Im zweiten Teil des Gesprächs in unserem Heft 6/2018 berichtete DoP Pepe Avila del Pino unter anderem von seinen Dreharbeiten bei der Netflix-Serie “Ozark”.
Ein anderer, fast genauso beiläufiger Kinnladen–Öffner war dann die Szene mit den zwei James Francos in der Kneipe, einschließlich Interaktion mit dem Glas auf der Theke.
Nahtlos. Das war auch –
Motion control?
Nein, das geht ganz auf die Kappe der VFX Leute. Wir haben es auf einem Dolly und mit einem MoVI gedreht und beim zweiten Durchgang versucht, die Bewegungen nachzuahmen. Das haben sie dann zum Funktionieren gebracht. Ich meine, es geht dabei um das Austauschen des Gesichts, und wir hatten einen Darsteller mit dem James agieren konnte, aber einmal mehr war das etwas, das Michelle von Anfang an so im Kopf hatte. Sie las die Szene im Drehbuch und (klatscht in die Hände) wusste, dass sie das in einem Spiegel sehen will. Wir suchten also Kneipen mit einem Spiegel, sie suchte sich eine aus und wir setzten es dort um. Sie ist genial.
Gemessen daran war der Rest der Staffel einfach.
Split-screens, und das war’s, ja. Bei uns war es ein bisschen anstrengender, du musst alles zwei Mal drehen, während dir die Zeit davonläuft. Dann sprichst du mit den FX Leuten und fragst „Seid ihr sicher, das wird auch …“ (lacht) Und sie so: „Ja, klar, passt schon.“ – „Ok.“
Mit welcher Kamera und welchen Objektiven habt ihr gedreht?
Mit der ARRI ALEXA und Panavision Primos und Panavision PVintage. Die PVintage habe wir für die Tagaufnahmen genommen, die Primo’s für Nachtaufnahmen.
Wie hast du Textur und Korn gehandhabt?
Da wir viele Nachtaufnahmen hatten, war mir klar, dass vieles davon mit offener Blende gedreht werden würde, also haben wir Tests gemacht. Die Objektive haben eine tolle Textur, gerade wenn man mit offener Blende dreht, da fällt nichts auseinander. Die PVintage sind im Grunde genommen superschnelle Linsen in einem neuen Gehäuse. Die haben den Außenaufnahmen bei Tag einen Hauch Cremigkeit gegeben. Außerdem haben wir noch eine Software benutzt: LiveGrain – ich meine der Dreh ist jetzt schon zwei Jahre her, damals war sie noch ziemlich neu. HBO hatte sie bei “Vinyl” benutzt.
Eine Serie, die ja zur gleichen Zeit ebenfalls in New York spielt. Beim direkten Vergleich kommst du besser weg.
Oh, danke sehr. Ich habe aber mit Rodrigo Prieto gesprochen, der den Piloten gedreht hat. Er erzählte mir von dieser Software, die wir uns mal ansehen sollten, was wir dann auch gemacht haben. Und Sam Daley, der bei der ganzen Staffel unser Kolorist war, hatte noch nie damit gearbeitet und war davon begeistert. Es ist als hätte man einen ganz anderen Grading-Prozess benutzt, weil man kann damit das Korn, dessen Größe und Bewegung selektiv bearbeiten, in den Highlights, den Mitten, im Schatten … ich weiß nicht, ob es dir aufgefallen ist, aber es ist da. Hast du es bemerkt? Das Korn? Nein? Es ist sehr dezent.
Ich denke schon, weil es nicht so aussah, wie ich es von der Alexa gewohnt war, aber ich hätte es nicht benennen können.
Den Rest der Staffel haben sie dann auch auf der Varicam gedreht. Der Pilot war aber Alexa.
Sie sind dem Look, den du etabliert hast, aber nahe gekommen. Wirst du bei der zweiten Staffel nochmal mit an Bord sein?
Weiß ich nicht, wir werden sehen. (lacht) Sie haben mich noch nicht angerufen. Wir hatten zwar darüber gesprochen, aber nein.
Dann war da natürlich noch „Ozark“ (2017) für Netflix. Den hast du komplett in 4400 K gedreht, stimmt das? Wie hast du das getestet?
Ich liebe Tests. Netflix verlangt ja 4K, das schloss somit die Alexa aus, mit der ich mich wohler gefühlt hätte, weil ich sie besser kenne. Wir testeten die (Sony) F55, F65, die RED, die Varicam, und – Augenblick, wir haben zwar die Alexa 65 getestet, die war aber einfach zu groß für dieses Projekt. Einfach zu viel, weil wir etwas Leichtes brauchten. Dazu kommt, dass der Rhythmus der Dreharbeiten beim Fernsehen viel hektischer ist. Bei all den Tests fand ich jedenfalls heraus, dass die Farbkurve der Varicam der der Alexa am nächsten kommt, besonders was die Grüntöne anbelangt. Wir haben ja in Atlanta gedreht, mitten im Sommer – da ist alles grün und die Sonne steht direkt über dir. Ich mochte sehr, wie sie diese Farben verarbeitet hat, es sah sehr natürlich aus. Selbst wenn sie beinahe schon am Clippen war, sah es noch immer nicht digital aus, wie bei anderen Kameras. Ich war wirklich sehr, sehr glücklich damit. Und dann hatten wir noch den zusätzlichen Puffer der 5000 ISO, obwohl wir nie davon Gebrauch gemacht haben. Wenn man in Schwierigkeiten gerät, kann man darauf zurückgreifen, und es sieht gut aus.
In Kontrast dazu hast du sogar noch vorher die Mini-Serie „Quarry“ (2016) gedreht.
Ich liebe diese Serie – hast du sie gesehen?
Leider bis auf den Trailer noch nichts.
Sie ist einer meiner persönlichen Favoriten, die ich wirklich mag.
Mir hat sehr deine Herangehensweise gefallen, von der ich gelesen habe, dass ihr nicht gestoryboardet und on location gedreht habt.
Und das war toll, und das vielleicht intensivste Projekt, an dem ich bisher gearbeitet habe. Greg (Yaitanes) war der Regisseur von dem ganzen Unterfangen, und wir haben es gedreht wie einen Film, nicht von Folge zu Folge. Das ganze Ding am Stück waren 87 Drehtage, ohne Pause. Das Vertrauen zueinander ist gewachsen, so dass wir erst den Schauspielern dabei zusehen konnten, was sie tun wollten, um dass dann so flüssig und schön wie möglich umzusetzen. Die Darsteller haben das geliebt, und mein Kamerateam auch, weil sie mehr mit einbezogen waren als üblich. Der Schwenker war engagierter, der Oberbeleuchter auch, weil sie Licht in und aus dem Bild geschwenkt haben, während wir uns hindurch bewegten. Es hat Spaß gemacht – herausfordernd, ja, aber ich bin sehr stolz auf das Ergebnis. Du solltest sie ansehen, wenn du kannst, ich mag sie wirklich sehr.
Ein beinahe 90 Tage Dreh – das wird ja fast zur meditativen Erfahrung.
Ja, absolut. Man ist im Rhythmus, man ist voll drin.
Das ist toll, wenn alles zu einer Einheit verschmilzt, und dabei der zu erzählenden Geschichte dient. Ich bin sehr gespannt auf das, was du als nächstes anpackst.
Ich auch! (lacht) Ich hoffe, dass sich etwas finden wird. Ich bin für eine Reihe von Projekten im Gespräch, ich habe mich aber für noch keines entschieden. Wir werden sehen.
Hauptsache immer dem Gefühl nach, aus dem Bauch heraus. Vielen Dank für das Interview.
Ich danke dir. [5183]
Den ersten Teil des Interviews mit Pepe Avila del Pino können Sie hier finden.