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Editorin aus Heidelberg

Drei Fragen an Kirsten Kieninger

In unserer Rubrik „Drei Fragen“ stellen wir in jedem Heft eine Filmschaffende oder einen Filmschaffenden mit drei Fragen zu Arbeitsschwerpunkt, beruflichem Engagement und Freizeit vor. Im Heft 11.2024 hat uns die Editorin Kirsten Kieninger aus Heidelberg erzählt, was sie an Filmkritiken ärgert und was sie im Morgengrauen an der Nordsee tut.

Editorin Kirsten Kieninger
Foto: Volker Schwarz

 1. Was ist dein Arbeitsschwerpunkt?

Ich bin Filmeditorin und vorrangig im dokumentarischen Bereich unterwegs. Filmmontage habe ich an der Filmuniversität in Babelsberg studiert. Ich kenne noch den Geruch von Film(-Streifen) und Ton(-Bändern) im Schneideraum. Doch seit ich selbstständig auf Montage gehe, seit inzwischen über 20 Jahren, bin ich nur noch digital unterwegs. Das Schnitt-Werkzeug meiner Wahl ist bei den meisten Produktionen der Avid Media Composer, vor allem, um materialintensive Projekte stabil zu handeln und unkompliziert mit anderen Gewerken wie Sounddesign oder Farbkorrektur zusammenarbeiten und Projektdaten hin- und herschieben zu können, ohne sich groß Gedanken um Kompatibilität und Performance machen zu müssen.

Mein Arbeitsschwerpunkt ist ganz klassisch der Filmschnitt, also die Montage des Films aus Bildern und Tönen. Effekte und Farbkorrektur überlasse ich gerne VFX und Colour Grading mit ihrer jeweiligen Expertise. Viel Augenmerk – oder vielleicht besser Ohrenmerk – widme ich gerne der Tonebene, bevor ich ein Projekt für Sound­ design und Mischung über­ gebe. Ich lege viel Wert auf Atmos, zusätzliche Sounds und sauber geschnittene O-Töne – vor allem auch dann, wenn sie aus den Off zu hören sind. Wenn in einer redaktionellen Rohschnitt-Abnahme ein Bild-Schnitt angeblich „springt“ und bitte zu ändern sei, wirkt es ja oft Wunder, einfach nur den Ton zu glätten und das Bild gar nicht anzufassen.

Ich liebe die Arbeitsweise und Herausforderungen beim Schnitt von künstlerischen Dokumentarfilmen: das Durch- dringen des Materials beim Sichten, das Herausschälen von Szenen, Wende- und Höhepunkten, das Finden des passenden Erzählrhythmus und die konstruktive Auseinandersetzung mit der Regie beim Bau des dramaturgischen Bogens. Aber weil langer Dokumentarfilm auch bedeutet, lange Monate vollständig eingetaucht im Schneideraum zu sein, schneide ich zwischendurch auch gerne so etwas wie die eine oder andere „Handwerkskunst“ für den SWR oder andere formatierte Produktionen. Ich arbeite dabei entweder vor Ort in Produktionshäusern oder remote von Zuhause aus.

2. Bist du in einem Verband aktiv?

Ich bin Mitglied im BFS, dem Bundesverband Filmschnitt Editor. Angemessene Gagen und Arbeitsbedingungen sind ein wichtiges Thema. Zudem ist es mir wichtig, die Wahrnehmung des Gewerks Schnitt zu stärken. Denn gemessen daran, was Montage eigentlich leistet, fällt die Anerkennung oft erstaunlich gering aus. In Festival-Katalogen, auf Filmblogs oder Kritikportalen werden als Filmcredits selbstverständlich Regie, Buch, Kamera, Musik genannt, Montage oder Ton- und Sounddesign dagegen viel zu selten. Auf Filmfestivals wird bei der Vorstellung von Filmteams schon mal vergessen, die anwesenden Editor:innen mit auf die Bühne oder über den roten Teppich zu bitten. Dabei ist jener Ausspruch von Robert Bresson, dass ein Film dreimal gemacht werde, so wahr: zunächst beim Schreiben, dann beim Drehen und schließlich beim Schneiden.

Als bei einer Kinotour meine Regisseurin krankheitsbedingt verhindert war, habe ich alleine den Film vorgestellt und das Q&A gemacht. Als diejenige Person, die einen Film geschnitten hat und sehr viel Zeit mit Material und Regie im Schneideraum verbracht hat, kann man ganz selbstverständlich Fragen beantworten, von „Welche Kameras? Was für Herausforderungen gab es beim Dreh? Woher kommt die Idee?“ über „Warum diese Musik?“ bis zu „Was machen die Protagonisten heute?“ … Editor:innen haben eine unglaubliche Fülle an Informationen und Einsichten zu bieten, wenn man sie mal aus dem Schneideraum plaudern lässt.

Außerdem bin ich im Verband der Deutschen Filmkritik (VDFK) und der FIPRESCI aktiv. Dazu gekommen bin ich, als ich mich mal wieder über eine Filmrezension aufgeregt habe, die sich darin erschöpfte, die Thematik eines Dokumentarfilm zu „besprechen“ und kein Wort über Machart und Filmhandwerk verlor. Seitdem bin ich seit vielen Jahren auch als Filmkritikerin unterwegs

3. Wofür schlägt dein Herz außerhalb der Arbeit?

Viel im Tageslicht an der frischen Luft sein. Lange Strandspaziergänge und Qigong. Im Morgengrauen in die Nordsee springen. Dem Vitamin-D- und Bewegungsmangel nach langen Tagen im abgedunkelten Schneideraum aktiv begegnen. Gut kochen und gesund essen. Denn durch den Zeitdruck bei den meisten Filmproduktionen kippt die Work-Life-Balance leider viel zu schnell. Ironischerweise war Selbstfürsorge sogar während des Schnitts von „Heil dich doch selbst“ schwierig durchzuhalten, obwohl es bei diesem Dokumentarfilm inhaltlich genau darum geht.
Wobei: So gesund gegessen wie während dieses Schnitts habe ich sonst nie – vielen Dank noch einmal an Regie und Produktion dafür! [15491]


Sie möchten auch unsere Drei Fragen beantworten? Dann füllen Sie hier online den Fragebogen aus!


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