In unserer Rubrik „Drei Fragen“ stellen wir in jedem Heft eine Filmschaffende oder einen Filmschaffenden mit drei Fragen zu Arbeitsschwerpunkt, beruflichem Engagement und Freizeit vor. Für die Ausgabe 7-8.2024 hat Felicitas Heck, Sound-Designerin aus Berlin, erzählt, nach welchen Kriterien sie Wind-Geräusche auswählt und worin sie dem Klischee der Berlinerin entspricht.
1. Was ist dein Arbeitsschwerpunkt?
Ich bin Sound-Designerin im Bereich der Filmton-Postproduktion und arbeite hauptsächlich in meinem Studio in Berlin. Ich bin für die Gestaltung von Atmosphären und Effekten für TV- und Kinoproduktionen zuständig. Das bedeutet zum einen, alleine im Studio zu arbeiten, zum anderen aber auch viel Kommunikation mit den beteiligten Gewerken. Wenn ich nicht schon vor Drehbeginn einbezogen werde, was leider selten der Fall ist, spreche ich mich nach Sichtung des Films mit der Regie ab, um eine gemeinsame Tonsprache in Bezug auf Konzept und Dramaturgie, aber auch in der Kommunikation untereinander zu finden.
Während der Arbeit am Film kommuniziere ich, je nachdem ob der Film schon abgedreht ist oder nicht, mit der Originaltonmeisterin oder dem Originaltonmeister, damit ich Töne, die nachträglich nur schwer herstellbar sind, zum Beispiel spezielle Maschinengeräusche, Menschenmengen oder Atmosphären nachgeliefert bekomme. Dann bekommt die Foleyabteilung noch eine Wunschliste mit genauen Angaben zu meinen klanglichen Vorstellungen der Geräusche. Bei aufwendigen Effekten bieten die Foley Artists mehrere Layer an, die ich weiterverarbeiten und mit Effekten aus dem Archiv kombinieren kann. Mein Archiv besteht aus mittlerweile über zwei Jahrzehnten angesammelten Sounds, gekauften Libraries und selbst aufgenommenen Tönen.
Je nach Film bastele ich aus Set-, Archiv-, Foleytönen und eventuell eigenen Aufnahmen das Sound-Design mit mal mehr oder mal weniger aufwendigen Automationen und Plug-ins. Bei der Gestaltung von Atmosphären achte ich sehr genau darauf, die richtigen Akzente an den richtigen Stellen zu positionieren. Das kann mitunter große Auswirkungen darauf haben, wie eine Szene rezipiert wird. Das gilt zum Beispiel auch für die Auswahl eines Windes: kalt oder warm, mit Blättern oder ohne? Was für Blätter könnten das sein? Oder sind es Nadelbäume durch die der Wind pfeift? Manchmal ist es aber auch Stille, die im richtigen Moment eingesetzt die Szene hervorhebt und zum Klingen bringt. Es kommt mir darauf an, den Film durch die Ton-Ebene zu bereichern und einen akustischen Wahrnehmungsraum zu schaffen, der in die Geschichte hineinzieht. Das geschieht durch dramaturgisch wichtige auditive Informationen oder durch Sounds, die einen emotionalen Effekt erzielen sollen, wobei die Grenzen hier manchmal fließend sind.
Bestenfalls gibt es dann vor der Mischung noch die Möglichkeit sich mit der Komponistin oder dem Komponisten abzustimmen, damit Sound-Design und Musik nicht an denselben Stellen dieselben Frequenzen bedienen. In der Mischung arbeite ich schließlich gemeinsam mit der Mischtonmeisterin oder dem Mischtonmeister und anderen Gewerken daran, das möglichst Beste aus allen Tonspuren und allen an uns herangetragenen Wünschen für den Film herauszuholen.
Abgesehen vom Sound-Design für Filme arbeite ich auch für internationale Kunstprojekte. Das ist ein ganz anderer Prozess, meist in sehr enger Zusammenarbeit mit den Künstler:innen. Hier gibt es keine festgeschriebene Herangehensweise wie beim Film. Die Anforderungen sind von Projekt zu Projekt sehr verschieden. Das kann eine Mehrkanalkomposition für mehrere Räume, Sound-Design für eine Videoinstallation oder ein Audiowalk sein. Langeweile kommt da nicht auf und in der Kombination mit dem Sound-Design für Filme habe ich einen abwechslungsreichen und kreativen Job, der mir viel Spaß macht.
2. Bist du in einem Verband aktiv?
Ich bin vier Verbänden zugehörig: der Berufsvereinigung Filmton, den Filmtonfrauen, der Queer Media Society und Pro Quote Film. Wirklich aktiv war ich vor allem bei den Filmtonfrauen, einem Verein, der sich für die Sichtbarmachung und Förderung von Frauen in dieser Branche einsetzt und an dessen Gründung ich maßgeblich beteiligt war. Der Frauenanteil beim Filmton liegt immer noch bei lediglich 5 Prozent. Seit unserer Gründung 2019 hat sich dieser Prozentsatz noch nicht verändert, aber unserem Verein treten stetig mehr Frauen bei, vernetzen sich und werden zu sichtbaren Vorbildern. Außerdem kündigen kleine Fortschritte einen Wandel an: Inzwischen heißt zum Beispiel der Studiengang der UdK nicht mehr „Tonmeister“ sondern „Tonmeister:in“ – ein kleines Zeichen im Text, das der Mehrheit der in Deutschland lebenden Bevölkerung endlich eine Stimme gibt und vielleicht dazu führt, dass zukünftig mehr Frauen diesen und andere MINT-Berufe ergreifen. Alle vier Vereine haben sehr wichtige und unterstützenswerte Ziele und ich bin allen dankbar, die sich neben ihrer Arbeit aktiv dafür einsetzen.
3. Wofür schlägt dein Herz außerhalb der Arbeit?
Auch wenn ich gerne in meinem Beruf arbeite, so gibt es doch eine Menge anderer Dinge, die mir Freude bereiten. Ein großes Hobby, das meine Freizeit komplett in Anspruch nimmt, habe ich neben der Care-Arbeit für mein Kind nicht, dafür viele unterschiedliche Interessen: Da wären zum Beispiel – um dem Klischee der Berlinerin zu entsprechen – Tech House und Techno auflegen, Roller Derby, Absorber bauen, Klavierspielen, Konzerte in der Philharmonie, ins Kino gehen und mich über gutes Sound-Design freuen (The other side of the river!), ausgesetzte Pflanzen aufpäppeln und, ganz wichtig: auch einfach mal chillen! [15457]