Nach ihrem S/W-Ausflug nach „Nebraska“ ist „Downsizing“ die nächste Zusammenarbeit mit Alexander Payne, mit der sich das Duo neuen, nicht immer maßstabsgetreuen Herausforderungen stellt.
Phedon Papamichaels Stimme hat etwas Beruhigendes, der man gerne zuhört, egal in welcher Sprache. Da er auch fließend Deutsch – mit leichtem Münchner Einschlag – spricht, kam ich zwar kurz in Versuchung, dann führten wir das Interview aber doch auf Englisch. Theoretisch jedenfalls, denn in der “Hitze des Gefechts” rutschten wir mehrfach grinsend in einen unverständlichen, für Dritte kaum nachvollziehbaren, zweisprachigen Kauderwelsch ab, den ich zur besseren Verständlichkeit lieber vollständig eingedeutscht wiedergebe.
Worauf habt ihr gedreht?
Auf der Alexa XT, mit Panavision Spherical- und weiteren Panavision Vintage-Objektiven, sowie auf meinen Canon K35, die mir der Dan Sasaki in neue Gehäuse gebaut hat. Wir hatten alle möglichen Objektiv-Kombinationen, beinahe für jede Brennweite ein anderes Set. Im Grunde ging es uns dabei um einen “vintage look”.
Es gab also verschiedene Sets für die “normalgroßen” Szenen und die – ich nenne es mal “Miniaturaufnahmen”?
Nein. Das Konzept war, dass wir im Falle von Interaktion großer mit geschrumpften Menschen, auf eine – in Anführungszeichen – “große Kamera” setzen, so dass etwa in der Szene, wenn Dr. Asbjørnsen auf dem Podium vorgestellt wird, die Schärfentiefe sehr beschränkt ist. Wenn wir also von ihm eine Nahaufnahme drehen würden, wären wir im Bereich der Makro-Fotografie. Sind wir dann erst einmal in der kleinen Welt, nachdem Paul die Verkleinerungs- Sequenz durchlaufen hat und er in dem Aufwachraum zu sich kommt, sind wir mit der “kleinen Kamera” bei ihm.
Ich wollte vermeiden, dass das Publikum sich ständig dessen bewusst ist, dass sie kleine Gegenstände sehen, ich wollte, dass sie gar nicht erst wahrnehmen, dass wir als Beobachter auch verkleinert wurden – theoretisch jedenfalls. Wir sind also auf der kleinen Kamera und die Schärfentiefe ist normal, ebenso die Objektive, dann vergisst man mit der Zeit, dass man sich in einer Miniaturstadt bewegt.
Manchmal wird man dann daran erinnert, was wir immer sehr dezent gehalten haben, um nicht immer auf Lacher abzuzielen, weil es darum ja gar nicht geht. Erst wenn wir dann in Norwegen ankommen, spielt es eine Rolle, weil sie sich dort ja nicht in einer verkleinerten Gemeinde befinden, sondern in der Natur. Da fällt einem dann auf, dass sich das Wasser in einem anderen Maßstab bewegt, alles ist ein wenig anders.
Danach wollte ich ohnehin fragen.
Den meisten Menschen fällt das gar nicht auf, die merken höchstens, dass da etwas anders ist, wie etwa die Flammen des Lagerfeuers. Über solche Details haben wir bis zuletzt argumentiert, der VFX Supervisor (James E. Price), Alexander und ich, sowie die Production Designerin (Stefania Cella) – denn man kann sich nicht um jede Oberflächenstruktur kümmern, weil wir nicht an einer Bar enden wollten, wo sie auf Korken sitzen.
Da fällt mir ein polnischer Film ein, der genau das macht: “Kingsajz” (1988, Regie: Juliusz Machulski).
Ja, das versuchten wir zu vermeiden. Darum redeten wir über Oberflächen, Kleidung – soll die zum Beispiel aus anderen Stoffen bestehen? Und wir sagten uns, wenn sie Menschen schrumpfen können, dann gelingt es auch kleinere Dinge herzustellen, etwa normale Kaffee-Maschinen, aber wie detailliert? Wir entschieden uns dann für die Abwesenheit von Details anstelle von zu vielen, für einen generell aufgeräumteren Eindruck, so dass man gar nicht erst darüber nachdenkt.
James E. Price, unser VFX Supervisor, bestand aber auf dem Wasser und dem Feuer, wo ich unsicher war, weil es für manche Leute zu künstlich und computergeneriert aussehen könnte. Aber er und Alexander haben das so entschieden, wie auch die Pflanzen und ein paar anderer solchen Sachen. Über das Gras gab es eine größere Auseinandersetzung – lassen wir es so, wie es ist, oder machen wir es maßstabsgetreu?
Das ging eine Weile so hin und her. Alexander ist ein Regisseur, der normalerweise nur on-location dreht, wie bei „Nebraska“ (2013) oder „Sideways“ (2009) – da wollte er nicht mal die Bilder und Requisiten vor Ort anrühren. Sich nun im Voraus alles abstrakt vorstellen zu müssen, was später überhaupt zu sehen sein würde, ist ihm schwer gefallen.
Das muss ja sehr stressig für ihn gewesen sein, mit all den Greenscreens um ihn herum …
Ja, und er hat vorher noch nie etwas in der Art gemacht. Ich hab ihm immer wieder versichert, dass er damit umgehen soll wie mit jedem anderen Film. Wenn ihm später die Effekte merkwürdig vorkämen, wenn etwas falsch aussieht, dann soll er das genau so artikulieren. Dazu muss man nicht das technische Verständnis in jeder Einzelheit mitbringen, es genügt, es anzusprechen, und dann bringen sie es in Ordnung.
Natürlich ist es nicht immer so einfach. Manche Dinge haben wir immer wieder verändert, wie das Netz, das über der Miniaturstadt hängt – wir hatten große Schwierigkeiten festzulegen, wie reflektierend und lichtdurchlässig es ist, ohne dabei wie gemalt auszusehen. Gerade bei fotorealistischen Elementen, die wiederum Teil weiterer fotorealistischer Prozesse sind, bekommt man Probleme. Es war schwer konkret zu sagen, woran es im Einzelfall liegt, ob am Kontrast oder der Sättigung, es war viel hin und her zwischen ILM und uns. Es ist eben ein Unterschied, ob man Raumschiffe macht, oder etwas, das sehr realistisch sein soll, was sehr viel schwieriger ist.
Normalerweise proben wir mit den Darstellern, dann lassen wir sie machen und drehen eine Einstellung von hier, eine von dort. Wir arbeiten nie mit Storyboards. Diesmal mussten wir wählerischer in unserer Bildgestaltung sein, um nicht den Rahmen unseres Budgets zu sprengen. Hinzu kommt die für ihn ungewohnte Aufteilung von Elementen, wie etwa, wenn der Besuch auf der Keksschachtel in der Küche sitzt.
Natürlich dreht man den Tisch, aber wenn dort das Licht über einen 1Å~1 Meter großen Bounce kommt, muss du das später im Studio auch entsprechend nach oben skalieren, wenn man dort den Gegenschuss aufnimmt. Dann wird aus dem 1Å~1 etwa ein 30Å~30 Meter Bounce, und auch der Abstand zum Licht muss entsprechend im Maßstab mitwachsen, ebenso der von der Kamera zum Schauspieler und so weiter. Wir brauchten also entsprechend große Studios, wo dann ein 10Å~12 Meter Licht auch mal in 20 Meter Entfernung in 15 Meter Höhe stehen konnte.
Wir haben uns bemüht, damit so präzise wie möglich zu sein, um den Effekt hinzubekommen, was eine Menge Mathematik ist, die den Regisseur schon mal langweilen kann, vor allem dann, wenn er nicht daran gewöhnt ist. Deswegen haben wir solche Situationen vermieden, und glücklicherweise gibt es nicht sehr viele davon, in denen groß und klein miteinander interagieren, wie etwa die, wo das Ehepaar in einer Schachtel zum Klassentreffen kommt. Da hatten wir ein großes Motion-Control-Rig, weil sich da auch die Perspektive und die Achse ändert. Das war ziemlich kompliziert, aber kaum waren wir in der kleinen Welt, drehten wir eigentlich wie sonst auch.