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Der Camerimage-Endspurt (3)

Das war das Camerimage 2018: Endspurt

Das Camerimage war in 2018 besonders bewegt. Jens Prausnitz präsentiert uns im dritten Teil seines Berichts Preisgekröntes, Rückblickendes und eine dicke Überraschung.

Szenenbild aus “Roma”, Regie und DoP Alfonso Cuarón. (Bild: Netflix)

Einen besseren Beweis zur Widerlegung der These einer Manipulation oder kommerzieller Interessen, als den diesjährigen Gewinner des goldenen Frosches gibt es nicht, der an den Südkoreanischen Film „The Fortress“ (2017, DoP: Ji Yong Kim, Regie:Dong-Hyuk Hwang) ging. Der Preisträger betonte in seiner Dankesrede genau das: der Preis bedeute für ihn nicht so viel wie die Wertschätzung, die er im persönlichen Gespräch mit Kollegen und Studenten erfahren habe, die ihn nach der Vorführung angesprochen und mit ihm über seinen Film gesprochen hatten. Diese Bescheidenheit ist nicht aufgesetzt, man begegnet einander auf Augenhöhe, fragt, hört zu, und lernt. Das Camerimage ist ein Arbeitsfestival, auf dem sich zwar kurz Politiker blicken lassen, aber die bleiben auch die einzigen, die sich dort in einem Anzug zeigen, obwohl es auf der Einladung „Black Tie“ heißt.

Vor physikalisch korrektem Arbeiten schreckt man mittlerweile auch im Animationsfilm nicht mehr zurück, wie Mahyar Abousaeedi (DoP, Kamera) und Erik Smitt (DoP, Licht) anhand von „Incredibles 2“ (2018, Regie: Brad Bird) demonstrierten. Zum Einsatz kam ein virtuelles Licht-Rig, das man auch so „in echt“ nachbauen könnte, wenn auch gelegentlich rein hypothetisch, denn wer außer James „If they say they can do it, they will do it“ Cameron würde schon eine 90 Meter hohe Black-Flag zwischen Hochhäusern aufstellen? Meistens genügte aber ein lichtschluckender Teppich, um die Schatten unter den Augen mehr zu akzentuieren, und der Film beeindruckt mit ungewohnt düsteren, und kontraststarken Bildern, wie ich noch keine gesehen habe. Da möchte man gerne ausführlicher nachfragen, und vielleicht erfahre ich schon nächste Woche aus dem Pixar-Hauptquartier, ob ich für das Interview mit den beiden vor zwei Monaten doch noch grünes Licht bekommen hätte. Die Dienstwege scheinen dort noch länger zu sein, als die Render-Pipeline, die digitale Dailies ausspuckt. Deren Qualität ist bereits so nahe am Endprodukt, das höchstens nur noch vereinzelte Veränderung vorgenommen werden müssen. Möglich ist das nur, weil man aus früheren Fehlern gelernt hat und sich über die Jahre konstant weiterentwickelt hat, Software und Mensch – Hand in Hardware.

Schwarzabgleich

Gleich zwei der Wettbewerbsfilme erweckten dieses Jahr den Eindruck, als würden sie die Stellung der Kameraleute bedrohen, denn sowohl Alfonso Cuarón als auch Paul Thomas Anderson hielt es nicht mehr auf ihrem Regiestuhl, und sie waren für die Kameraarbeit nominiert. Doch keiner von beiden hat vor den Soderbergh zu machen, denn bei Anderson stand im Abspann dann doch ein „Lighting Cameraman”, Michael Bauman, den man bislang eher als Gaffer kannte, und bestätigte so das, was als Fazit im Stapleton-Panel festgehalten worden war. Und Emmanuel Lubezki stand Cuarón dieses Mal schlicht und einfach nicht für den angeplanten, langen Produktionsprozess zur Verfügung, so dass der Regisseur notgedrungen dessen Job selbst mit übernehmen musste. Man kann also doch Entwarnung geben.

An anderer Stelle gibt es vielleicht Verbesserungsbedarf, denn so gab es zwar in der „Remembering the Masters“-Reihe Werke von Douglas Slocombe, Michael Ballhaus und Robby Müller zu sehen, von denen es mir besonders „Der Löwe im Winter“ (1968) angetan hat, den man wirklich nicht alle Tage auf der Leinwand bestaunen kann. Für eine aufwendig kuratierte Retrospektive mit Einführung war einmal mehr wohl weder Zeit noch Geld vorhanden, und gerade von den Klassikern kann man sich so viel abschauen, was heute prompt als modern oder innovativ gefeiert würde. Eine entsprechende Goldgräbermentalität für die Filmgeschichte müsste anders im Programm verankert werden – warum nicht einen Pawel Pogorzelski im Studio die Arbeit von William A. Fraker nachstellen lassen? Oder Michał Sobociński die seines mit dem Lebenswerk ausgezeichneten Großvaters? Alt und jung brauchen diesen Brückenschlag, wenn erarbeitetes Wissen an die nachrückenden Generationen weiter gegeben werden soll. Und wo dann, wenn nicht hier?

Endspurt

Damit sind wir wieder bei der eingangs gestellten Frage, wie es um die Zukunft des Festival bestellt ist. Ist Marek Żydowicz undankbar, wie es in manchen Kommentarspalten heißt, weil das Festival schließlich schon seit Jahren das Geld der Politik nimmt? Man sollte nicht vergessen, dass das Festival auch umgekehrt der Stadt gut getan hat, dessen Hotelpreise sich in dieser Woche magisch verdoppeln, sowie in jeder ökonomischen Hinsicht für Umsatz sorgen, vom Prestige einmal ganz abgesehen. Doch kaufen lassen hat sich das Festival nie, und das nimmt man ihm wohl hinter vorgehaltener Hand übel. Das Herz vom Camerimage schlug unbeirrt immer in Toruń weiter, wo bis heute der Sitz der Stiftung ist, und das Festival bergleitende Ausstellungen stattfinden. Die Entscheidung Bydgoszcz wieder zu verlassen, war sicher weder eine leichte noch spontane, sie wirkte eher wie auf maximale Wirksamkeit hin inszeniert. So hatte sich Marek, dem man sonst immer Hände schüttelnd und in Gespräche vertieft begegnet, dieses Jahr rar gemacht, so dass sein später Auftritt dann wie eine Bombe einschlug.

Żydowicz erinnerte bei seiner Rede nicht umsonst an die Anfänge des Festivals, als ihn Krzysztof Kieślowski mahnte, dass man ihm weder den Erfolg gönnen, noch die Unabhängigkeit verzeihen werde, und er sich daher am olympischen Gedanken orientieren solle. Nicht im Sinne eines vierjährigen Turnusses, sondern von Stadt zu Stadt wandernd, wie ein Filmteam von Location zu Locarno. Eine Rückkehr nach Polen ist dann ja nicht ausgeschlossen, und die Rückeroberung Polens wird schon in ihrer Nationalhymne besungen, von Emigranten organisiert. Polnischer und gleichzeitig patriotischer könnte es gar nicht sein, schon gar nicht zum 100-jährigen Jubiläum der wiedererlangten Unabhängigkeit. Das Camerimage kann ja in die Fussstapfen von Kieślowski treten und sich vorübergehend auf französisch empfehlen.

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