In ihrer Eigenwahrnehmung ist die Film- und Medienbranche gern progressiv und am Puls der Zeit. Doch um die finanzielle Gleichberechtigung am Set ist es weiterhin schlecht bestellt.
In Film, TV und Medien wird um Gleichberechtigung von Frauen und Männern nach wie vor gerungen. „Die Branche ist immer noch konservativ strukturiert“, stellt beispielsweise die amerikanische Medienwissenschaftlerin Elizabeth Prommer fest, die an der Universität Rostock lehrt. „Etwa die Hälfte der Absolventinnen an Filmhochschulen in Regie und Drehbuch seit den 1990er Jahren sind Frauen. Das spiegelt sich im Beruf aber überhaupt nicht wider.“
Das kann der Vorstandsvorsitzende des Berufsverbandes der Fernsehkameraleute (BVFK) Frank Trautmann bestätigen. „Ich bin auch beim Ausbildungsgang Mediengestalter Bild und Ton involviert, da ist der Anteil von Frauen, die einen Abschluss erwerben, wesentlich höher als der Anteil derer, die dann im Beruf arbeiten, und Frauen schneiden beim Ab- schluss nicht schlechter ab als Männer, eher im Gegenteil“, sagt er. Für Trautmann ist das ein Rätsel: „Vielleicht hat es damit zu tun, dass sich Kameraleute am Anfang erst mal als Freelancer durchkämpfen müssen, um ihre ersten ‚Sporen‘ zu verdienen. Auch der Einsatz bei der aktuellen Berichterstattung, etwa bei Presseterminen, erfordert manchmal richtig Körpereinsatz – aber das sind nur subjektive Erklärungsversuche.“
Er bemängelt auch die schlechten Aufstiegschancen im Bereich der festangestellten Kameraleute: „Bei den Sendern sind alle Chefkameraleute Männer soweit ich weiß, da gibt es noch ganz viel nachzuholen.“ Parallel dazu existiere im „freien“ Bereich, in dem die Bezahlung individuell ausgehandelt wird, eine Grauzone, „wo auch gedrückt wird und persönliche Lebensumstände ausgenutzt werden können.“
Film als Männerdomäne
Seine Kollegin im Vorstand, Caroline Rosenau, wird genauso deutlich: „Unser Bereich, wie TV und Film überhaupt, ist nach wie vor eine Männerdomäne. Warum? Weil wir Kinder bekommen können, unsere Branche ist eine der familienunfreundlichsten Branchen überhaupt.“ Sie verweist auf staatliche Studien, die immer wieder belegen, dass Frauen über alle Sparten hinweg als Selbstständige oder Freiberufliche bis zu 40 Prozent weniger verdienen als Männer: „Wenn Frauen dasselbe Honorar haben wollen, gelten sie als dreist“, sagt die Kamerafrau, „uns findet man vor allem im Low-Budget-Bereich, etwa bei Independent-Filmen, für Prime-Time-Produktionen werden wir so gut wie nie eingesetzt.“ Bei Männern hingegen würde das Aushandeln hoher Honorare Verhandlungen als Durchsetzungsvermögen bewertet. Frauen müssten sich bis heute „leider“ nach wie vor in den gestalterisch-technischen Gewerken erst mal beweisen und „quasi besser in ihrem Job sein“ als ihre männlichen Kollegen: „Dadurch, dass man in unserer Branche gar nicht über Geld redet, weiß man nicht so wirklich, was die Kolleg:innen an Honoraren pro Produktion nehmen.“ Dazu käme noch eine Bescheidenheit im Verhandlungsvorfeld, was oft zu schlechteren finanziellen Konditionen führen würde.
„Als Frau kann man nicht wirklich davon leben, das ist bei vielen so“, bedauert die Kamerafrau, die vor allem für das Dokumentar- sowie Imagefilm-Genre tätig ist. „Wir sind oft durch Familie oder Ehemann querfinanziert. Wenn man 50.000 Euro im Jahr hat, dann ist man gut.“ Bei den weiblichen Kameraleuten liege eine Vollauslastung bei 30 Prozent der verfügbaren Arbeitszeit, bei Männern seien es 50 oder oft auch 60 Prozent.
Was Einkommen und Honorare angeht, gibt es auch in der Medienbranche keine wirkliche Offenheit. Die verfügbaren Zahlen weisen allerdings eine klare Tendenz aus. Langer Media zum Beispiel hat letztes Jahr eine Umfrage unter 6.200 Film- und Fernsehschaffenden durchgeführt. Das Bruttojahreseinkommen 2020 lag demnach bei Männern bei rund 57.000 Euro, bei Frauen bei 41.600 Euro. Deutliche Unterschiede gab es laut Langer in den einzelnen Berufsgruppen: Während Kameramänner im Durchschnitt 55.270 Euro verdienten, nahmen Kamerafrauen nur 40.310 Euro ein.
Deutlich sind auch die Zahlen der Künstlersozialkasse, bei der die Versicherten aufgrund ihrer Vorjahresergebnisse die aktuellen Einkünfte aus selbstständiger beziehungsweise freiberuflicher Tätigkeit schätzen. In der Sparte Kamera- mann/-frau, Cutter/in, Editor/in (Film) erzielen Männer demnach 24.266 Euro, Frauen dagegen 16.386.
Bei der Vorsorge abgehängt
Was das für die Altersabsicherung bedeutet, beschreibt Iris Gebing von der Pensionskasse Rundfunk (PKR), die eine betriebliche Altersvorsorge für Freie in Film, Funk und Fernsehen mit Zuschuss ihrer Auftraggebenden anbietet. Frauen nutzten dieses Instrument gleichermaßen wie Männer, um neben der gesetzlichen Rente zusätzlich vorzusorgen. Aber: „Bei der Rentenhöhe der aktuellen Leistungsempfängerinnen und -empfänger lässt sich eine Diskrepanz feststellen: Frauen erhalten rund ein Viertel weniger Rente als die männlichen PKR-Mitglieder. Hier könnten Equal Pay, gute Angebote für Kinderbetreuung und ein frühzeitiger Vorsorgestart Abhilfe schaffen.“
Um die Rahmenbedingungen zu verbessern, möchten die Vorstände des BFVK das Berufsbild wegziehen vom „Straßenkampf“ und dem reinen Operating hin zur fotografischen Gestaltung: „Im E-Bereich gab es schon immer Frauen, im EB-Bereich ist es größer geworden, es gibt mittlerweile auch reine Frauenteams, die damit werben.“ Dass Familienleben und Job in der Film- und TV-Branche kaum vereinbar sind, ist ein weiterer wichtiger Faktor, auf den Rosenau hinweist: „Denn Väter sehen ja auch gerne ihre Kinder und ihre Familie und normalerweise sollte die Carearbeit 50/50 aufgeteilt sein.“ Bei einer Tätigkeit, die oft über viele Tage am Stück und auch am Wochenende ausgeführt werden muss, ist das zurzeit kaum zu erreichen. „Ziel muss es sein, den Teams ausreichende Ruhezeiten und die Vereinbarkeit von Job und Familie zu gewährleisten“, so Caroline Rosenau. „Meiner Ansicht nach tragen diese Vorkehrungen auch zur Qualitätssicherung in der Filmerstellung bei.“ [15123]