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Alles noch mal abklopfen

Die Montage des Filmplus17-Gewinners “Safari”

Der mit 7.500 Euro von der Stiftung Kulturwerk der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst dotierte Bild-Kunst Schnitt Preis Dokumentarfilm ging auf dem Filmplus17 im Oktober letzten Jahres an Christof Schertenleib und Christoph Brunner. Die Jury würdigte den “radikalen Schnitt” des Dokumentarfilms “Safari”. Hier der Artikel aus unserer Ausgabe 3/2018.

(Bild: Foto: Ulrich Seidl Filmproduktion)

Christoph Brunner, Jahrgang 1978, studierte an der Höheren Graphischen Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt sowie an der Filmakademie in Wien. Heute ist er als freischaffender Filmemacher, Kameramann und Editor tätig. Für Ulrich Seidl war er Editor bei “Im Keller”. Gemeinsam mit Monika Willi schnitt er zuletzt den Spielfilm “Wilde Maus” von Josef Hader.

Christof Schertenleib wurde 1958 geboren. Von 1981 bis 1988 studierte er an der Filmakademie in Wien und spezialisierte sich in den Fächern Regie und Schnitt. Seit 1990 ist er freischaffender Editor, wobei ihn besonders eine langjährige Zusammenarbeit mit dem Regisseur Ulrich Seidl verbindet.

Beim Abspann von “Safari” ist bemerkenswert, dass zunächst Christof Schertenleib unter “Schnitt” und da nach Christoph Brunner unter “zusätzlicher Schnitt” genannt wird. Im Rolltitel ein paar Minuten später steht ihr dann beide gleichberechtigt unter “Schnitt”. Wie ist es zu diesem ungewöhnlichen Credit gekommen?

Christof Schertenleib: Das war vermutlich die Entscheidung von Ulrich Seidl, der wohl eine kleine Gewichtung vornehmen wollte, was aber unserer beider Meinung nach ein wenig unglücklich herausgekommen ist.

Christoph Brunner: Genau so war es. Ulrich wollte keine unterschiedlichen Schriftgrößen, wobei ganz klar war, dass Christof Schertenleib den Großteil des Films gemacht hat. Es war aber auch klar, dass meine Verantwortlichkeit im letzten Teil der Fertigstellung eben mehr war als ein zusätzlicher Schnitt, und dann entstand diese unglückliche Zwitterlösung mit einem sich widersprechenden Abspann.

Wie ist denn bei diesem Projekt konkret eure Zusammenarbeit abgelaufen?

Christof Schertenleib: Die war eigentlich nacheinander. Ich habe den Film im November 2015 abgegeben. Das war eine vorführbare Fassung, die auch fast hätte fertig sein können. Wie immer bei Ulrich werden dann ganz lange andere Dinge ausprobiert, wird die Dramaturgie noch einmal abgeklopft.

Ich bin dann hin und wieder über den Stand informiert worden, war aber in der Schweiz und nicht in der Nähe und habe deshalb nur noch zweimal ausführlich Feedback gegeben. Die Zusammenarbeit war nicht so, dass zwei zur gleichen Zeit arbeiten und sich abwechseln. Es war auch ein bisschen ein Sonderfall, weil der Schnitt so lange gedauert hat. Eigentlich sollte der Film im November fertig sein, ursprünglich war sogar Ende Sommer geplant. Ich hatte aber einen anderen Film zugesagt, den ich nicht verschieben konnte. Und es hat dann noch einmal viel länger gedauert – Christoph, du hast dann ja noch bis März oder April geschnitten.

Christoph Brunner: Genau, ich habe vom November bis April mit Ulrich gearbeitet.

Wie war das, an ein, wie Christof sagte, fast fertiges Werk heranzukommen und daran weiterzuarbeiten?

Christoph Brunner: Es gab einen fertigen Film, den ich von Christof übernommen habe. Aber es gab auch sehr klare Aufträge und Vorstellungen von der Regie, was die nächsten Schritte sein müssten, inklusive Einarbeitung der Nachdreh-Bilder. Sehr viel dieser Arbeit war, wie Christof schon gesagt hat, Dinge zu überprüfen und noch einmal neu zu beurteilen. Dabei konnte ich auf die fertige Fassung zurückgreifen und bin auch immer wieder darauf zurückgekommen. Es sind nur wenige Stellen, die sich im  Schnitt wirklich verändert haben.

Bei der Reihenfolge der Statements ist noch gefeilt worden. Auch bei den stummen Tableaus ist noch vieles probiert worden: andere Reihenfolgen, manche sind dazugekommen, andere herausgefallen. Ich erinnere mich an das ältere Pärchen, die gewissermaßen die komische Rolle einnehmen – der Mann, der auf der Jagd immer wieder in seinem Unterstand einschläft  Auch da ist noch sehr viel Gewichtung am Schluss gemacht worden. Die Gesamtdramaturgie, die Pirschen, die immer größer werdenden Tiere, die geschlachtet werden, und auch die Grundreihenfolge der Annäherung an das Jagen bis zum Moment des Abdrückens, all das hatte Christof schon herausgearbeitet.

Christof Schertenleib: Das ist aber auch Ulrichs normale Arbeitsweise. Jemand, der nur flüchtig seine Filme schaut, würde gegenüber diesen frühen Fassungen, wie ich sie übergeben habe, kaum einen Unterschied feststellen. Ich habe mich oft gefragt, ob dieses letzte Fitzel es dann eben gerade ausmacht, dass diese Filme so eindringlich wirken. Diese Schlussuntersuchungen, wenn der Film eigentlich schon fast fertig ist … das war auch bei anderen Filmen so, die ich bis zum Ende begleitet habe, dass alles einfach noch einmal unzählige Male abgeklopft wird und im Extremfall, so war das glaube ich bei “Import Export”, ist dann diese Fassung ein halbes Jahr später doch wieder ganz, ganz nah an der ersten “fertigen” Fassung – aber es ist eben alles noch einmal untersucht worden.

Bei “Safari” hat, wie der Christoph gerade gesagt hat, dieses ältere Paar zuerst lange nicht so gut funktioniert wie jetzt. Das war ursprünglich noch etwas ausführlicher und von der Gewichtung her anders. Aber wenn jemand flüchtig den Film anschaut, ist es kaum ein Unterschied. Das südafrikanische Paar mit dem rassistischen Ausspruch ist gegenüber der Fassung, die ich hatte, auch besser integriert.

Das ist oft ein ganz langer Weg, bis dieses Gleichgewicht endlich erreicht wird. Der Schnitt interessiert Ulrich Seidl oft erst nach der 15. bis 20. Fassung. Vorher schaut er sich das zwar auch an, aber ab dann wird er wirklich akribisch und fordert einen auch sehr. Das kann Christoph vielleicht bestätigen: dieses letzte halbe Jahr ist dann eigentlich immer das anstrengendste.

Ist der Schnitt mit Ulrich Seidl einfach oder kompliziert?

Christof Schertenleib: Es ist beides. Ich habe ja schon viel mit ihm zusammengearbeitet und sage immer, wir sind wie ein altes Ehepaar. Am Anfang weiß er, was ich tue und ich schlage ihm etwas vor, und am Ende ist es eben anstrengend und manchmal auch kompliziert. Jeden seiner Umwege verstehe ich selbst nach 25 Jahren Zusammenarbeit manchmal nicht.

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