Der erste Jahrgang des Hamburger GetOnSet-Traineeship-Programms
Den Mittelbau stärken
von Timo Landsiedel,
Der Fachkräftemangel wird überall beklagt. Nach dem Grünen Drehpass ist Hamburg erneut in einer Pionierrolle und startete im Oktober 2022 das GetOnSet-Traineeship- Programm als Kooperation von MOIN Filmförderung und Hamburg Media School. Wie sprachen für unsere Ausgabe 4.2023 zur Halbzeit des aktuellen Jahrgangs mit Fortbildungsleiterin Ulrike Dobelstein-Lüthe und fragten auch bei den Trainees nach.
An Fachkräften mangelt es der deutschsprachigen Filmbranche eigentlich nicht. Sie sitzen nur an den falschen Stellen. Der Andrang auf die acht Filmhochschulen ist ungebrochen hoch. Doch in den Assistenzpositionen, den technisch-gestalterischen Stellen, deren Zuarbeit am Set so wichtig ist, herrscht teils gähnende Leere. Produktionen müssen verschoben oder abgesagt werden, weil sich nicht genügend qualifizierte Kräfte finden lassen.
Die Ursachen sind mannigfaltig. „Die Filmbranche war von außen betrachtet sehr lange ein closed job“, so Ulrike Dobelstein-Lüthe, Leiterin der Weiterbildung an der Hamburg Media School. „Den Menschen, die eine Berufsorientierung suchten, wurde das Gefühl vermittelt, ich komme da eh nicht ran, weil ich nicht die richtige Ausbildung oder nicht studiert habe. Dagegen wurde sehr lange nicht angearbeitet, auch mit der Begründung, wir seien ja eine attraktive Branche. Das kippte irgendwann.“ Sind die Hürden zu hoch und die Arbeitsbedingungen abschreckend, verliert die Branche an Zugkraft.
HMS + MOIN + Hansestadt + Firmen
Dobelstein-Lüthe kennt das Leben am Set, arbeitete journalistisch und leitete zwölf Jahre lang als Standort- und Studienleiterin die Medienakademie in Hamburg Jenfeld. Die erfahrene Medienmanagerin beschäftigt sich schon seit Jahren mit Lösungen für den Mangel an fachlich qualifizier- ten Mitarbeitern. Aus ihrer Feder stammte das Grundkonzept des GetOnSet-Traineeship-Programms.
Nach dem Grünen Drehpass ist es jetzt erneut Hamburg, das einen Vorstoß in ein innovatives Programm startet. Das Programm „GetOnSet“ ist als 12-monatiges, bezahltes Traineeship ausgeschrieben. Die HMS führt das Programm zusammen mit der MOIN Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein, der Behörde für Kultur und Medien sowie der Sozialbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg durch. Für Helge Albers, Geschäftsführer der MOIN Filmförderung, war ein Einstieg hier selbstverständlich: „Auch in Hamburg und Schleswig-Holstein spüren wir den Fachkräftemangel deutlich. Produktionsfirmen haben große Probleme, ausreichend qualifiziertes und verfügbares Personal für ihre Film- oder Seriendrehs zu finden.“
HMS und MOIN Filmförderung waren schnell an einem Tisch, mit den Behörden der Hansestadt Hamburg ging es dann über zwei Jahre inklusive Covid-Pausen um die Ausgestaltung des Programms und um dessen jetzt größtenteils öffentliche Finanzierung. Ziel war es, die Trainees sofort in der Ausbildung einzusetzen und dafür Unternehmen aus der Praxis zu gewinnen. Diese Unternehmen wurden angesprochen oder konnten ihr Interesse bekunden und wurden dann durch die MOIN Filmförderung und die HMS ausgewählt. Unter den teilnehmenden Produktionsfirmen sind große Player, wie die Network Movie oder Studio Hamburg Production Group, aber auch kleinere Unternehmen, wie Tamtam Film oder Fabian&Fred. Auch technische Dienstleister und Postproduktionsstudios sind unter den Unterstützern, wie Optical Art, PRG Cinegate oder Zeigermann_Audio. GetOnSet setzt nicht wie beim herkömmlichen Quereinstieg auf unbezahlte Praktika. Die Trainees werden von den Unternehmen mit Mindestlohn bezahlt, was durch einen signifikanten Teil der öffentlichen Förderung sichergestellt wird. Das ist vor allem für die Unternehmen wichtig, die zu klein sind, um ohne Defizite Mitarbeiter zum Anlernen der Trainees bereit zu stellen. „Wir freuen uns sehr über die großen Player“, so Dobelstein-Lüthe. „Aber für uns ist wichtig, dass wir auch die kleinen Unternehmen mit im Programm haben, weil die letztendlich die Vielfalt der verschiedenen Filmproduktionen wie zum Beispiel Animationsfilme ausmachen.“
Praxis & Theorie
Zum Bewerbungsschluss im Sommer 2022 gab es trotz sehr kurzer Frist fast 200 Bewerbungen aus dem ganzen Bundesgebiet und darüber hinaus. 15 wurden ausgewählt und zum Beginn des Programms im Oktober auf die teilnehmenden Hamburger Film- und TV-Unternehmen verteilt. Hier werden die Trainees vom ersten Tag an in die praktische Arbeit ein- gebunden. Parallel dazu erfolgt in mehreren Theorieblöcken mit insgesamt 17 Seminartagen eine theoretische und prak- tische Fortbildung. „Wir haben die didaktisch sehr bewusst so aufgeteilt, dass sie nicht an einem Stück stattfinden, son- dern sie über die Wintermonate verteilt immer so in Zwei- oder Drei-Tage-Blöcken“, so Dobelstein-Lüthe, „auch, damit wir die Trainees regelmäßig hier bei uns haben und schauen können, wie sie sich entwickeln.“
In dem Programm soll in alle relevanten Teile der Setarbeit Einblicke gewährt werden, neben den offensichtlichen Ge- werken wie Ton, Kamera und Licht auch Kostümbild, Sze- nenbild, Casting oder Aufnahmeleitung. Das geschieht durch Exkursionen. „Einerseits, um eine Grundlage zu schaffen, andererseits, um die Scheuklappen ein bisschen wegzunehmen, die es vielleicht vor Gewerken gibt, die man gar nicht richtig kennt“, so Ulrike Dobelstein-Lüthe. Der Austausch mit den Trainees und auch mit den Unternehmen ist laufend. Schon jetzt wurde im Programm bereits in Nuancen nachgesteuert. So wünschten sich die Trainees mehr Unterstützung bei der persönlichen Entwicklung, weshalb jetzt noch ein Coach hinzugeholt wurde. Die Dozentinnen und Dozenten kommen aus der Praxis und bringen didaktische Erfahrung mit.
Einer dieser Praktiker ist DoP Matthias Bolliger. Im Februar gab er ein Lichtseminar bei dem die Teilnehmenden eine geplante Lichtsituation selbst umsetzen konnten. „Ich merke es ja selber: An Heads of Departments mangelt es nicht“, sagt Bolliger, der auch als Dozent an klassischen Filmhochschulen wie der Filmakademie Baden-Württemberg oder der Hamburg Media School für die Bildgestaltungs-Fachbereiche tätig ist. „Der Mittelbau hat tatsächlich ein Thema bekommen in der letzten Zeit. Wir sprechen von Beleuchtern, von Kamera-Assistenz, auch Lichthilfen oder Video-Operator oder auch DIT und Data Wrangling, da wird es eng, Personen zu finden.“ Für Bolliger ist es seit den frühen Tagen seiner Karriere wichtig, im Austausch mit dem Nachwuchs zu sein. „Ich finde es wichtig, das Ganze auch von außen zu betrachten, wenn ich mit Studierenden oder Trainees zusammensitze, kommen oft quere Fragen rein“, so Bolliger. „Das finde ich sehr gesund, sich da immer selbst zu überprüfen. Ich tausche mich gerne zu Themen aus, die ich interessant finde und für vermittelnswert halte.“ [13514]