Wir sprachen anlässlich der Jurywoche für den 34. Deutschen Kamerapreis beim SWR in Baden-Baden mit dem Kuratoriumsvorsitzenden Matthias Haedecke.
Welche neuen Entwicklungen gibt es beim Deutschen Kamerapreis in seiner 34. Ausgabe?
Aus Vereinssicht ist sicherlich die wichtigste Neuigkeit, dass wir zum ersten Mal bei der Jurywoche das neue Vereinsmitglied, den MDR an Bord haben. Das verstärkt uns bei der Juryarbeit, ist aber auch für uns als Verein sehr wichtig, weil wir uns so auf eine breitere Mitgliederbasis stellen können. Da ist jedes Vereinsmitglied wertvoll, um unsere Arbeit gut fortführen zu können. Von daher freuen wir uns, dass hier mit Peter Juras vom MDR ein neues Kuratoriumsmitglied mit dabei ist. Auch von der Stadt Köln ist ein neues Kuratoriumsmitglied dabei. Hier hat Daniel Kölle Andreas Füser abgelöst, der in den Ruhestand gegangen ist. So gibt es zwei neue frische Köpfe im Kuratorium, die auch für ein bisschen frischen Wind sorgen, was sehr schön ist.
Im vergangenen Jahr wurden die Kategorien umgestellt und auch für Produktionen geöffnet, die keine Fernseh- oder Kinoauswertung vorweisen können. Wie hat sich das nach den Erfahrungen, die ihr in der Zwischenzeit machen konntet, bewährt? So groß waren die Neuzuschnitte ja gar nicht. Wir haben sie mit Screen und Kino, jeweils aufgeteilt in Doku und Fiktion, anders benannt, aber die Kategorien selbst hatten eigentlich dieselben Inhalte. Es stimmt aber, dass wir die Scree formate geöffnet haben. Wir stellen nach wie vor fest, dass die beiden Kategorien mit den meisten Einreichungen immer noch Fiction Screen und Doku Screen sind, also einmal die Fernsehformatierung von fiktionalen Themen und die Fernsehformatierung von Dokumentationsformaten. Auch die Mediatheks- beziehungsweise insgesamt die Onlineangebote sollen sich hier wiederfinden, was letztlich auch der Auslöser für den Begriff „Screen“ war. Hier haben wir mit einmal über 100 und einmal knapp unter 100 Einreichungen eine echte Herausforderung für die Kolleginnen und Kollegen, diese vielen Produktionen in den Tagen hier alle in dem Maße zu sichten, wie sich das gehört. Das ist eines der Themen, das uns beschäftigt, weswegen wir auch immer wieder an den Zuschnitten der Jurys arbeiten. Denn in den Grenzbereichen spielt die Musik. Bei Doku Screen sehen wir die Abgrenzung weniger gegenüber Doku Kino, sondern zu der Kategorie, die wir in diesem Jahr mit „Informationen und Kultur“ neu benannt haben und die in den letzten Jahren „Aktuelle Kurzformate“ hieß.
Wo fängt Doku, wo fängt Reportage an? Wie können wir hier sortenrein sein? Da hat fast jeder sein eigenes Bild im Kopf, ab wo etwas als eine Reportage und ab wann als eine Dokumentation gelten soll. Und gerade, wenn man so viele Produktionen wie in Doku Screen vor der Brust hat wie die Jury, möchte man dort gerne Entlastung schaffen, damit die Jury den Kopf freier haben kann für die echten Schätze, die auf der großen Liste ste- hen. Da stehen wir jedes Jahr wieder vor der Frage, was wo am besten aufgehoben ist. Doku Screen oder doch lieber Information und Kultur?
Schwierig sind ja auch sicher die vielen Mischformate zwischen Doku und Fiktion.
Auch an der Schnittstelle von Doku Screen und Fiktion Screen haben wir die Diskussion bei den Hybridformaten. Wenn es fiktionale Anteile und dokumentarische Anteile gibt, haben wir die Haltung, dass die Jury, die in diesem Jahr die Verantwortung hat, diese Rubrik zu kuratieren und zu beurteilen, auch souverän ist in dem, was sie entscheidet. Es kann sein, dass dort im nächsten Jahr sechs andere Kolleginnen und Kollegen sitzen, die ja alle unbestritten absolute Fachleute in ihrem Gebiet sind, aber halt ein bisschen anders ticken, ein bisschen anders denken. Auch die Gruppendynamik ist vielleicht eine andere. Da kann es dann gut sein, dass eine Produktion, die in diesem Jahr durchaus gute Chancen hat und weiterkäme, vielleicht im nächsten Jahr diese Chancen nicht hätte. Aber so ist es eben. Trotzdem schätzen wir es sehr, dass wir die Jurysitzung hier als Präsenzveranstaltung durchführen können.
Worin seht ihr die Vorteile einer Präsenzsitzung? Ich glaube, das erlaubt eine noch mal ganz andere Quali- tät, auch in der Diskussion. Du hast es ja selbst miterlebt. Im Vergleich zu den Jahren, wo wir Online-Veranstaltungen hatten, haben Präsenzveranstaltungen doch noch einmal eine andere Tiefe. Auch die Vernetzung ist sicher wichtig, dass man sich hier an einem Ort mit den Kollegen aus allen Bereichen treffen und austauschen kann. Das ist ein großer Mehrwert für alle. Es ist für uns auch eine große Herausforderung, die einzelnen Jurys in ihrer Gesamtheit so zusammenzustellen, dass Markt und Sender gleichermaßen berücksichtigt werden. Außerdem wollen wir natürlich die Jurys divers besetzen. Wir mischen die Editorinnen und Editoren, die Kameraleute, die Sender- und Produktionsseite dann so, dass es paritätisch ist. Wir wollen die Kolleginnen und Kollegen aus den Sendern nicht verlieren und sie brauchen auch eine Lobby in den Jurys. Ich glaube, das ist dieses Jahr auch wieder mit einer sehr guten Mischung gelungen, gerade hinsichtlich des Aspektes der Durchmischung von freiem Markt und Sendehäusern. [15433]
Die Nominierten beim 34. Deutschen Kamerapreis
Kamera
Fiktion Kino
Patrick Orth für „Im Toten Winkel“
Felix Pflieger für „ Dead Girls Dancing“
Jan Mayntz für „Alle die Du bist“
Fiction Screen
Christopher Aoun für „ZEIT Verbrechen – Deine Brüder“
Marvin Schatz für „Zwischen uns die Nacht“
Tobias von dem Borne für „Tatort – Unter Feuer“
Kurzfilm
Noah Böhm für „Sensibelchen“
Felix Pflieger für „Der Rückweg“
Franz Zimmermann für „Eisspin, der sehr Schreckliche“
Doku Kino
Daniel Guliyev für „Die Rückkehr des Filmvorführers“
Jacob Friedrich Maria Kohl für „Atomnomaden“
Franz Lustig für „Anselm“
Doku Screen
Nicolai Mehring für „Erfundene Wahrheit – Die Relotius-Affäre“
Carsten Waldbauer für „Ab 18! Vaterland“
Johannes Obermaier für „Farm Rebellion (Folge 2)“
Information und Kultur
Lukas Wunschik für „360° REPORTAGE: Cholitas, die fliegenden Frauen Boliviens“
Thomas Lütz für „Geschwisterbande – Ein Tag mit Emil und Oskar Belton“
Alexander Seidenstücker, Tobias Kaufmann für „RoleModels mit Haya Molcho“
Schnitt
Fiktion Kino
Anne Jünemann für „Leere Netze“
Fiktion Screen
Friederike Hohmuth für „ZEIT Verbrechen – Love by Proxy“