DoP Michael Laufer hat in über 40 Jahren unzählige Dokumentationen und Unterhaltungssendungen für das Fernsehen gestaltet. Mit Gerdt Rohrbach sprach er in unserem Heft 6/2018 über Zusammenarbeit, Ausbildung und sein Berufsethos.
Filmemachen ist Teamarbeit. Wann würdest du von einer guten Zusammenarbeit sprechen?
Das Grundverständnis über filmisches Arbeiten und Gestalten muss übereinstimmen. Es wichtig, dass der Autor ein Gespür für die Bilder hat und der Kameramann ein Gespür für den inhaltlichen und journalistischen Hintergrund.
Kannst du das noch etwas ausführen?
Vor Beginn der eigentlichen Dreharbeiten möchte ich natürlich so detailliert wie möglich die Geschichte und die möglichen Drehorte kennen. Von da an kann ich mir eine Vorstellung machen, wie ich den Film fotografieren möchte. Am Ende soll der Film ja aus einem Guss sein. Wenn ich die Geschichte kenne und die Intention des Autors, kann ich am Motiv die Bilder dazu suchen und nicht wahllos Material sammeln. Die Aufzeichnungstechnik erlaubt ja inzwischen, fast beliebige Mengen an Rohmaterial nach Hause zu bringen. Und eben diese Beliebigkeit mochte ich nicht abliefern. Ich habe viele Jahre ausschließlich mit Film gearbeitet, überwiegend 16 mm, einige Produktionen auch mit 35 mm. Das knappe Filmmaterial hat konzentriertes Drehen erfordert. Das mag bisweilen anstrengend sein, ist aber letztlich ein Gewinn für den Film, denn es fokussiert den Blick auf das Wesentliche.
Zu einer guten Zusammenarbeit gehört aber auch, dass ich mich mit dem Thema, dem Inhalt des Films identifizieren kann. Nicht jedes Thema und jede Machart liegt mir und nicht jedem Thema kann ich mich intensiv annähern.
Ist diese Art von Teamarbeit, die hier gefordert ist, ein Aspekt von Professionalität?
Eigentlich mag ich diese strikte Unterscheidung von Amateur und Profi nicht. Beide sind ja bemüht, einen guten Film zu machen. Aber da hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf. Selbst ein wirklich guter Hobbykoch taugt nicht unbedingt zum Küchenchef in einem Restaurant mit 50 Plätzen. Unsere Arbeit hat doch noch viele andere Aspekte und Anforderungen. Man muss gut strukturiert und organisiert sein, wenn man in ein Team eingebunden ist. Tiefgehende Kenntnisse von technischen Zusammenhängen können weiß Gott nicht schaden.
Unser Medium macht es leicht, die Unterschiede zwischen Amateur und Profi scheinbar zu verwischen. Jeder kann Fotos machen, das Handy ist immer dabei und es wird gefilmt, was das Zeug hält. Da ist der Gedanke verführerisch, dass unser Beruf jedem offen steht, der eine Kamera halten kann. Aber natürlich gehört mehr, sehr viel mehr dazu.
Die Arbeit des Profis ist also planvoller?
Ja, und naturgemäß auch sehr viel verantwortungsvoller. Ich muss mit den Ressourcen, die ich habe, insbesondere auch mit der vorgegebenen und meist knappen Zeit am Motiv, sorgfältig und planvoll umgehen. Manche angemieteten Motive kosten schließlich richtig viel Geld und werden nach Stunden abgerechnet. Da ist nicht nur bei mir, sondern bei allen Beteiligten eine wirklich gute Organisation unabdingbar.
Und was ist deine “Handschrift” dabei?
Ich weiß nicht, ob man so strikt von einer “Handschrift” reden sollte. Jeder Film verlangt aufs Neue die Auseinandersetzung mit den Bildern und der Kameraarbeit. Aber dennoch hat wohl jeder Kameramann seine ihm eigene, oft wiedererkennbare Herangehensweise, seine Vorlieben bei der Arbeit mit Licht und Schatten, mit Schärfe und Unschärfe und damit einen gewissen, eigenen Stil. Ich habe mich gerne und häufig vom Stativ gelöst und mit der Schulterkamera gedreht. Nicht nur der Bildsprache wegen, sondern oft auch noch aus einem anderen Grund. Ich habe viele Dokumentationen mit nicht gerade einfachen Themen gedreht. Da ging es um den Umgang mit dem Tod, mit Krankheit, Verlusten, und Sterben. Manches Interview, vielleicht passt der Begriff Gespräch hier viel besser, habe ich bewusst von der Schulter gedreht. Ich wollte weg von der “Institution Kamera”, die den Protagonisten anstarrt, während er über seine Gefühle reden möchte. Nun saß also ich ihm gegenüber, wohl mit einer Kamera auf der Schulter, aber er hat mich als seinen Gesprächspartner wahrgenommen.
Aber mal weg von all dieser Schwere: ich mochte eine bewegte Kamera immer sehr. Es müssen nicht unbedingt die großen, ausholenden Bewegungen sein. Manchmal macht dieses leichte Atmen des Bildes schon den besonderen Look. Diese kleine, handliche ARRI ST hatte da sofort mein Herz erobert. Vor 20, 30 Jahren war eine – bewusst eingesetzte – bewegte Kamera bemerkenswert im Sinne des Wortes und ist gerne aufgefallen. Mit der Steadicam habe ich das später fortsetzen und perfektionieren können.
Wie kam es dazu ?
Als 16-jähriger Gymnasiast begann ich, neben der Schule beim Saarländischen Rundfunk zu arbeiten. Zunächst als sogenannter Kamerahelfer, bald darauf als Filmkamera-Assistent. Eines Tages kam mir dort im Sendegebäude auf einer Treppe etwas völlig Unbekanntes entgegen: Eine der ersten Steadicams wurde vorgeführt. Ich war vom ersten Augenblick an fasziniert. Anfang der 90er Jahre bin ich nach Los Angeles geflogen und habe bei Cinema Products endlich meine erste Steadicam gekauft. Das ganze Zubehör wie Funkschärfe und -blendensteuerung habe ich dann selbst entwickelt und gebaut. Da kam mir meine ingenieurwissenschaftliche Ausbildung sehr zugute. Die Arbeit mit diesem Gerät hat etwas absolut Faszinierendes, auch durch die fast unbegrenzte Bewegungsfreiheit. Insbesondere mit längeren und langen Brennweiten ermöglicht die Steadicam eine ganz eigene und unvergleichbare Ästhetik. Natürlich habe ich neben der Arbeit mit der Steadicam auch weiter als Kameramann gearbeitet, habe viele eigene Produktionen realisiert und bin nach und nach auch zur Regie gekommen.
Lesen Sie hier den zweiten Teil des Gesprächs mit Michael Laufer.