Wie ist die Situation der Postproduktions-Unternehmen?
„Das Jahr ist gelaufen“
von Uwe Agnes,
Wer nicht produziert, muss auch nicht postproduzieren. Wir sprachen mit Andreas Fröhlich, Geschäftsführer der Act HeadQuarter GmbH, über die aktuelle Lage der Filmdienstleister.
Ihr merkt als Postproduktions-Haus bei Act HeadQuarter sicher auch die Auswirkungen der Pandemie-Maßnahmen, denn gedreht wird derzeit ja kaum.
Genau so ist es. Mit den Studioproduktionen, die noch laufen, haben wir ja nichts zu tun, deshalb landet das Wenige, was noch produziert wird, nicht bei uns. Mit dem Tag des Lockdowns ist bei uns von heute auf morgen mindestens die Hälfte weggebrochen. Beim Schnitt haben wir noch ein bisschen zu tun, denn da wird im Factual-Bereich länger vorproduziert. Hier werden wir aber vermutlich irgendwann im Mai leerlaufen, wenn es nicht weitergeht. Im April erwarten wir etwa die Hälfte des ursprünglich geplanten Umsatzes und im Mai wird es dann deutlich schlimmer, wenn der Lockdown anhält.
Seit dem 1. April haben wir auch Kurzarbeit eingeführt, wobei wir das noch ein wenig vorsichtig einsetzen. Wir haben derzeit noch mehr Mitarbeiter im Haus, als wir eigentlich brauchen, und versuchen, das auch sehr gleichmäßig zu verteilen, damit niemand auf 100 Prozent Kurzarbeit ist. Das wäre für die Mitarbeiter schon sehr bitter. Aber bei 63 Mitarbeitern hat man eben einen großen Festkostenapparat und wenn keine Aufträge kommen, dann muss man irgendwann doch noch etwas strikter zu Werke gehen.
Welche Produktionen finden denn im Moment noch statt und was ist konkret weggefallen?
Eigentlich hätte ja jetzt die Jahreszeit angefangen, in der im fiktionalen Bereich sehr viel gedreht wird. Wir sind ja zur Hälfte im Fiction-Bereich tätig und zur anderen Hälfte im Factual-Bereich. Zwei Produktionen hatten schon angefangen zu drehen, die haben dann abgebrochen. Drei weitere Produktionen haben aufgrund des Lockdowns erst gar nicht angefangen. Also ist der ganze Bereich, der drehbegleitend bei uns läuft, Schnittassistenz, Mustererstellung, Backups, weg. Die Abteilung ist jetzt komplett geschlossen. Dann sind natürlich auch im Factual-Bereich Produktionen nicht zu Ende gedreht worden. Dementsprechend kann da auch kein Schnitt einsetzen.
Was wir noch im Haus haben, sind Endfertigungen, sowohl im Factual- als auch im Fiction-Bereich, wobei es bei Fiction dann auch so ist, dass es dort viele Dinge in der Endfertigung gibt, die man eigentlich mit Kunden, also mit Regie, Kamera und Produzenten im Haus macht. Das funktioniert leider nur teilweise. Wir haben hier ja recht große Suiten, in denen man mit Schutzmaske und Abstand gut arbeiten kann. Wenn aber dafür die Kameraleute aus München oder Berlin kommen müssen, dann platzen diese Abnahmen auch schon mal. Da gibt es Projekte, die zu 98 Prozent fertig sind, aber jetzt erst einmal brachliegen.
Wie habt ihr abgesehen von der Kurzarbeit auf die Umsatzeinbußen reagiert?
Wir haben schon uns ein paar Tage vor dem Lockdown hingesetzt und gerechnet und haben uns überlegt, wie wir vorgehen wollte, wenn es soweit ist. Dabei haben wir den Vorteil, dass wir ein schuldenfreies, gesundes Unternehmen sind und unsere Hausbank uns sehr wohlgesonnen ist. Mit der haben wir dann auch schon frühzeitig gesprochen und man hat uns signalisiert, dass wir genügend Luft haben. Noch bevor die Rettungspakete spruchreif waren, haben wir uns da Rückendeckung geholt. Auch wenn die Lage drei, vier Monate anhält, haben wir einen Kreditrahmen, der so groß ist, dass wir die Krise überleben.
Man muss natürlich aufpassen, dass man nicht zu hochverschuldet aus der Corona-Krise herauskommt, denn das bekommt man dann als Filmdienstleister in absehbarer Zeit nicht wieder herein.
Ansonsten haben wir sehr früh angefangen, möglichst viele Arbeitsplätze so einzurichten, dass die Mitarbeiter von zu Hause aus arbeiten können. Die komplette Tonabteilung mit vier Tonmeistern arbeitet seit dem ersten Tag des Lockdowns von zu Hause. Wir haben auch unseren Trailer-Sprechern schon vor dem Lockdown Arbeitsplätze zu Hause eingerichtet, so dass wir die Trailerproduktion, die wir für den WDR machen, weiter durchführen können, ohne dass jemand ins Haus muss. So erwirtschaften wir auch wenigstens teilweise einen krisensicheren Umsatz. Wir haben schon vorher mit Remote und gespiegelten Bildschirmen gearbeitet. Die Technik und das Know-how waren ohnehin vorhanden und das haben wir jetzt noch ausgeweitet.
Plant ihr, weitere Zuschüsse in Anspruch zu nehmen?
Darum werden wir nicht herumkommen. Bei 63 Mitarbeitern hat man einen hohen sechsstelligen Fixkostenbetrag und es gibt keine Postproduktion, die solche Summen auf der Seite liegen hat. Wir haben zwar Reserven, aber in dem Maße, wie wir sie brauchen würden, wenn der Lockdown drei Monate anhält, stehen sie nicht zur Verfügung. Ohne Mittel von außen wird man da nicht durchkommen. Das dürfte allen so gehen.
Wir hoffen jedenfalls, dass bestimmte Mittel zumindest anteilig als Zuschüsse ausgezahlt werden und keine Rückzahlung erfolgen muss, denn es macht keinen Sinn, nach der Krise einen komplett überschuldeten Mittelstand vorzufinden.
Wie ist eure Vorhersage für die Zeit nach dem Lockdown? Erwartet ihr einen Auftragsstau, wenn die Produktionen wieder drehen?
Alles, was jetzt nicht stattfindet, kann nicht nachgeholt werden. Das hängt vor allem mit der Personalsituation im fiktionalen Bereich zusammen. Da gab es in den letzten Jahren im Sommer und Herbst immer schon einen Mangel. Das sind jetzt auch nicht mehr und der Tag hat nur 24 Stunden. Einiges wird sicher nachgeholt, viele Produktionen werden aber in das nächste Jahr geschoben werden. Sobald es wieder losgeht, wird der Rest des Jahres vielleicht zehn Prozent über dem letzten Jahr liegen, weil man dann doch mehr produzieren wird. Aber das Jahr ist gelaufen. Da wird niemand eine positive Bilanz haben. Das ist vorbei.
Aber von den Problemen, die wir Filmdienstleister haben, hört man in der Öffentlichkeit sehr wenig, obwohl bei uns sehr viele beschäftigt sind – und im Gegensatz zu Produktionen, Autoren und Regisseuren sehen wir von den Wiederholungshonoraren, die manche ausgehandelt haben und die jetzt natürlich verstärkt anfallen, natürlich nichts. Die kommen bei uns nicht an. [12622]