Wir stellen die Preisträger des 34. Deutschen Kamerapreises vor (6)
Schnitt im Dialog
von Redaktion,
In unserer Reihe mit den Gewinnern beim 34. Deutschen Kamerapreis widmen wir uns dieses Mal den Nachwuchspreisen: Philipp Straetker bekam den Nachwuchspreis Schnitt. Wir sprachen für das Heft 12.2024 mit dem Preisträger.
Philipp Straetker am Set von „Gastrogötter“ (Foto: Dominik Boros)
Philipp Straetker, im Schwarzwald geboren, absolvierte ein Bachelorstudium in FrankoMedia und Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Danach sammelte er erste Erfahrungen in der Filmbranche, sowohl in Kanada als auch in Deutschland. 2024 schloss er sein Studium der Spielfilmregie an der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) in München ab. Bereits parallel zu seinem Studium arbeitete er als Editor, Autor und Regieassistent. Sein Kurzfilm „Goldilocks“ wurde unter anderem für die Shortlist der BAFTA Student Film Awards ausgewählt und beim Rhode Island International Film Festival als „Best Comedy Short“ ausgezeichnet.
Herzlichen Glückwunsch zum Deutschen Kamerapreis! Wie war das für dich, als du davon erfahren hast? Danke dir! Es war großartig, wirklich. Ich habe überhaupt nicht damit gerechnet. Man reicht natürlich immer seinen Film ein und hofft das Beste, aber dass ich nominiert werde und dann auch noch den Preis bekomme, war schon ein Wahnsinnsgefühl. Der Anruf aus Köln kam total überraschend, vor allem, weil es mein Abschlussfilm war. Das hat das Ganze noch besonderer gemacht.
„Gastrogötter“ war dein Abschlussfilm an der HFF in München. Ja, genau. Ich habe an der HFF München Regie studiert, genauer gesagt Spielfilmregie. Als ich dort anfing, gab es dort noch keinen eigenständigen Schnittstudiengang, der kam erst später dazu. Auch deshalb habe ich während meines Studiums fast alle meine Filme selbst geschnitten.
Es ist ja nicht selbstverständlich, dass ein Regisseur seine Filme selbst schneidet. Fehlt dir dabei nicht der Austausch mit einer zweiten Person am Tisch, oder führst du den Dialog mit dir selbst? Der Dialog ist definitiv wichtig, aber den führe ich nicht mit mir selbst. Ich arbeite oft sehr eng mit zwei Leuten zusammen: mit dem Kameramann Florian Strandl und dem Autor David Benke. Wir drei haben uns bereits im ersten Jahr an der HFF zusammengetan und arbeiten seither zusammen. Sie sind die ersten, die den Schnitt zu sehen bekommen und Feedback geben. Da ich sowohl Regisseur als auch Editor bin, beginnt der Schnittprozess eigentlich schon im Drehbuch und dann bei der Auflösung. Bei „Gastrogötter“ haben wir zum Beispiel versucht, viele Erzählmomente und Einstellungen mit einer sehr bewegten, dynamischen Kamera zu verbinden, so dass die Montage in diesen Szenen schon beim Dreh entstand.
Tafelfreuden: Filmstill aus „Gastrogötter“ (Foto: Florian Strandl)
Wie hast du den Filmschnitt gelernt? Angefangen zu schneiden habe ich bereits vor meinem Studium. Das waren aber meistens Live-Events oder Musikvideos. An der HFF gab es dann zwar anfangs noch keinen eigenständigen Schnittstudiengang, aber wir hatten trotzdem eine großartige Schnittbetreuung. Karina Ressler, die lange Jahre an der HFF war, hat uns in dieser Hinsicht unterstützt und wir hatten immer jemanden, der uns bei unseren Filmen begleitet hat. Carolin Biesenbach, die meinen Zweitjahresfilm betreut hat, ist zum Beispiel jemand, den ich immer noch bei vielen Projekten um Feedback und Rat frage.
Wie ist das Projekt „Gastrogötter“ entstanden? Nach „Goldilocks“ stand ich vor der Frage: Was will ich als Abschlussfilm machen? Die erste Idee entstand dann, weil mir irgendwann aufgefallen war, dass es in Deutschland zwar unglaublich viele Kochformate gibt, aber kaum etwas Fiktionales darunter ist. Als riesige Fans von gutem Essen und leidenschaftliche Hobbyköche beschlossen David und ich, das zu ändern und eine Serie zu entwickeln, die sich mit der Welt der Spitzenköche auseinandersetzt. Wir wollten etwas machen, das uns nach dem Studium weitertragen kann. Also entschieden wir uns für den Piloten einer Serie. Es war allerdings ein langer Weg, bis wir tatsächlich drehen konnten, weil es viel aufwendiger wurde, als wir ursprünglich dachten. Vor allem die Finanzierung hat Zeit gebraucht. Neben der vollen Unterstützung unserer Professoren haben wir glücklicherweise eine Förderung vom FFF Bayern sowie Unterstützung vom Freundeskreis der HFF bekommen. Dazu konnten wir Partner wie ARRI Rental, KLT Rental und Lightbridge gewinnen. Am Ende hatten wir genug Geld und Beistellungen zusammen, um den Film in elf Tagen zu drehen, für eine Länge von 43:30 Minuten. Wir hatten auch für unsere Verhältnisse sehr viel VFX- und SFX-Aufwand, was aber mit dem VFX-Studiengang an der HFF großartig funktioniert hat. Unser VFX-Supervisor Nicolas Schwarz hat für uns unter anderem virtuell ein ganzes Restaurant abgefackelt. Ohne die Hochschule wäre das sicherlich nicht bezahlbar gewesen.
Was war für dich persönlich die größte Herausforderung bei der Produktion? Die Locationsuche war definitiv eine der größten Herausforderungen. Wir brauchten ein Restaurant, das wie ein Sternerestaurant wirkt, und das war gar nicht so leicht zu finden. Letztlich haben wir im Prinzipal gedreht, das zum Prinzregententheater gehört. Es ist zwar kein echtes Sternerestaurant, aber es sieht sehr beeindruckend aus und konnte das Setting eines Spitzenrestaurants überzeugend darstellen. Immerhin war, glaube ich, auch Schuhbeck da mal tätig.
Aber der sitzt jetzt im Gefängnis. Deshalb konnten wir ihn leider nicht fragen. Die Küche war aber auch nicht einfach zu finden. Sie musste groß genug und funktional sein, um all das zu ermöglichen, was wir für die Dreharbeiten brauchten. Am Ende haben wir eine tolle Küche gefunden, aber es war eine offene Küche, was für uns bedeutete, dass wir beim Drehen immer darauf achten mussten, die eine Seite nicht zu zeigen, die zum Gastraum hin offen war. Dazu kam, dass wir im Dezember gedreht haben, was für Locationsuche in der Gastronomie eine Katastrophe ist – die meisten Restaurants sind in der Zeit selbst stark beschäftigt.
VFX-Inferno: Filmstill aus „Gastrogötter“ (Foto: Florian Strandl)
Die Jury des Deutschen Kamerapreises hat bei deinem Schnitt „dynamische Sequenzen“ und das saubere Tondesign besonders hervorgehoben. Das freut mich total, weil Ton und Musik für mich extrem wichtig sind. Komponist Manu Mühl und Sounddesigner und Mischtonmeister Andrew Mottl haben beide fantastische Arbeit geleistet. Schon während des Schnitts probiere ich oft Ideen aus, was den Ton angeht, und Andrew hat diese Ideen dann weiterentwickelt und verfeinert. Manu hat schon vor dem Dreh an ersten Musikideen gearbeitet und dann auch während der Schnittphase immer wieder neue wertvolle Impulse und Ideen eingebracht. Für mich ist der Ton unglaublich wichtig, weil er eine zusätzliche Erzählweise bietet, die das Bild nicht allein leisten kann. Wir haben viel Arbeit in das Sounddesign und die Musik gesteckt, um zusätzliche Ebenen in die Geschichte einzufügen.
Hattest du beim Schnitt besondere Herausforderungen? Ja, definitiv. Wir hatten sehr viele unterschiedliche Stilelemente im Film. Das alles zusammenzubringen war nicht einfach. Gerade bei der Splitscreen-Montagesequenz habe ich sehr lange gebraucht, bis sie so war, wie sie jetzt im Film ist. Da hatten wir einfach wahnsinnig viel Material, das ich erst einmal sichten und dann sinnvoll montieren musste. Auch die Musik spielte dabei eine große Rolle. Es hat lange gedauert, bis wir alles so abgestimmt hatten, dass es passt.
Ein weiteres Thema war die Chronologie der Erzählstränge. Im Drehbuch waren wir sehr stark festgelegt, weil wir viele verflochtene Handlungsstränge hatten, die eine gewisse Chronologie brauchten. Das hat uns im Schnitt eingeschränkt, weil wir nicht einfach Szenen hin- und herschieben konnten, um den Rhythmus oder das Pacing zu verändern, ohne die gesamte Struktur zu zerstören. Am Ende haben wir zwei Szenen umgestellt, aber das war es dann auch. Mehr Spielraum gab es nicht, brauchte es aber letztendlich auch nicht.
Gibt es etwas, das du aus dem Projekt für dich mitgenommen hast, das dich besonders geprägt hat? Es gibt viele Dinge, die ich aus dem Projekt mitnehme. Zum Beispiel habe ich bei „Gastrogötter“ zum ersten Mal mit zwei Kameras gedreht, und da habe ich definitiv dazugelernt. Auch der Umgang mit dem Material – als Editor wünscht man sich manchmal mehr Material, aber als Regisseur weiß man, dass man irgendwann weitermachen muss. Da kann man immer wieder neue interessante Lektionen lernen, wenn man sein eigenes Material schneidet.
Wie geht es aktuell weiter? Was „Gastrogötter“ betrifft, sind wir noch auf der Suche nach einem Partner, der die Serie weiterführen möchte. Wir hätten auf jeden Fall noch Ideen für weitere Folgen – sieben wären schon mal ein guter Anfang. David und ich arbeiten aber gerade auch an einem neuen Serien- Konzept für die Firma Hager Moss, eine Tochter von Constantin. Das ist für uns eine spannende Sache, und wir hoffen, dass wir damit nächstes Jahr voll in die Stoffentwicklung gehen können. Gleichzeitig arbeite ich an meinem Debüt-film, der allerdings keine Serie wird, sondern eine abgeschlossene Geschichte.
Glaubst du, dass dir der Deutsche Kamerapreis dabei Türen öffnen könnte? Ich hoffe es! Konkret ist es im Moment noch nicht so, dass ich täglich 25 Anrufe bekomme. Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass der „Deutscher Kamerapreis“ eine große Chance für „Gastrogötter“ und auch mich persönlich bedeutet. Umso mehr freue ich mich, dass ich diesen Preis mit einem Projekt gewonnen habe, das auch deutlich macht, was mich filmisch besonders reizt – tragisch-komische Stoffe mit skurrilen, gerne auch mal überzeichneten Figuren, die dem Publikum Spaß machen. [15507]