht es generell um den Sendeton, wobei die hauptsächlichen Beschwerden meistens bei Fernsehspielen und Spielfilmen auftauchen. Aber es gibt auch andere deutsche Produktionen, wo die Sprachverständlichkeit manchmal ein Problem ist.
Dafür gibt es mehrere Ursachen. Das beginnt bei teilweise fehlender Sprachausbildung der Schauspielerinnen und den Schauspielern. Das sind aber tatsächlich auch personelle Engpässe und der wirklich enorm gestiegene Arbeitsdruck am Set. Als man noch mit Film aufgezeichnet hat, wurde erst einmal ganz, ganz lange geprobt, weil Film teuer war. Durch die Proben waren die Gänge geübt, die Schauspieler sind in den Flow gekommen, die Angler wussten genau, wo es langgeht, und man hat mit wenigen Takes ein sehr gutes Ergebnis produziert. Heute muss alles sehr schnell gehen. Da werden oft einfach auch schon Proben aufgezeichnet, was auch für den Ton nicht unbedingt förderlich ist.
Wir sind bei den Gründen also letztendlich auf ähnliche Ergebnisse gekommen wie auch die BVFT: Es sind einfach auch zu wenige Tonleute an den Sets – und die Tonleute haben teilweise auch zu wenig zu sagen, weil sich an normalen Sets immer alles um das Bild dreht. Deswegen haben wir gemeinsam mit der ARD und dem ZDF die Bitte formuliert, dass zumindest bei szenischen Produktionen ein dritter Tonmensch am Set sein sollte.

Manfred Banach, Vorstandsmitglied der Berufsvereinigung Filmton BVFT
Manfred Banach, Vorstandsmitglied der Berufsvereinigung Filmton BVFT (Foto: privat)

Eins der Argumente, die dagegen sprechen könnten, dieser Bitte nachzukommen, ist der von euch schon erwähnte Kostendruck. Ist das aus eurer Sicht ein relevanter Grund?
Manfred Banach: Unsere Argumentation an dieser Stelle ist: Mehr Tonpersonal am Spielfilm- oder Serienset spart Zeit und somit auch Geld. Ich habe viel für internationale Produktionen in Babelsberg gearbeitet. Da ging es mit dem gleichen Druck zu und da hat man auch keine Zeit für den Ton – aber man ist zu dritt! Da wird kein Theater gemacht, es wird verkabelt und es wird geangelt, was geht.
Genau wie Urs schon sagte: Wir haben genau diese industriellen Produktionsbedingungen im Auge und den Produktionsdruck, der nicht sinken wird, aber argumentieren, dass mehr Personal Zeit spart. Man kann dann auch bei einer Splinter Unit schnell noch jemanden vom Ton mitschicken, wenn der Zeitdruck groß ist, weil der Drehschluss naht. Wir wollen nicht die dritte Tonperson, weil wir uns für so wichtig halten, sondern es soll Zeit und damit Geld sparen. Das ist eigentlich von unserer Seite vom Set-Ton das Hauptargument.
Unsere Berufsvereinigung besteht aus 250 Set-Tonleuten, 250 Postproduktionsleuten und noch 100 Synchronleuten. Wir sind natürlich miteinander in Kontakt und selbstverständlich ist die Postproduktion oder der Dialogschnitt glücklich, wenn er mehr Optionen hat, wenn er sich überall die Töne suchen kann. Wenn dann mal in dem einen Bild-Take, der perfekt läuft, der Ton schlecht war, dann wird er einfach ausgetauscht. Wir wollen einfach an O-Ton vom Set liefern, was möglich ist, ohne aufzuhalten.

Urs Wihler: Ich habe 18 Jahre lang die große Serienproduktion „Marienhof“ der Bavaria Film, die im ARD Vorabendprogramm lief, vom Ton her begleitet. Da hatten wir sogar drei Angler, einfach aus Gründen der Geschwindigkeit! Nach ein, zwei Jahren täglichem Angeln waren die so fit und haben die Töne so schnell geangelt, so schnell konntest du überhaupt nicht verkabeln und entkabeln und Setwechsel machen. Meiner Meinung nach ist die Angel immer noch eines der schnellsten Möglichkeiten einen exzellenten Ton aufzunehmen, weil das Verhältnis von Nutzton, also dem Sprachsignal, und den natürlichen umgebenden Geräuschen in einer idealen Weise zusammengesetzt ist – wenn der Angler sein Handwerk versteht!
Damit kommen wir zu einem weiteren Punkt, denn uns gehen teilweise die Angler aus! Es gibt auch in Deutschland meines Wissens keine Ausbildung für die Tonassistenz außer learning by doing. Allein aus diesem Grund muss es der Film- und Fernsehwirtschaft wichtig sein, dass zwei Tonassistenten am Set sind.

Urs Wihler, Referatsleiter Film und Fernsehen beim Verband Deutscher Tonmeister VDT
Urs Wihler, Referatsleiter Film und Fernsehen beim Verband Deutscher Tonmeister VDT (Foto: privat)

Manfred Banach: Diese zweite Stelle, die als Geräteassistenz oder zweite Tonassistenz geringer bezahlt wird, und manchmal nur mit Mindestlohn, ist natürlich eine Ausbildungsstelle für die Angler. Da kann man lernen, wie man irgendwann auch an der oder vor der Kamera die Leute angelt. Diese Ausbildungsmöglichkeit ist deshalb so wichtig, weil es keine schulische oder gar akademische Ausbildung erstens nicht gibt und zweitens auch gar keinen Sinn machen würde, weil das eine Tätigkeit ganz nah an der Praxis ist. Das muss man am Set lernen, da musst du auch den Stressfaktor verarbeiten können, ruhig bleiben und nicht aus der Fassung geraten, wenn Kamera, Licht und Szenenbild dich einfach mal in die Ecke schubsen, weil sie den Platz brauchen.

Wie realistisch sehen die Verbände denn die Möglichkeit, dass dieser Vorschlag der dritten Tonperson am Set tatsächlich in naher Zukunft umgesetzt wird?
Manfred Banach: Wir sehen das als Kampf. Wir müssen argumentieren, wach bleiben und mit den Leuten reden. Wir können Produktionsleitern, die kein Geld bekommen, nicht persönlich vorwerfen, dass sie uns das nicht genehmigen. Wir können es nicht kategorisch fordern, sondern wir wissen: Es ist, wie für jedes andere Gewerk auch, eine Argumentation. Aber auf dem Weg dahin wird es schwierig. Die Sendeanstalten, die wahnsinnig viel Geld für sich selbst oder für zum Beispiel Sportereignisse ausgeben, lassen dem fiktionalen Bereich zu wenig Geld für eine vernünftige industrielle, schnelle Produktion. Wir müssen einfach vernünftig argumentieren und dürfen dabei nicht aus der Fassung geraten und beleidigt sein.

Urs Wihler: Wir wollen die Situation für unsere Berufskolleginnen und Berufskollegen und vor allem natürlich für die Zuschauer verbessern, damit sie ein möglichst angenehmes Seh- und Hörerlebnis haben, wenn sie sich deutsche Produktionen anschauen. [15348]

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