Wirtschaftsingenieurin wollte sie doch nicht werden, also schwenkte Lisa Maria Müller um zum Kamerastudium an der FH Dortmund. Hier entdeckte sie ihre Liebe für das Licht und angenehme Teamkollaboration. Genau dafür steht sie jetzt als Oberbeleuchterin. Wir sprachen mit ihr im Heft 7–8.2021 über den Weg in den Beruf, ihre Lieblingsarbeiten und warum der LKW-Führerschein wichtiger ist als das Kameradiplom.
Eine der wichtigsten Lektionen für die Arbeit am Set holte sich Lisa Maria Müller lange bevor sie diese Arbeit zu ihrem Beruf machte. Sie hatte schon als Teenager gerne fotografiert und mit 16 ein Praktikum am Set der in Köln produzierten Soap „Verbotene Liebe“ absolviert. Doch das familiäre Umfeld – ihre Eltern sind Lehrerin und Wirtschaftsprofessor – prägte dann doch so sehr, dass Müller sich nach dem Abitur 2004 für ein Studium des Wirtschaftsingenieurwesens einschrieb. „Da habe ich nach einem halben Jahr Panikattacken bekommen, weil das überhaupt nicht meins war“, so Müller. Sie brach ab und überlegte, was sie wirklich mit ihrem Leben anfangen wollte. „Da habe ich gelernt, auf mein Gefühl zu hören.“
Leidenschaft fürs Licht
Um dieses Mal sicherzugehen, probierte sie sich zunächst eine Weile aus und machte zahlreiche Praktika. Sie schnupperte in den Lehrerberuf hinein, merkte aber schnell, dass auch das nicht passte. Dann kam sie auf ihre alte Affinität zum Film zurück und ging 2005 als Praktikantin zur Kölner Produktionsfirma Tag/Traum. Die Arbeit dort am Set beschreibt sie als Erweckungsmoment. „Ich hatte einfach eine gute Zeit“, so Müller. „Ich möchte ja mein Leben genießen und dazu gehört auch, dass ich die Arbeit genieße. Das war anders, als ich das bisher kannte.“ Viele kommen in die Branche über die Leidenschaft für das Bild. Lisa Maria Müller faszinierte die Zusammenarbeit als Team. Bis heute betrachtet sie die Zusammenstellung des Lichtteams als Familie als zentral für eine gute Arbeit.
Es folgten weitere Praktika bei Film und Fernsehen. Unter anderem war sie am Set der Ralf-Schmitz-Show. „Das war noch mal etwas völlig anderes, weil es sehr hektisch war“, erinnert sich Müller. Es folgte ein längeres Praktikum bis 2007 beim Kölner Rental Camcar. „Ich habe immer meinen Neid gemerkt, wenn die Leute ihre Technik ausgeliehen haben und ich durfte nicht mit ans Set!“, so Lisa Maria Müller. „Aber es war sehr gut, diese ganzen Sachen kennenzulernen. Und es ist toll, bis heute einen Verleiher im Rücken zu haben.“ Zwischendrin wirkte sie immer wieder auch als Beleuchterin bei Studentenfilmen mit. Hier, so sagt sie, wurde ihre Leidenschaft für das Licht entfacht. Sie erinnert sich an eine Situation, in der sie mit dem Oberbeleuchter Moritz Virmond hinter einer Bar während der Szene kleine 125-Watt- Tageslichtlampen manuell auf die Szenerie richten musste. „Wir kauerten da hinter der Bar und fachsimpelten über die Leuchten. Das war ein schöner Arbeitsmoment.“
Diplom vs. Führerschein
Der nächste Schritt nach weiteren Filmpraktika war deshalb auch der in die Professionalisierung. An der FH Dortmund studierte sie von 2007 bis 2013 Kamera. Schon hier lag ihr das Licht näher als die Arbeit an der Kamera selbst. „Ich bin schon an die FH gegangen und dachte, ich mache jetzt Kamera“, sagt Müller. „Ich habe dann ein paar Projekte gemacht und merkte, dass ich mich immer mehr in Richtung Licht interessiert habe.“ Müller und ihre Kommilitonen lernten noch auf chemischem Film und arbeiteten im 16-mm- und 35-mm-Format. Im digitalen Umbruch stürzten sich viele in ihrem Jahrgang auf die neuen Möglichkeiten und fachsimpelten über Codecs. „Das hat mich alles sehr wenig interessiert“, erinnert sich Müller. „Da war ich eher am Set die Macherin, die das Bild schön machte und etwas gestalten wollte.“ So verschob sich ihr Selbstbild von der „lichtsetzenden Kamerafrau“ dann nur auf die Lichtsetzung. Sie fühlte sich in den Lichtteams immer besonders wohl. „Das sind besonders starke Teams, weil sie irgendwie einen geschlossenen Kreis innerhalb der Crew bilden, da sie untereinander sehr viel kommunizieren müssen“, sagt Lisa Maria Müller. Die Entscheidung für die Lichtabteilung traf sie dann ganz bewusst.
In 2013 erhielt Müller ihr Kameradiplom in Dortmund. Etwa zur gleichen Zeit schloss sie auch den LKW- Führerschein ab. Der Führerschein war für ihr Gefühl am Set viel wichtiger. „Plötzlich konnte ich als vollwertige Beleuchterin rausgehen, ich konnte höhere Gagen aufrufen und wirklich komplett eingesetzt werden“, so Lisa Maria Müller. „Ich hatte ein ganz anderes Selbstvertrauen, wenn ich einen 15-Tonner von A nach B fahren darf. Das fand ich schon geil!“ Es ist immer noch überraschend für Teammitglieder, wenn sie den Licht-LKW umparkt. „Das kapiere ich nicht“, sagt die Oberbeleuchterin. „Es gibt doch auch Busfahrerinnen! Und die haben noch viel mehr Verantwortung.“ Beim Engagement ist der Führerschein ausschlaggebend, das Kameradiplom will natürlich niemand sehen.
Teamkollaboration
Lisa Maria Müller nimmt bestimmte Crewmitglieder am liebsten an jedes Set mit. Ihr Best Boy Jan Maria Peltzer teilt nicht nur ihre Leidenschaft für Licht, sondern auch den zweiten Vornamen, weshalb sein Spitzname am Set „Mary“ ist. Peltzer war bei den Kinofilmen „Die defekte Katze“ und „Mein Ende. Dein Anfang“ dabei. „Der ist mein Rückgrat“, sagt Müller. „Wenn ich etwas nicht schaffe, dann gehe ich zu ihm. Wenn wir es zusammen nicht schaffen, ist es vielleicht unmöglich.“ Fanny Burkhardt ist Müllers Beleuchtungsassistentin und unterstützte sie schon bei dem Vox-Format „True Story“. „Sie ist superschnell und man kann sich auf sie verlassen“, sagt Lisa Maria Müller. Burkhardt gehörte unter anderem auch beim Jugendfilm „Das Glaszimmer“ von Regisseur Christian Lerch und DoP Tim Kuhn zum Lichtteam. [14667]
Ich freue mich, dass immer mehr Frauen in technischen Bereichen am Set arbeiten. In den 1970er bis 1990er Jahren waren Frauen komplett in der Minderheit.
Sehr spannend, Danke!
Ich freue mich, dass immer mehr Frauen in technischen Bereichen am Set arbeiten. In den 1970er bis 1990er Jahren waren Frauen komplett in der Minderheit.