Aber Beklagte können ein Verfahren gar nicht beenden, das kann nur der Kläger oder das Gericht mit einem rechtsgültigen Urteil. Aber sie hatten bereits in der Presse weit gestreut, der Rechtsstreit sei vorbei. Ich habe gerade nicht den genauen Wortlaut, aber es hieß in etwa, in Anerkennung meiner großen Leistung bei „Das Boot“ hätten sie jetzt beschlossen zu zahlen. Vorher haben sie das aber 14 Jahre lang kategorisch behauptet, ich hätte überhaupt keine Ansprüche und, zumindest anfangs, als Kameramann keine eigenständige gestalterische Leistung geliefert.
Und dann ist diese Dreiviertelmillion einfach so auf deinem Konto gelandet?
So einfach war es nicht, denn sie hatten meine Kontonummer nicht. Deswegen haben sie gedroht, wenn ich nicht bis zu einem bestimmten Termin um 12:00 Uhr mittags meine Kontoverbindung bekanntgebe, dann werden sie die Summe an die Gerichtskasse überweisen, damit wären sie das Problem los und ich könnte sehen, wie ich dann an das Geld komme.
Es wird wohl nicht zu Unrecht vermutet, deine Pro zessgegner hätten damit ein Urteil in der Sache ver meiden wollen.
Natürlich ging es nur darum, dass nach 14 Jahren ein für sie sehr negatives Urteil drohte und das wollten sie jetzt mit viel Geld verhindern. Insgesamt ist das Verfahren viermal beim BGH gewesen, was mich übrigens jedesmal über 30.000 Euro gekostet hat, und es war längst alles geklärt: Der Vacano kriegt’s, und er bekommt auch 2,25 Prozent, deutlich mehr als nach dem Ergänzungstarifvertrag von Verdi. Da wären es 1,27 Prozent gewesen. Darauf hatte man sich geeinigt und es waren nur noch Kleinigkeiten offen, so dass mit einem Urteil wirklich bald zu rechnen war, deswegen die eilige Zahlung. Sie wollten das Geld wirklich schnell loswerden, um damit das Verfahren zu beenden.
Dann haben wir noch versucht, zu einem Urteil zu kommen und gesagt, es ist ja doch ein Anerkenntnis, wenn sie alles zahlen, was gefordert ist. Daraufhin haben wir einen Antrag auf ein Anerkenntnisurteil gestellt. Das wurde aber abgelehnt. Das Gericht hätte eine neue Urteilsbegründung schreiben müssen, die dann wieder angreifbar gewesen wäre, und die Sache hätte noch jahrelang weitergehen können.
Du hast also in der Sache Erfolg gehabt und ein hohes zusätzliches Honorar bekommen. Ein rechtskräftiges Urteil als Präzedenzfall für die Gewerke, die Miturheber bei Filmen sein können, hat es aber nicht gegeben. Wie geht es dir damit?
Um das Urteil ist es natürlich schade, aber ein Präzedenzfall war es trotzdem. Schon wegen der hohen Summe, die weltweit durch die Presse ging, ist eine Erlösbeteiligung für Kameraleute nun nicht mehr zu verhindern. Und es war eine Abwägung: An meinem Geburtstag, zu dem das Geld kam, bin ich 88 Jahre alt geworden. Auch für meine Familie war das schwierig. Immer, wenn wieder ein Schriftsatz von 120 Seiten kam, in dem mich die Gegenseite nach Strich und Faden kleinmachen wollte, habe ich halt auch mal eine Woche lang schlecht geschlafen. Meine Frau Dagmar hat mich dann gefragt: „Warum um Himmels willen tust du dir das an?“ Ich hatte auch das Gefühl, dass es mit einem Urteil nicht erledigt gewesen wäre, wenn ich weitergemacht hätte. Dieses Urteil wäre wieder beim Bundesgerichtshof gelandet und vielleicht auch noch beim Verfassungsgericht. Das hatte die Gegenseite auch vor Gericht schon gesagt: „Wir gehen notfalls bis zum Verfassungsgericht. Wir akzeptieren kein Urteil in dieser Sache.“
Das war also ganz klar und ich muss sagen, mein Leben hat natürlich noch andere Inhalte. Ich habe wirklich lange genug gekämpft. Diese Nachzahlung, auch wenn davon wegen der Steuer nur etwa die Hälfte übrigbleibt, ist auch für meine Verhältnisse sehr viel Geld. Aber wenn ich das mit 14 oder 16 Jahren Arbeit in Verbindung setze, dann hätte ich in meinem Beruf in dieser Zeit natürlich das Vielfache verdienen können, und vor allen Dingen mit sehr viel weniger Ärger verbunden. Wenn ich es ganz offen sagen will: Ich musste irgendwann aufhören. In Anbetracht meines Alters wäre eine Weiterführung über mehrere Instanzen und mehrere Jahre mit Sicherheit nicht mehr zu verantworten gewesen. Aber auch so hat das Verfahren der Branche viel gebracht. Bei einigen prominenten Filmen sollen für Kameraleute inzwischen sogar sechsstellige Beträge an nachträglichen Honoraren geflossen sein, und das ist natürlich auch eine Folge meiner Prozesse um „Das Boot“. Und die Drehbuchautorin Anika Decker hat bereits eine ähnliche prominente Klage um eine hohe Erlösbeteiligung angestrengt. Es ist mir gelungen, in Deutschland durchzusetzen, dass Kameraleute Urheber sind, und zwar nicht nur an ihren Bildern, sondern auch an den Filmen selber. Das ist weltweit ziemlich einmalig und gerade wenn man mal schaut, was da insgesamt für Summen zusammenkommen, kann ich sehr stolz darauf sein, was ich in vierzigjähriger Arbeit für meine Kolleginnen und Kollegen in Deutschland erreicht habe. [15234]
Das ist außerordentlich! Gratuliere für den Mut und das Durchhaltevermögen!!!
Fantastisch, ein tolles Ergebnis, materiell wie immateriell. Alles Gute, Sabine