Der VTFF beklagt die prekäre Situation seiner Mitgliedsunternehmen
Existenzbedrohende Lage
von Uwe Agnes,
Der Verband der Technischen Betriebe für Film und Fernsehen VTFF hat sich mit einem „Notruf“ an die Branche gewendet. Wir haben VTFF-Geschäftsführer Achim Rohnke für unser Heft 9.2023 nach den Gründen gefragt und bringen das Gespräch hier vorab online!
Der VTFF hat eine ausdrücklich als „Notruf“ bezeichnete Mitteilung an die Film-und Fernsehbranche geschickt. Warum hat ihr Verband das für – wohl dringend – geboten betrachtet? Der VTFF repräsentiert Film- und Fernsehdienstleister, also von der Postproduktion und Studiotechnik über Rentals bis zur EB-Technik. Im Dreiecksverhältnis mit Sendern und Produzenten sind unsere Mitgliedsunternehmen die Partner, die dafür sorgen, dass State-of-the-Art-Produktionen in Film und Fernsehen zustande kommen. Wir beobachten aber seit geraumer Zeit eine chronische Unterfinanzierung von vielen Projekten, was die Dienstleister und speziell die in der Postproduktion in eine teilweise existenzbedrohende Lage bringen. Anlässlich unserer letzten Mitgliederversammlung haben wir beschlossen, dass wir die Stimme erheben müssen, um eine angemessene Honorierung durchzusetzen. Wir müssen dringend mit den Produzenten, aber auch mit den Sendern ins Gespräch kommen, um über diese prekäre Lage zu sprechen.
Wo genau liegt das Problem? Kalkulieren die Produktionen, die bei Ihren Mitgliedsunternehmen Postproduktion beauftragen, dafür zu wenig Budget ein? Genau, aber da sind gegenläufige Entwicklungen unterwegs. Die eine betrifft die Kostensituation sowie die Dreh- und Arbeitsumstände. Die Drehverhältnisse werden durch die Digitalisierung immer größer, das heißt die Menge an Material, die in die Postproduktionsstudios gespült werden sind nahezu endlos. Dann ist die Qualität des Materials, was bei uns ankommt, teilweise nicht angemessen. Die O-Töne am Set beispielsweise werden immer schlechter.
Hinzu kommt, dass von den Ton und Postproduktionsstudios maximale Flexibilität erwartet wird. Es werden Studios gebucht und drei Tage vorher wieder abgesagt. Das führt natürlich zu Umsatz- und Beschäftigungsausfall bei den Ton- und Postproduktionsstudios. Dann gibt es die Kostensituation bei den Gagen und Honoraren für Editoren, Sounddesignern, Coloristen, die förmlich durch die Decke gehen. Zudem haben wir externe Faktoren wie Mieten, Energiekosten, Aufwendungen für das grüne Drehen, es müssen gigantische Mengen an Serverkapazitäten für das Material, von dem ich anfangs sprach, bereitgehalten und bezahlt werden.
Gleichzeitig werden die Budgets für die Post seit jeher eng kalkuliert und auch gerne am Ende des Produktionsprozesses genutzt, um Löcher zu stopfen, die anderswo im Produktionsprozess entstanden sind. Aber wenn Sie mit den Produzenten sprechen, haben die ihre eigenen Probleme. Die sagen, ihre Termine seien verschoben worden, sie hätten kein Budget, sie müssten in grünes Produzieren investieren, und so geht das immer weiter. Am Ende sind aus den vermeintlichen drei Prozent der Produktionssumme, die man früher für Post- und Bild-Ton-Produktion veranschlagt hat nur noch die Hälfte übrig. Wir sind da in einer schwierigen Lage, weil natürlich kein Postproduktions-Unternehmen seine Kunden verlieren oder enttäuschen möchte.
Zunächst einmal ist es natürlich erfreulich, dass die Gagen der freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf dem Weg nach oben sind, denn die waren ja lange Zeit unterbezahlt. Das ist richtig, dafür gibt es ja die Verbände, die sich dafür einsetzen.
Auf der anderen Seite ist das Problem der Unterbezahlung für Dienstleistungen wohl ein Branchenproblem, denn kein Handwerker fürchtet sich, Kunden zu verlieren, wenn sie betriebswirtschaftlich vernünftige Preise nicht zahlen können oder wollen. Das ist natürlich Marktwirtschaft. Die Handwerker, die Sie eben erwähnt haben, verfügen bei dem Bauboom, den wir hinter uns haben, über keine freien Kapazitäten mehr. Aber im Bereich von Postproduktions- und Tonstudios gibt es es gibt natürlich immer eines, das freie Kapazitäten hat und das natürlich dann am Ende jeden Auftrag mitnimmt, der ein wenig Deckungsbeitrag beschert.
Aber das ist eigentlich nicht das Thema, denn wir stehen ja im VTFF Schulter an Schulter mit unseren Mitgliedern und wollen, dass ihre Arbeit wieder eine höhere Wertschätzung im Produktionsprozess bekommt. Aktuell sind wir sind in diesem Dreieck mit Sendern und Produzenten leider kein gleichberechtigter Partner mehr. Diese Rolle wollen wir uns wieder erarbeiten und haben deswegen ein Gesprächsangebot gemacht, auf Augenhöhe. Die ersten Gespräche haben bereits stattgefunden.
Mit welchen Lösungsansätzen gehen Sie in diese Diskussionen? Grundsätzlich wollen wir erst einmal Verständnis für die Situation schaffen, die bei den Dienstleister herrscht. Wir müssen die Materialfülle im Postproduktionsprozess ansprechen. Ist das tatsächlich alles so notwendig? Unsere Aufgabe ist es, über anerkennungsfähige Leistungen in der Prostproduktion aufzuklären und neue Mengengerüste zu thematisieren. Wichtig ist es dabei, mit den Kunden über Kalkulationsrealismus zu diskutieren und das damit verbundene Prinzip „money for value“ für die Arbeiten in der Bild- und Ton-Post einzufordern.
Ich finde ich ganz interessant, dass Sie Klasse statt Masse als Ausweg aus dem Dilemma sehen. Die Kehrseite der Medaille ist, dass es dann Kapazitäten gibt, die angepasst werden müssen oder die sich besser aufstellen müssen. Innovationen sind ja allenthalben unterwegs, zumindest dort, wo man sie zulässt.
Steht der Postproduktions-Branche demnach eine Marktbereinigung bevor? Der VTFF macht einmal im Jahr ein sogenanntes Herbstbarometer, wo wir unter anderem nach der allgemeinen wirtschaftlichen Lage fragen. Ergebnis der letzten Jahre war, dass die Unternehmen eine Konsolidierung befürchten. Aber bei der Befragung aus dem letzten Herbst und im Jahr davor gab es diese sich zuspitzende Lage im Volumenprozess noch gar nicht, angefangen mit Netflix, der Werbekrise und jetzt aktuell Sky Deutschland. Ich befürchte deshalb, dass sich die Werte unseres Barometers dieses Jahr eher verschlechtern. Aber die Besten werden überleben und deswegen müssen wir umso mehr für unsere Mitglieder an der finanziellen Ausstattung der entsprechenden Projekte arbeiten und dafür Wertschätzung einfordern.