Auch in diesem Jahr gab es kein Gruppenfoto bei der Jurywoche für den 32. Deutschen Kamerapreis, die Anfang Februar wieder nur online stattfand. Für Film & TV Kamera war Chefredakteur Uwe Agnes dabei. Er sprach mit dem Kuratoriumsvorsitzenden Matthias Haedecke.
Eigentlich sollten wir beide uns in diesem Jahr ja gar nicht mehr über die Jurywoche unterhalten. Stattdessen hätte ich mit dem Jurypräsidenten sprechen sollen, den es aber nicht gibt, weil auch im zweiten Corona-Jahr die Jurysitzung nur online stattfinden konnte.
Das stimmt – wir haben auch dieses Jahr darauf verzichten müssen, einen Jurypräsidenten zu haben, weil der seine Funktion nur in einer Präsenzsitzung sinnvoll ausüben kann. Nur dort kann er oder sie Zeit in den unterschiedlichen Jurys verbringen und an den Diskussionen, die dort laufen, teilhaben.
Nach der letzten Jurysitzung im Februar 2021 hatten wir uns vorgenommen, dass wir uns alle möglichst in dem identischen Kreis auch in diesem Jahr wieder treffen, mit Betonung auf „treffen“! Wir wechseln ja sonst aus gutem Grund immer wieder von Jahr zu Jahr neu durch, um neue Aspekte und eine neue Dynamik in den einzelnen Gruppen zu bekommen. Aber da es letztes Jahr in der Online-Sitzung so gut funktioniert hat, wollten wir den Gruppen die Chance geben, sich auch persönlich zu treffen und haben deswegen alle wieder angefragt, die 2021 in den Jurys waren. Als dann klar war, dass Omikron uns da einen Strich durch die Rechnung macht und wir wieder eine Online-Veranstaltung planen mussten, sind wir bei der geplanten Besetzung geblieben, obwohl das persönliche Treffen leider wieder ausfallen musste.
Der Vorteil daran war, dass schon alle wussten, wie die Online-Sitzungen funktionieren und wie der technische Ablauf ist. Wo es im vergangenen Jahr noch Punkte gab, an denen es vielleicht ein wenig geruckelt hat, dann konnte das in diesem Jahr durch die Erfahrung, die wir gesammelt hatten, ausgeglichen werden. Ich glaube, dass das gut funktioniert hat, denn wir haben aus allen Jurys durchweg positives Feedback bekommen, was die Technik und das Streaming der Wettbewerbsbeiträge angeht. Auch mit den Veranstaltungsräumen auf Teams hatten wir unsere Erfahrungen gemacht und die in diesem Jahr bei der Wiederholung des Online-Formats positiv umgesetzt. Wir fanden es prima, dass alles so gut geklappt hat.
Die Online-Sitzungen bringen ja auch organisatorische und nicht zuletzt finanzielle Vorteile – niemand muss mehr Bluray-Discs verschicken, die Jurymitglieder müssen nicht reisen und untergebracht werden. Sollen die Präsenzsitzungen trotzdem zurückkehren?
Wir freuen uns definitiv auf die Präsenzsitzungen in den nächsten Jahren, weil dort der Austausch, so glauben wir, dann doch noch einmal ein anderer ist. Wir haben aber die Vorteile des Streamings definitiv zu schätzen gelernt, da werden wir keinen Schritt zurück machen, dass man wieder mit Datenträgern und Playern agiert. Wir werden also die Plattform, die wir für das Online-Format entwickelt haben, weiter nutzen, auch weil es den Jurys die Möglichkeit gibt, schon vor der Jurywoche die Beiträge zu sichten, so dass man sich ein Bild von den Einreichungen in seiner Gruppe machen kann. Das fördert aus unserer Sicht die Diskussion, erweist sich so als Vorteil auch für eine Präsenzsitzung. Trotz dieser Möglichkeit denken wir aber im Augenblick nicht darüber nach, die Jurywoche deswegen zu verkürzen. Auch da werden wir unsere Erfahrungen sammeln.
Gab es in deinen Gespräche mit den verschiedenen Jurys übergreifende Themen, was Inhalte und die Gestaltung angeht?
Eigentlich nicht. Wir hatten alle Sorge, dass wegen der Pandemie die eingereichten Produktionen zahlenmäßig weniger werden oder qualitativ nachlassen könnten, aber das war nicht der Fall. Wir hatten nur unwesentlich weniger Einreichungen als 2021, was wir eher als Konsolidierung nach Jahren des Wachstums betrachten, und alle eingereichten Beiträge haben sich in der gewohnt hohen Qualität präsentiert. Aber ein besonderer Look hat sich für uns nicht herauskristallisiert.
Wir werfen ja einen besonders intensiven Blick auf die Nachwuchspreis, den wir als Kuratorium vergeben. Das ist insofern eine Ausnahme, weil wir hier nicht jedes Jahr eine neue Jury zusammenstellen, sondern die Jury eben aus dem Kuratorium des Deutschen Kamerapreises besteht. Dort bekommen wir überwiegend Hochschulproduktionen aus München, Berlin, Ludwigsburg oder Köln zu sehen und wir wundern uns jedes Jahr, dass es doch immer wieder innovative Ideen gibt!
Dort gibt es dann wirklich Trends, was aber mit den Aufgabenstellungen an den Hochschulen zusammenhängt. Dieses Jahr kamen einige Arbeiten zum Thema Afrika, in anderen Jahren hatten viele mit dem Formaten experimentiert, wo es viel 4:3 und sogar auch Hochkant-Formate gab. Aber außerhalb davon haben sich gestalterisch keine besonderen Trends herauskristallisiert. Was ich aber sehr bemerkenswert finde, ist der extrem hohe Qualitätsstandard der jungen Studierenden! Ich bin ja jetzt auch schon ein paar Jahre beim Deutschen Kamerapreis und das war in früheren Jahren nicht immer so.
Es darf aber auch nicht dahin kommen, dass man die Frische verliert. Das wäre eher meine Sorge bei dieser frühen hohen Professionalität, die sicherlich auch darin begründet ist, dass diese Hochschulprojekte mit Sendeanstalten als Ko-produzenten für weitere Auswertungen konzipiert werden. Dieses Jahr hatten wir übrigens einen sehr bemerkenswerten Beitrag für eine NGO aus dem Image-Bereich, bei dem qualitativ überhaupt keine Luft mehr nach oben blieb, rein was die Technik angeht. Es ist wirklich bemerkenswert, dass die jungen Menschen in unserer Branche schon so einen hohen Standard haben. Ich hoffe aber, dass sie sich auch in den nächsten Jahren die Frische und das Unverbrauchte nicht schon zu früh abtrainieren lassen, sondern mutig bleiben. [15097]