Daria Pilz ist Kamerafrau aus Berlin. Sie hat in unserer Ausgabe Heft 1–2.2023 die Drei Fragen geantwortet und uns verraten, warum sie bei den Cinematographinnen ist und wie ihr Bouldern beim Drehen hilft.
1. Was ist dein Arbeitsschwerpunkt?
Mein Arbeitsschwerpunkt ist Bildgestaltung für fiktionales Erzählen, also Spielfilm und Serie. Meinen Masterabschluss in Cinematography habe ich 2014 an der Hamburg Media School gemacht und arbeite seitdem international als lichtsetzende Kamerafrau. Meine Aufgabe ist es, das Wissen um die vielfältigen Gestaltungsweisen so einzusetzen, dass das Drehbuch, die Vision der Regie, und das Schauspiel so nah und direkt wie möglich erfahrbar werden. Die Voraussetzung dafür sehe ich in einer intensiven Vorarbeit mit dem Drehbuch und der Regie und im besten Fall auch in Proben mit den Schauspielern. Die richtige Einstellung und Komposition zu finden, ist mehr ein emotionaler Prozess als alles andere. Natürlich ist es wichtig, das Handwerk zu beherrschen, doch um eine stimmige Sprache zu entwickeln und auch in der Hektik eines Drehtages umzusetzen, ist es für mich eine absolute Voraussetzung, die emotionale Reise der Figuren verinnerlicht zu haben.
Bei dem Projekt „Sharaf”, einem Spielfilm über einen jungen Mann, der im Gefängnis landet, nachdem er sich einem Überfall widersetzt hat, finden 90 Prozent des Films in einem Gefängnis statt. Wir haben den Film in Tunesien gedreht und waren in der Technik, die wir mitbringen konnten, sehr eingeschränkt. Wir wollten einen authentischen Look schaffen, und da lasse ich mich gerne von der realen Straßen- und Gebäudebeleuchtung vor Ort inspirieren. Am Ende haben wir uns für echte HQI-Leuchten, Kunstlicht und RGB-LEDs mit der Farbe Urban Sodium entschieden. Keine einzige HMI-Filmleuchte war am Set, der Look sieht toll aus und die Hauttöne, die das Kunstlicht hergibt, sind für mich nach wie vor am natürlichsten. Wir haben so viel in-camera gemacht, dass wir den Feinschliff im Grading in nur wenigen Tagen realisieren konnten.
Ich finde es ist ein großes Geschenk, dass die Technologien so vielfältig und zugänglich geworden sind. So kann ich für jede Geschichte eine eigene Strategie entwickeln, die logistisch umsetzbar ist und dennoch keine großen Kompromisse mehr für das Storytelling erfordert. Mein nächstes Projekt, eine Social Impact Serie, hat sich genau das zum Ziel gemacht: Wie können wir alle logistischen und budgetären Herausforderungen so minimieren, dass endlich die Geschichte und das Schauspiel absolut im Vordergrund stehen? Bei dem Projekt bin ich seit der ersten Idee und auch in der Phase der Stoffentwicklung und Vorproduktion dabei. Aktuell entwickeln wir mit neuen digitalen Technologien ein Framework, das es ermöglicht, schon vor den Dreharbeiten mit dem Publikum zusammenzuarbeiten. Wir haben bereits einen Piloten fertiggestellt, bei dem das Prinzip das erste Mal zum Einsatz kam und es war so bereichernd, durch den Film in Kommunikation zu treten. Als Filmemacherin hat mir das den Horizont erweitert, endlich konnte man aus der eigenen kleinen Bubble heraustreten und wertvolle Antworten auf kreative Fragen bekommen. Und für das Medium Film selbst öffnet sich die Kommunikation nun in beide Richtungen. Es ist nicht mehr ein reines „Konsumprodukt“. Ich freue mich sehr, bei so einem innovativen Projekt dabei zu sein und bin gespannt, was die Zukunft bringt.
2. Bist du in einem Verband aktiv?
Ich bin Mitglied beim BVK und dem Netzwerk Cinematographinnen. Es ist toll, mit so vielen talentierten Kamerafrauen vernetzt zu sein. Es gibt immer wieder Treffen und Workshops, die sehr viel Spaß machen. Ich schätze die Plattform, um im gemeinsamen Austausch zu wachsen, über kreative, handwerkliche und berufliche Fragen zu sprechen, aber auch viel zu bewegen, um die Filmbranche fairer zu gestalten. Solche Dinge passieren nicht von alleine und es braucht starke Stimmen und viel Durchhaltevermögen.
3. Wofür schlägt dein Herz außerhalb der Arbeit?
Ich reise unglaublich gerne und ich mag es auch, wenn es mal etwas abenteuerlicher wird. Ich bin ziemlich happy darüber, dass mich meine letzten Filmprojekte quer durch die ganze Welt geführt haben, von Jamaika über Tunesien, Marokko, Istanbul und sogar einer arktischen Insel in Nordrussland. Über eine Woche zu campen und zu drehen an einem Ort, wo außer dem Team kein einziger Mensch ist, war eine unglaubliche Erfahrung. Das erdet einen schon sehr. Und es hat mich auch daran erinnert, dass mir die Zeit in der Natur doch immer wieder fehlt. Ich klettere gerne, auch wenn ich leider viel zu selten dazu komme, das am Felsen zu machen. Dafür gehe ich gern in die Boulderhallen vor Ort, das hält auch fit für die nächste Handkamera-Plansequenz! [15282]