Bei Act HeadQuarter Media in Köln kommen parallel gleich drei unterschiedliche High-End-Grading-Systeme zum Einsatz. Wir haben in unserem Heft 5.2019nachgehört, worin die wichtigsten Unterschiede liegen und welches System am besten für welches Projekt taugt.
Ausreichend Zeit zum Zusammenwachsen: 14 Jahre hatten sich die beiden Postproduktionshäuer Act Videoproduktion und HeadQuarter die Geschäftsräume in der Kölner Krebsgasse geteilt. In diesem Jahr sind nun die beiden Unternehmen zu einem verschmolzen. Mit in der Aussteuer waren gleich drei unterschiedliche Grading-Systeme: Nucoda Filmmaster, DaVinci Resolve und FilmLight Baselight. Diese Konstellation ist in Deutschland selten, wenn nicht gar einmalig. Aber was sind die Gründe für diese Ausstattung? Wie sind die Arbeitsprozesse eingerichtet? Wo liegen die Herausforderungen?
„Es gibt ja noch weitere Grading-Maschinen, aber wir haben uns für die drei Marktführer entschieden“, erklärt Geschäftsführer Andreas Fröhlich die Auswahl. „Diese drei stehen untereinander sehr stark im Wettbewerb und sind daher stets bestrebt, neue Software zu bringen, die es bei den Mitbewerber noch nicht gibt.“ Damit habe ein System in bestimmten, wichtigen Bereichen immer die Nase
Materialmix beherrschen
Weil die Architektur der Maschinen, die Art und Weise wie sie intern mit Signalen umgehen, unterschiedlich angelegt ist, führt das dazu, dass sie auch grundsätzlich bestimmte Vor- und Nachteile zueinander haben. So wird bei der Act HeadQuarter Media der Nucoda Filmmaster gerne dann verwendet, wenn es darum geht, unterschiedliche Materialien zusammenzufügen beziehungsweise anzugleichen, oder auch um Korn wegzunehmen oder hinzuzufügen. „Besonders geeignet ist er, wenn altes Filmmaterial restauriert und aufbereitet werden muss, beispielsweise für die Verwendung in einer Kinodokumentation“, sagt Robert Groß. Der Geschäftsführer erinnert sich dabei an den unter anderem in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichneten Kinofilm „Lebanon“ aus dem Jahr 2009. „Da lag uns mit Aufnahmen auf 16-mm-Film sowie Digitalmaterial, das mit der damals neuen HD-Cam Red aufgenommen worden war, ein wüster Materialmix vor. Dabei spielte der Film an nur einem Motiv.“ Als das Team in der Farbkorrektur die online zusammenmontierten Sequenzen sah, war es skeptisch, ob hier eine zufriedenstellende Lösung gelingen würde. Wider Erwarten und nicht zuletzt dank des Nucoda klappte die Angleichung. Beim Europäischen Filmpreis 2010 erhielt „Lebanon“ den Kamerapreis. Auch bei Serien, die mit verschiedenen Kamerasystemen arbeiten, wie zum Beispiel bei der SAT.1- Reihe „Einstein“, wird der Nucoda Filmmaster genutzt, weil auch hier das Angleichen der unterschiedlichen Kameras am leichtesten von der Hand geht.
Farbräume wechseln
Um verschiedene Farbräume besser zu verbinden oder ein farbkorrigiertes Bild in verschiedenen Farbräumen zu verwerten, sei mit dem Baselight dann das Thema Colour Science dazu gekommen. Besonders bei Kinoprojekten, die zugleich auch für Fernseh- und Online-Verwertung vorbereitet werden sollen, müssen die Farbräume gewechselt werden. „In diesem Bereich ist aktuell Baselight sehr weit vorne, auch mit Blick auf den Standard HDR, der immer wichtiger wird“, stellt Andreas Fröhlich fest. „Im Grunde können alle drei Maschinen HDR, wobei die Verfahren unterschiedlich gelöst sind.“
Baselight stellt hier in seiner Sicht eine elegante Variante dar, weil sie in Sachen Colour Science Vorteile bietet. Neben dem HDR-Master, so der Geschäftsführer weiter, kann man mit ihr direkt ein SDR-Master herstellen: „Die Maschine übersetzt das von der einen in die andere Welt, und man muss nicht noch einmal bei null anfangen.“ Grundsätzlich gilt für ihn: Bei Kinofilmen, die außer HD auch in 4K und HDR postproduziert sein müssen, ist Baselight die beste Wahl, weil hier der Weg in den anderen Farbraum der jeweils kürzere ist.
Als Paradebeispiel für den Umgang mit diesem System führt er „Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm“ an. Hier habe der Colorist Jan van Diermen zaubern können und so einen wesentlichen Anteil an der Qualität des Films gehabt. „Der Film spielt in den 1920er und 1930er Jahren und benötigt insofern einen historischen Look.“ Standardmäßig werde in solchen Fällen Schwarz- Weiß-Optik mit Vergangenheit gleichgesetzt, das Bild häufig lediglich stark entsättigt.
Das wollte man in diesem Fall nicht. „Auch in der Vergangenheit war das Leben bunt, aber die Gesellschaft hat sich anders angefühlt, und das muss sich in der Farbe widerspiegeln.“ Eine anspruchsvolle, aber auch kreative Arbeit mit sehr vielen Farbparametern, die gleichzeitig verändert werden.
Im Unternehmen werden die Coloristen als Mitglieder eines Orchesters gesehen: Sie führen etwas fort, das Kameraleute und Szenebildner begonnen haben. „Der Look entsteht ja nicht erst beim Grading und kann dort nicht nachträglich einfach nur kopiert werden – eine gute Farbkorrektur soll vom Zuschauer erst gar nicht wahrgenommen werden, es muss einfach stimmig sein.“ Als Beispiel dafür verweist Groß auf die Til-Schweiger-Filme, deren charakteristischer Look schon mit der Ausstattung geplant werde: „Die warmen Haupttöne werden durch die Verwendung von blauen und grünen Gegenständen am Set hervorgehoben.“ In diesem Zusammenhang erinnert er sich auch gerne an das Grading von Oskar Röhlers „Herrliche Zeiten“, das seine Mitarbeiter umsetzten. Geprägt von grellen Farben, musste jedes kolorierte Element se- pariert und einzeln behandelt werden, damit die Bilder für das Publikum stimmig zur Geltung kommen.
Kosten sparen
Der Da Vinci Resolve schließlich ist bei den Kölnern bereits seit acht Jahren im Einsatz. Als kostengünstigstes High-End-System ist es am Markt daher auch weit verbreitet. Da bereits oft am Filmset durch den DIT Farbkorrekturen über diese Maschine vorgenommen werden, ergibt es Sinn, auch in der Postproduktion damit zu arbeiten, damit die Werte vom Dreh bei Bedarf direkt übernommen werden können. Bei Act HeadQuarter Media werden mit diesem System vor allem Film- und TV-Inhalte bearbeitet. Hin und wieder, so das Führungsduo, verirrt sich auch ein klassisches nichtfiktionales Format wie eine Dokumentation, bei der umfangreichere Farbkorrekturen vorgenommen werden müssen, hierhin.
Bei den nichtfiktionalen Inhalten gehen die Kreativen mit dem Baselight einen anderen Weg. Mittels Plug-in werden die Farbkorrekturen am Avid umgesetzt. Die Baselight-Software wird vom Editor bedient. Die 16 festangestellten Editoren wurden hier durch die Fiction-Coloristen umfangreich geschult.
Den Workflow bei den drei Grading-Machines von der technischen Seite her zu organisieren, ist unkompliziert. Mit Blick auf den Output nehmen alle drei Maschinen jegliches Material an und geben sämtliche gängigen Derivate wieder aus. Inzwischen können beispielsweise Gradings aus der Drehphase, die auf dem Da Vinci gemacht wurden, so umgewandelt und aufbereitet werden, dass man sie auf dem Baselight weiterbearbeiten kann.
Letztlich werde das aber kaum gemacht. Die Kinoprojekte etwa werden fast ausschließlich nur auf Baselight in der Kinosuite bearbeitet. Auch hier wäre es möglich, die Files in andere Maschinen zu pflanzen. Das ist jedoch ein Weg, den das Kölner Produktionshaus eher nicht beschreiten möchte da man in diesem Bereich Baselight die größten Stärken zuspricht.
„Die Herausforderung liegt darin, dass die Coloristen den Umgang mit allen drei Maschinen beherrschen müssen“, beschreibt Fröhlich. Die Grading-Struktur im Unternehmen sei aber natürlich gewachsen, nicht von der Geschäftsführung verordnet: „Die Operatoren haben bei uns ein starkes Wort mitzureden und von ihnen kam auch der Wunsch, diese drei Systeme anzuschaffen. Das Entscheidende findet auf den drei Bällen statt, das ganze Drumherum kann man lernen.“ Die Coloristen erhielten Trainings im Unternehmen und wurden in London bei den Herstellerunternehmen geschult.
Grundsätzlich, so betonen die beiden Geschäftsführer, könne man mit jeder Maschine das gleiche Bild erzeugen: „Es ist nicht so, dass ein Bild auf einem System besser oder schlechter aussieht als auf einem anderen System. Der Weg dahin ist das Entscheidende. Bestimmte Dinge gehen an der einen Maschine schneller als an der anderen.“ Es seien ökonomische und ergonomische Gründe, die zum Einsatz einer bestimmten Grading-Software führten. [8609]