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Wir stellen die Preisträger des 33. Deutschen Kamerapreises vor (7)

Der Preis der Perfektion

Wir setzen unsere Reihe mit den Preisträgerinnen und Preisträgern beim 33. Deutschen Kamerapreis fort: Jan Mammey wurde im zweiten Jahr in Folge in der Kategorie Kamera Aktuelle Kurzformate ausgezeichnet, in diesem Jahr für seine Kameraarbeit bei „Verseucht und vergiftet“.

DoP Jan Mammey

Jan Mammey wurde 1972 in Frankfurt am Main geboren. Nach seinem Abschluss an der Staatlichen Fachakademie für Fotodesign München studierte er Bildende Kunst mit Schwerpunkt Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig. Dort legte er 2008 sein Diplom ab, 2012 folgte der Abschluss als Meisterschüler. Jan Mammey nahm an Artist-in-Residence-Programmen in den USA teil und war Stipendiat der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen. 2022 gewann er den Deutschen Kamerapreis für seine Arbeit an dem Dokumentarfilm „Lieber verstrahlt als im Krieg? Neuanfang in Tschernobyl“. Jan Mammey lebt und arbeitet in Leipzig.

Herzlichen Glückwunsch zum Deutschen Kamerapreis, zum zweiten Mal in direkter Folge! Ein ähnlich gelagertes Thema, ähnliche Technik und wieder eine preiswürdige Kameraarbeit – eigentlich könnten wir fast unser Gespräch vom letzten Jahr wiederholen.
Herzlichen Dank! Naja, ich habe mir gedacht: „Never change a winning setup!“ Es macht mir immer noch viel Spaß, mit der Sony Alpha 7S III zu arbeiten und sie passt für mich bei diesem Format und meiner Arbeitsweise immer noch sehr gut. Was sich zum letzten Film geändert hat, ist der Autor, Tom Fugmann, und wie im Jahr davor war das jemand, mit dem ich vorher noch keinen längeren Film gemacht hatte – also mal wieder eine neue Person, eine neue Herausforderung. Es ist ja oft so bei uns im Fernsehbereich, dass wir in wechselnden Zusammensetzungen arbeiten. Autoren haben oft ihre Wunsch-Kameraleute, aber das funktioniert nicht immer, weil die vielleicht gerade in anderen Projekten stecken. Dann werden wir in einer ganz neuen Zusammensetzung losgeschickt und machen einen Film. Glücklicherweise habe ich bei solchen Produktionen meistens meinen Wunsch- Assistenten an meiner Seite, dem ich fachlich und menschlich hundertprozentig vertrauen kann. Natürlich habe auch ich eine Reihe von Autorinnen und Autoren, die mich kennen und mit denen ich sehr gerne arbeite, aber irgendwie scheint es so zu sein, dass wir immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt werden, was ja auch ein ganz normaler Teil dieses Berufs ist.

Wahrscheinlich werden sich die Autorinnen und Autoren auch darin unterscheiden, was sie von deiner Kameraleistung erwarten.
Das stimmt, und deshalb muss man sich halt auch erst einmal einander gewöhnen. Das ist im fiktionalen Bereich anders, soweit ich das weiß, wo man doch oft in einem bewährten Gespann zusammenarbeitet. Ich denke manchmal, das muss toll sein, wenn man sich so genau kennt, vertraut und wenn man auch eine Wertschätzung erfährt, dass jemand sagt: „Ich möchte mit dir arbeiten. Da gibt es eine neue Herausforderung – lass uns das zusammen machen.“

Wenn man sich kennt, hat man natürlich am Beginn des Projekts weniger zu klären, aber ich kann mir vorstellen, dass von Seiten der Autoren beziehungsweise Regie von der Kamera durchweg eine gewisse Gestaltungshöhe gefordert wird.
Da muss ich leider zum Teil widersprechen. Tatsächlich wird das nicht immer von mir gewünscht und manchmal sogar explizit nicht gewünscht! Ich mache es dann trotzdem und das kostet sehr viel Kraft, weil im Fernsehbereich, in dem ich arbeite, die Gestaltung anspruchsvoller Bilder nicht immer, aber oft, sehr oft sogar, hinter dem Inhalt zurückstehen muss. Dann denke ich mir immer: „Leute, was ist das für eine widersprüchliche Unterscheidung, die ihr da macht? Ihr unterscheidet journalistische Inhalte und Bilder!“ Wie kann man das denn überhaupt auseinanderhalten? Wie kann man denn Inhalt und Bild trennen? Das funktioniert doch gar nicht. Bilder sind Inhalt und der Inhalt vermittelt sich oft nur über die Bilder. Die besten Filme in diesem Bereich, die ich kenne, sind oft diejenigen, die völlig ohne Off-Text auskommen, einfach nur Bilder und O-Töne stehen lassen und damit eine Geschichte erzählen.

Diesen scheinbaren Widerspruch zwischen Inhalt und Bild, den es ja für mich gar nicht gibt, muss man erklären und gleichzeitig ein Arbeiten auf Augenhöhe einfordern: „Bei diesem Beitrag, dieser Reportage, dieser Doku arbeitest du auf der redaktionellen und journalistischen Ebene als Autorin oder Autor und ich auf der visuellen Ebene als Bildgestalter. Ich möchte mit dir als Team arbeiten, in dem wir uns gegenseitig respektieren und ich möchte, dass mein Anspruch an diesen Film genauso viel Gewicht hat wie dein Anspruch und am besten finden wir zusammen und sprechen auf dem Weg dorthin ganz viel darüber, was wir uns vorstellen, wie der Film funktionieren soll und wie wir welchen Inhalt transportieren wollen.“

Filmstill aus „Verseucht und vergiftet“
Filmstill aus „Verseucht und vergiftet“ (Foto: Jan Mammey)

Wäre es eine richtige Einschätzung zu sagen, dass bei Reportagen und Dokumentationen im Fernsehumfeld und also auch in den Kurzformaten bis 30 Minuten der Anspruch an die Bildgestaltung nicht so hoch ist etwa im fiktionalen Bereich?
So empfinde ich es oft. Einerseits verstehe ich, dass das Geld knapp ist. Ich verstehe es aber andererseits auch nicht, weil es elementar ist, was wir da machen. Zigtausende Menschen bilden sich immer noch ihre Meinung basierend auf dem, was sie im Fernsehen gesehen haben, eben auf Informationen, die sie über die kurze Nachrichtenmeldung bis hin zu tiefer gehenden dokumentarischen Langformaten vermittelt bekommen haben. Ich finde es wichtig, gerade in den heutigen Zeiten, Stichwort Glaubwürdigkeitskrise des Journalismus, dass wir in diesem unübersichtlichen Bilderstrom, der die Menschen jeden Tag überflutet, Bilder machen, die im Gedächtnis bleiben – wie hast du das im letzten Jahr genannt? – Bilder, die standhalten.

Wir müssen uns aus der Masse herausheben. Wir müssen die Leute für 15, 30, 45 oder 60 Minuten auf eine Reise mitnehmen, genauso wie ein fiktionales Format, ein guter Film, eine gute Serie, wo man dem Zuschauer das Gefühl vermittelt, er hat eine andere Welt kennengelernt, die aber genau seine Welt ist, die Welt, in der wir leben, aber durch uns gesehen und erfahrbar gemacht. Dafür müssen die Bilder nicht immer schön sein, aber immer kraftvoll. Bilder, bei denen man sieht, dass hinter ihnen eine Entscheidung und eine Haltung steht.

Wie siehst du die Rahmenbedingungen, die bei Reportagen und Dokumentationen durch die Auftraggeber, also Produktionsfirmen, die für das öffentlich-rechtliche Fernsehen arbeiten oder das öffentlich-rechtliche Fernsehen selbst, geschaffen werden?
Bei anderen Anstalten kenne ich mich nicht so aus, aber beim MDR in Leipzig gibt es völlig unterschiedlich arbeitende Redaktionen. Bei der Redaktion, die für die Arte Re: zuständig ist, werden mir selten Steine in den Weg gelegt, wenn ich Wünsche äußere. Dass es bei solchen Formaten ein Grading geben sollte und wir deswegen in Log drehen, was dann etwas mehr Aufwand in der Postproduktion bedeutet, das hat sich mittlerweile durchgesetzt. In anderen Redaktionen ist das aber keineswegs selbstverständlich. Ich bin ja auch Teamleiter der EB-Kameraleute bei uns im Haus und da sehe ich neben der Arbeit im Team meine Aufgabe ganz stark darin, mit den Reaktionen zu arbeiten, zum Beispiel Workshops zu veranstalten, in denen es schwerpunktmäßig um die passende Bildgestaltung und Bildsprache für die jeweiligen Formate geht.

Wenn es um die Analyse der Marktanteile und die Wanderungsbewegungen der einzelnen Nutzergruppen geht, wird ja immer auf die Streamingdienste geschielt. Was uns aber noch sehr von den Streamern unterscheidet, ist beispielsweise die Tatsache, dass die ein ganz striktes Qualitätsmanagement haben. Das ist mit ein Grund, warum deren Dokus so gut aussehen. Da wäre ich sofort dabei! Lasst uns das mal machen und ein vernünftiges Qualitätsmanagement einrichten! Denn wenn wir uns mit den Streamern auf dieser Ebene messen wollen, dann müssen wir auch die Ressourcen dafür bereitstellen. Das würde Geld kosten, das aus meiner Sicht aber gut investiert wäre. Nebenbei würden wir vielleicht auch wieder attraktiver für Jüngere, sowohl als Arbeitgeber als auch was das Programm betrifft. [15408]

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