von Interview: Julian Reischl, Artikel aus dem Archiv
Ein Film wie ein Trip. „Beyond The Bridge“ gelangt Jahre nach dem Dreh endlich an die Öffentlichkeit. Julian Reischl sprach für die Ausgabe 5/2016 mit DoP und Produzent Robert Staffl über dessen außergewöhnliche Bildsprache sowie die kleinen und großen Hürden im filmischen Alltag.
„Beyond the Bridge“ ist ein Film über einen Drogentrip. Das Kamerakonzept im Film ist offenbar mindestens zweigeteilt. Erklär doch bitte, was genau ihr euch da gedacht habt.
Robert Staffl: Das Drehbuch wurde ganz grundsätzlich inspiriert von Online-Gaming-Elementen, insbesondere „Silent Hill“. Der Regisseur, Daniel P. Schenk, kommt aus der Online-Gaming-Szene. Da war für uns schon früh klar, dass wir versuchen wollen, gewisse Kameraperspektiven aus diesem Genre in einen Spielfilm zu adaptieren. Da gibt es ganz gezielt drei, nämlich erstens eine Kamera, die hoch hinter der Protagonistin Marla schwebt, zweitens die Subjektive der Figur und drittens eine objektiv beschreibende Totale. Den Film trennen wir stilistisch in drei Ebenen, nämlich in die „Horrornächte“, in die „beschreibenden Tag-Szenen“ und in die sogenannten „Verräterpositionen“, die Hinweise darauf geben, was eigentlich die Wahrheit ist. Wir haben versucht, diese Online-Game-Einstellungen speziell in den Horrornächten zu machen, als Gegensatz zu dem, was man normalerweise in Horrorfilmen sieht: Wir sehen, was Marla sieht, dafür zeigen wir nicht die Person und ihr Gesicht, sondern das Geschehen. Wir hatten das zuvor noch nicht in anderen Filmen gesehen. Es war ein Test für uns, und ich denke, dass es aufgeht. Die Verräterpositionen haben wir visuell abgesetzt, indem wir bewusst mit einer älteren GoPro gedreht haben. Da sie technisch nicht so fortgeschritten war wie die anderen Kameras, mit denen wir arbeiteten, konnten wir den Qualitätsunterschied so stilistisch nutzen. Wir wollten diese Bilder sowieso zerstört haben, grainy und abgesetzt vom restlichen Look.
Wie fiel die Entscheidung, einen Film optisch so signifikant von Videospielästhetik beeinflussen zu lassen?
Der Auslöser war, dass der Regisseur Daniel P. ganz stark von den Spielen beeinflusst wurde und daher die Idee hatte, diese Ästhetik auf einen Film anzuwenden. Es ist ein Experiment. Wir wollten einfach sehen, ob das funktioniert. Bei den Computerspielen funktioniert diese Ego- Perspektive ganz super, wenn man quasi mit der Person mitläuft. Da ist man voll in der Geschichte drin, und das wollten wir mit den Horrornächten mit der Protagonistin erleben. Die Intention dahinter war auch, dass wir neue Wege gehen wollten und diese Gelegenheit erkannten. Einen klassischen Film zu erzählen, ist natürlich auch schwierig, aber es ist schön, wenn man doch eine andere Herangehensweise für sich und den Film gefunden hat, und wenn das Ganze auch noch inhaltlich sehr gut passt – und von der Herkunft des Regisseurs her. Die Entscheidung war nicht einfach, insbesondere da wir das Projekt selbst finanziert haben und unser eigenes Geld einbrachten.
Ihr habt die Ästhetik also schon von der Konzeption an geteilt: in die klassische, filmische Erzählung und in die unheimliche, mit der ihr experimentiert habt.
Genau. In drei genaugenommen, die Verräterpositionen kommen ja auch noch hinzu. Die klassischen Tag-Szenen haben wir mit Handkamera gedreht, ohne Stabilisierung. Nach einigen Tagen haben wir aufgegeben, die Schärfe per Funk zu ziehen, das habe ich dann von Hand gemacht. Allerdings verlassen wir die Protagonistin nie, wir sind auch tagsüber mit der Handkamera stets nah an ihr dran. Das war auch eine Überlegung, denn es ist ihr Erleben, ihre Geschichte und die Reise in ihrem Inneren.
Welche Kameras kamen zum Einsatz?
Wir haben mit zwei Kameras gedreht; wir hatten die Canon 5D Mk II und die 7D. Die Optiken waren das 14–70 mm und das 24–70 mm von Canon sowie das 70–200 mm von Sigma und das 105er-Macro. Dazu noch diese ältere GoPro Hero und eine kleine Unterwasserkamera für die Badewannenszene, mit Hugyfot-Gehäuse. Der Film wurde also komplett auf Fotoapparaten gedreht. Er sollte ja eigentlich zeitnah rauskommen, doch die Postproduktion hat dann doch etwas länger gedauert – gedreht hatten wir ja immerhin schon 2010. Da waren die Kameras gerade so weit, dass sie manuell bedienbar waren. Dass man das jetzt einstellen konnte, beeinflusste unsere Entscheidung, aber auch, dass man die Empfindlichkeit sehr hoch einstellen konnte, bei uns bis ISO 6400, was uns auch das gewünschte Rauschen gab. Wir mussten daher wenig Licht einsetzen, doch dazu muss ich etwas ausholen: Wir hatten nur 10.000 Euro Budget für den kompletten Dreh. Wir sind mit 8.000 Euro reingegangen und haben nochmal 2.000 Euro aufgetrieben, dann konnten wir vier Wochen lang im Elternhaus des Regisseurs in Fribourg drehen. Daher war natürlich so gut wir kein Budget für Licht da, daher war die größte Lichteinheit, die uns zur Verfügung stand, eine 2-kW-Blondie; ansonsten hatten wir hauptsächlich Werkstatt-LED-Lampen und hier und da eine Pinza oder eine Janibeam. Doch unser No-Budget- Filmkonzept hatte das berücksichtigt. Auch die Geschichte ist auf das Haus geschrieben, denn der Daniel hatte das schon beim Schreiben im Kopf und wusste, dass wir das Haus für den Dreh zur Verfügung bekommen würden. Wir haben dann mit einem 15- bis 20-köpfigen Team gedreht, inklusive Schauspieler.
Welche Herausforderungen gab es beim Dreh?
Im Grunde lief es sehr gut, wir hatten aber auch einen straffen Zeitplan. Im Grunde lagen wir immer bei maximal sieben Takes, oft auch nur bei einem. Im ersten Drehblock hatten wir aber ein so krasses Pensum, dass wir das nicht geschafft haben, da mussten wir 10 Tage nachdrehen. Das war quasi ein zweiter Block, aber mit einem stark reduzierten Team. Vor Ort hatten wir einige Schweizer, die uns sehr geholfen haben, unter anderem Moritz Maurer und Sean Wirz, der mir assistiert hat und auch Regieassistenz machte und sonst jede Menge. Moritz hat das Setdesign gemacht, und da muss ich sagen, dass dieses Plastik- Wrapping in dem Haus und der Höhle in einigen der Szenen eine unglaublich tolle Wirkung hatte. Bei diesem Budget so einen Effekt rauszuholen, ist schon eine stramme Leistung. Ich hatte zum Beispiel keinen Beleuchter, das haben Moritz, Sean und ich zusammen gemacht. Überhaupt waren nur fünf professionelle Filmemacher am Set, die übrigen waren alles Freunde und Bekannte, die einfach nur geholfen haben.
Wie haben Daniel und du euch kennengelernt?
Daniel und ich haben uns kennengelernt, als wir „The Cheat Report“ zusammen gedreht haben, den Folgefilm von „A Gamer’s Day“. Da bin ich zum Projekt gestoßen. „The Cheat Report“ ist eine Pseudo-Doku über das verpönte Cheaten bei Online-Spielen, also wenn man zum Beispiel mit Hilfe von zusätzlicher Software die Zielgenauigkeit beim Schießen erhöht. Dann haben wir ein paar Jahre nichts voneinander gehört, ich habe mit „Jakobs Bruder“ meinen ersten Spielfilm gedreht, und zwei Jahre nach dem Release habe ich mir gedacht, jetzt rufe ich den Daniel mal wieder an. Es wird mal wieder Zeit, einen Spielfilm zu drehen – mal gucken, was der so macht. Dann hat er erzählt, er habe gerade ein Drehbuch da, doch der Produzent sei abgesprungen, und da wurde ich hellhörig. Er hat das Drehbuch geschickt, und ich habe schon beim Lesen eine Gänsehaut bekommen, gerade zum Ende hin. Die Geschichte hieß damals noch „Unnatural“. Ich hab ihn dann angerufen und gesagt: „Ich bin dabei“. Ich habe mein eigenes Geld hineingesteckt, denn der ursprüngliche Produzent hatte sich abgesetzt und sein Geld abgezogen. Das Gespräch war im Januar, und im Juni/Juli haben wir schon gedreht. Innerhalb eines halben Jahres haben wir das Projekt so gerockt, so umorganisiert, dass alles geklappt hat.
Und wie geht es jetzt weiter?
Die Auswertung findet jetzt statt. Am 21. April gehen wir online damit, Video-on-Demand-Streaming über vhx.tv, später auf Amazon und hoffentlich iTunes. Parallel dazu haben wir eine kleine Kinotour durch Deutschland organisiert. Wir fangen in Leipzig an und sind dann in Berlin, Düsseldorf, Dortmund, Hamburg und so weiter. Wir erhoffen uns etwas mediale Aufmerksamkeit und Mundpropaganda.
Von den Effekten her ist „Beyond the Bridge“, gerade bei dieser Finanzierung, sehr bemerkenswert. Wie viel habt ihr digital gemacht und wie viel am Set?
Wir mussten beim Drehen natürlich schon darauf achten, dass wir die Grundlagen für die Nachbearbeitung schaffen. Gerade die Szene mit Marla in diesem Müllsack ist so ein Beispiel, das ist auch eine meiner Lieblingseinstellungen. Ich fand es eine ganz spannende Perspektive, mit ihr in diesem Sack eine Situation zu simulieren, die so ja nie geschehen ist. Beim Dreh haben wir zum Beispiel mit zwei Unterwasser-Tageslichtlampen absichtlich ein Flimmern erzeugt, indem zwei Leute die Hände vor dem Licht gewedelt haben. Der Grund war, dass wir wegen des Rolling Shutters nicht blitzen konnten, da wir dann nur zur Hälfte belichtete Bilder bekommen hätten. Diese Überbelichtungen am Rand bei den Drogen-Szenen dahingegen haben wir zum Beispiel in der Post gemacht.