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Wir stellen die Preisträger des 32. Deutschen Kamerapreises vor (6)

Eine Linie formen

Wir setzen unsere Reihe mit den Gewinnerinnen und Gewinnern des 32. Deutschen Kamerapreises fort: Hauke von Stietencron bekam den Preis für den besten Schnitt bei einer Dokumentation oder Doku-Serie.

Editor Hauke von Stietencron am Schnittplatz
Foto: Moritz Müller-Preißer

Hauke von Stietencron absolvierte nach dem Abitur im Jahr 2000 mehrere Praktika in den Bereichen Postproduktion bei Premiere, heute Sky, sowie Kamera und Redaktion bei Tango Film. Danach entschied er sich für ein Volontariat im Bereich Schnitt bei der Tango Film. Nach erfolgreichem Abschluss arbeitete er dort zwei weitere Jahre als festangestellter Editor. Seit 2007 ist er als selbstständiger Film- und Fernseheditor hauptsächlich in München tätig. Zudem arbeitete er von 2011 bis 2019 als freier Mitarbeiter für den Bayerischen Rundfunk. An seiner Arbeit interessiert ihn besonders die Herausforderung, Geschichten zu erzählen, die Menschen bewegen und ihnen Emotionen entlocken.

Auch dir einen herzlichen Glückwunsch zum Deutschen Kamerapreis für den besten Schnitt in einer Dokumentation oder Doku-Serie! Unter welchen Umständen hast du davon erfahren?
Ich saß gerade im Schnitt, als der Anruf kam. Den Beitrag hatte ich gar nicht selbst eingereicht, sondern die Regisseurin, als ich gerade mitten in einem anderen Projekt war und ihr nur ganz schnell meinen Lebenslauf geschickt hatte, so unter dem Motto „Passt schon“! Deswegen habe ich da gar nicht groß mit irgendetwas gerechnet oder mir viel Hoffnung gemacht. Tatsächlich war es eine sehr schöne Überraschung!

„Dance Till You Break – The Saxons“ ist ein dreiteiliges Format. Hast du alle drei Teile geschnitten?
Ja, und inzwischen haben wir sogar einen vierten Teil gemacht, der aber ein bisschen anders gebaut ist. Da ist noch ein anderer Tänzer aus München dabei und deswegen findet der Film nicht nur in diesem „Saxons“-Kosmos statt, ist aber von der Thematik her ähnlich, auch mit viel Tanz. Die ersten drei Teile haben wir am Stück geschnitten. Zu der Zeit, in der wir den Hauptteil geschnitten haben, war das Material schon komplett abgedreht. Vorab hatten wir nur einen kleinen Schnitt gemacht, um zu schauen, was das Material kann. Danach haben wir alles am Stück geschnitten, aber bis ganz zum Schluss haben sich die einzelnen Folgen noch sehr verändert. In der letzten Woche haben wir noch ganze Blöcke in andere Folgen geschoben, zum Beispiel, damit man einen Cliffhanger am Schluss hat, den man dann in der nächsten Folge wieder aufgreift.

Tanz schneiden: Traum oder Albtraum?
Eher Albtraum! Es ist natürlich schon schön, weil man viel mit den Bewegungen machen kann. Aber es war extrem schwierig, dass man nie den Originalton verwenden kann. Durch den Schnitt springt ja permanent die Musik. Man muss dann eine Musik und einen Schnittrhythmus finden, damit die Bewegungen der Tänzer trotzdem noch auf Takt sind – oder zumindest da, wo man genau hinschaut, müssen sie auf Takt sein. Das war tatsächlich nicht so einfach und hat auch die meiste Zeit gefressen.

Filmstill aus „Dance Till You Break – The Saxons“
Tanz zu schneiden war für Editor Hauke von Stietencron Albtraum und Traum zugleich. (Foto: ZDF)

Die Jury beim Deutschen Kamerapreis lobt ja den Aufwand, den du getrieben hast und wie dynamisch und energiegeladen das Ergebnis ist. Wie lang hast du denn an allen drei Folgen geschnitten?
Das weiß ich jetzt gar nicht genau. So etwa 50 Tage? Ich glaube, bei „37 Grad“ hat man für den Schnitt um die 15 Tage pro Folge. Das war bei uns eine Mischkalkulation, weil wir auch noch Auskopplungen für das Online-Angebot geschnitten haben, YouTube-Clips, kleine Einzelporträts. Dadurch hatten wir ein paar Tage mehr und konnten so die Zeit hin und her schieben.

Nur 15 Tage pro Folge sind für ein so komplex zu schneidendes Thema ja nicht besonders viel.
Es waren schon wenige Schnitt-Tage für den Aufwand, aber mehr bezahlt einem ja niemand. Das ist nun mal so – wenn man für das Fernsehen produziert, hat man eigentlich selten die Zeit, die man haben müsste. Es ist immer ein Problem, dass die Zeit knapp ist und dann versucht man halt, das Beste daraus zu machen. Bei diesem Film hat das auch nur so gut funktioniert, weil erstens die Regisseurin gut vorbereitet war, zweitens wir beide uns von anderen Projekten schon sehr lange kennen und wir relativ genau wussten, wo wir hinwollten. Uns war beiden ganz schnell sehr klar, dass wir einen O-Ton-Film machen wollten. Deswegen haben wir am Anfang viel Fokus darauf gelegt und viel an diesen Tönen gebaut. Jetzt waren das natürlich alle Sachsen und die sprechen manchmal nicht so ganz geradeaus … also war es oft mindestens so schwierig zu schneiden wie das Tanzen, die Sprache so verständlich zu machen, dass man sie ins Off legen kann und trotzdem noch gut versteht. Insgesamt kann ich aber sagen, dass es gut lief. Die Kom- munikation mit der Regisseurin war leicht, wir sind immer schnell auf einen Nenner gekommen und konnten uns so viele Diskussionen sparen. Dadurch hatten wir mehr Zeit, dann auch wirklich diesen Feinschliff zu machen.

Was hattest du an Material zur Verfügung?
Das war sehr unterschiedlich. Bei manchen Battles hatte ich eine Gimbal-Kamera, eine Totale und zusätzlich noch eine dritte Kamera, manchmal waren es nur zwei Kameras. Aber wir hatten wahnsinnig unterschiedliches Material! Wir haben ja auch teilweise mit YouTube-Footage von den einzelnen Tänzern gearbeitet. Die Clips haben wir teilweise noch während wir geschnitten haben, neu herausgesucht und uns schicken lassen. Es war wahnsinnig divers, verschiedenste Kameras, verschiedenstes technisches Material, alles durcheinander. Ich habe auch gleich am Anfang gesagt, das interessiert mich alles nicht, wir bringen das Material alles komplett durcheinander, egal. Wir fanden es eher lustig, diese Clips dann noch mit einzubauen und so einen Bildwitz mit hineinzubringen.

Sind diese unterschiedlichen Herkunftsorte des Materials tatsächlich im Film sichtbar geblieben, oder habt ihr im Grading angeglichen?
Zum Teil schon, aber bei diesen YouTube-Clips sieht man es natürlich, weil die teilweise in der Qualität wegbrechen. Erfahrungsmäßig würde ich aber sagen, dass die wenigsten das bemerken. Wir vom Fach achten natürlich sehr darauf und sehen zum Beispiel, dass sich das Tiefenschärfenverhältnis verändert, dass die Bildbrillanz abnimmt oder zunimmt. Aber ich glaube, der Normalzuschauer nimmt das gar nicht so wahr, sondern sieht wirklich nur den Bildinhalt. Da ging es viel um den Bildwitz, um einen Schnitt, der spielerisch wirkt. Das war uns dabei wichtig.

Filmstill aus „Dance Till You Break – The Saxons“
Lebensgefühl statt Biographie: Rossi, Feenja und Joanna in „Dance Till You Break – The Saxons“ (Foto: ZDF)

Wir haben schon einiges angesprochen, aber was war aus deiner Sicht bei dem Projekt die größte Herausforderung für dich als Editor?
Abgesehen davon, dass es ein O-Ton-Film war und abgesehen vom Tanz war die größte Herausforderung die Tatsache, dass der Film über einen längeren Zeitraum gedreht wurde, dass es viele Fragmente mit sechs Protagonisten gab, dazu viele verschiedene Drehs an verschiedenen Orten mit verschiedenen thematischen Schwerpunkten und dann aus diesen Fragmenten eine Geschichte oder eine Linie zu formen, der man folgt, so dass man dieses übergeordnete Lebensgefühl Breakdance spürt, obwohl alles sehr fragmentarisch erzählt ist. Es gab viele Protagonisten, viel verschiedenes Material über einen längeren Zeitpunkt, auch Geschichten, die dann ein- fach nicht mehr aufgetaucht sind beim nächsten Dreh, die dann auch wieder herausgeflogen oder weggefallen sind. Ein Beispiel ist die Geschichte mit der toten Mutter von Feenja. Das wird zwar erzählt, aber eben auch nur relativ oberflächlich und kurz abgehandelt, wie auch der Konflikt von Joanna als Stiefmutter, wie es ihr damit geht. Dazu gab es ein einziges Interview und dann muss man um diese eine Kernszene etwas zusammenbauen, dass es eine größere Ge- schichte wird, trotzdem noch in dieses Breakdance-Gefühl passt und nicht etwa in eine Biographie rutscht. Dazu kam auch noch die Schwierigkeit, die Spannung über drei Folgen zu halten: fragmentarisches Erzählen, um gleichzeitig ein größeres Ganzes zu zeigen. [15280]

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