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Freiräume genießen

Kameradialog mit Jakob Wiessner trifft Jo Heim (1/2)

Im Kameradialog für unsere Ausgabe 6/2016 Sprachen wir mit den beiden DoP Jakob Weissner und Jo Heim. Letzterer wird nun mit dem Ehrenpreis des Deutschen Kamerapreises ausgezeichnet. Für uns Anlass genug, Ihnen hier die Möglichkeit zu geben, etwas mehr über den Preisträger zu erfahren.

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(Bild: Julian Reischl)

DoP Jakob Wiessner studierte bis 2014 Kamera an der HFF München. Sein „Sibylle“ lief schon im folgenden Jahr auf der Berlinale. Er trifft auf DoP Jo Heim (BVK), der 2015 mit dem Bayerischen Filmpreis für „Unfriend“ und „Ein letzter Tango“ ausgezeichnet wurde.

Film&TV Kameramann: So ein Gespräch eröffnet sich ja meist automatisch mit der Feststellung, dass der eine von Euch analog aufgewachsen ist, und der andere nicht …

Jakob Wiessner: Bei mir war das gerade nicht so. Ich war ja noch in Giesing in der HFF, wir haben in der Kameraklasse noch Film gelernt, auf 16 Millimeter und auf 35 Millimeter. Bei uns gab es diese eine MiniDV-Panasonic- Kamera, eine DVX100, die gerade so 24 oder 25 Vollbilder machen konnte. Die war einigermaßen interessant für uns, um Übungen zu drehen. Aber dann kam schon der Umbruch. Ab dem zweiten oder dritten Film, glaube ich, gab es die Sony EX-1 oder die EX-3, damit ging es los, dass wir digital produziert hatten. Der Umbruch erfolgte genau während meiner Zeit an der HFF. Während der ersten zwei Jahre meines Studiums war es noch keine Alternative, auf Video zu drehen. Das war alles eher beschränkt leinwandtauglich. Wenn man einen bewegten „nah-dran“ Stil hatte, dann sah das immer ganz gut aus auf der Leinwand. Aber wenn man auf Mini-DV eine Totale hinstellen wollte, das war einfach nix.

Als es dann die ersten HD-Kameras gab, haben wir gleich begonnen, uns stark damit auseinanderzusetzen, Vergleiche zu machen, haben geschaut, wie man einen Look hinkriegen kann, der einem gefällt. Auch kamen erste Tools für Grading und so weiter, das waren die Anfänge. Aber zunächst sind wir wirklich ins Kopierwerk gegangen, haben zugeschaut, wie sie die Muster machen. Da konnten wir dann sehen, was wir wirklich gemacht hatten, also, ob wir richtig getestet, gemessen und belichtet hatten. Die Szene durchmessen und so weiter, das wird ja natürlich immer noch gelehrt. Wenn man das Lichtsetzen und das Belichten auf Film noch gelernt hat, auch Kontraste einzuschätzen und so weiter, wie sich das alles aus der analogen Technik entwickelt hat, dann kann man das meiste davon aufs digitale Arbeiten übertragen.

Nach Gefühl filtern zum Beispiel, oder nach dem Auge leuchten, und einschätzen, wie es dann kommen wird, unabhängig davon, was der Screen anzeigt – gerade in den digitalen Anfängen, da gab es ja noch nicht so die „Wahrheit“. Da hast du schon mal einen ganzen Film unterbelichtet, weil du dich zu sehr auf deinen Screen verlassen hast, der zum Beispiel zu hell war. Man denkt, es sei keine Atmosphäre da, dreht alle Lampen runter, und hinterher rauscht alles ganz fürchterlich, und man denkt „Auweia, hätte ich das nicht ein bisschen gesünder belichten sollen?“ Aber so wie man sich beim Film gedacht hat, lieber ein etwas dichteres Negativ herstellen als ein zu dünnes, dann ist man auch mit den digitalen Sachen nicht schlecht gefahren. Man braucht einfach eine Referenz. Man muss wissen, wo man steht, muss wissen, wie das Material sich in den Schatten verhält zum Beispiel, und wie man später die Range, die man aufnimmt, spreizen kann, bei digital eben anders als bei analog.

Jo Heim: Da kannst Du auch meinen Namen davorschreiben!

Bei der heute geradezu unüberschaubaren Vielzahl von Möglichkeiten, entwickelt man da eine Vorliebe für eine bestimmte Kamera in Kombination mit einer bestimmten Optik?

Jo Heim: Ich bin zu einer Zeit aufgewachsen, als man Videoausspiegelungen nicht so oft dabei hatte, das heißt, ich musste lernen, mich auf meine Augen und Messgeräte zu verlassen. Erst zwei Tage später, wenn die Muster kamen, sah man, ob man richtig gelegen hat. Ich habe daher – zum Glück – nie „gelernt“, nach Monitor einzuleuchten. Mit der Zeit hatte man die Erfahrung, wie man leuchten muss, ohne Monitor. Als es dann anfing, dass große Monitore am Set Usus wurden, und jeder das finale Bild sehen konnte, entstand eine ganze neue Situation: Plötzlich hatte jeder eine Idee oder kam und wies darauf hin, dass es doch hier zu hell oder dort zu dunkel sei. Nervig! Deswegen benutzte ich dann bewusst eher kleine Monitore am Set. Am liebsten war mir, wenn der Regisseur einen Watch- Man hatte. Der ist portabel, damit kann er sich überall hinstellen und aus Richtung der Kamera schauen, statt 20 Meter weit weg, ausgeklinkt im Video Village. Bei Werbung ist es ja anders. Da sitzen zehn Leute vor Monitoren, der Kunde, die Agentur, und schauen zu. Die Regieassistenz kommuniziert dann zwischen ihnen und uns am Set.

Du drehst jetzt aber auch digital?

Jo Heim: Ich war jemand, der sich erst sehr, sehr spät mit digital anfreunden konnte, denn es hat mich einfach nie überzeugt. Das war mein Hauptargument. Ich empfand digital eher als Einschränkung, anfänglich zum Beispiel mit dem zu geringen Kontrastumfang. Es war immer viel mehr Arbeit als bei analog, das alles zu einer ausgeglichenen Belichtung zu bringen. Deshalb habe ich mich immer sehr für Film stark gemacht, und sehr lang noch analog gearbeitet, als digital schon längst sehr verbreitet war. Das letzte, was ich noch auf 35 Millimeter gedreht habe, war eine Werbung. Aber jetzt, mit dem Durchbruch von RED und Alexa, ist es – zumindest meiner Meinung nach – ein Tool, das mit Zelluloid vergleichbar ist, zumindest in dem, was es kann.

Erst zu diesem Zeitpunkt bin ich dann auch auf digital umgeswitcht, war also nie ein Vorreiter. Da gab es andere Kollegen, die schon mit der ersten kleinen Videokamera losgelegt und auch schöne Sachen gemacht haben, aber das war nicht wirklich mein Interesse. Zelluloid, damit bin ich groß geworden, das hatte ich gelernt, das konnte ich, da war ich total sicher. Seit ich nun digital drehe, sehe ich darin inzwischen jedoch auch einige Vorteile. Drehen auf 800 ASA zum Beispiel sehe ich als ganz großen Gewinn. Auch für die große Leinwand ist 1.600 ASA bisweilen noch tolerabel. Toll, weil man viel mehr mit available light drehen kann, also viel naturalistischer. Man muss weniger künstlich nachleuchten, es ist schon alles „da“. Nächtliche Autofahrten oder Nacht-Außen-Drehs, da kann man in München jetzt auch in dunklere Ecken gehen und erzielt tolle Ergebnisse, was bei Zelluloid mit maximal 500 ASA nicht funktioniert hätte.

Jakob Wiessner: Man genießt ihn schon, den Freiraum, den man da hat. Ich weiß noch, die Nacht-Außen-Aufnahmen auf Film, das war erst mal schwarz meistens. Da musste was hin. Wenn man nichts gemacht hat, ist nichts passiert. Man kann bei den digitalen Kameras zur Not noch tricksen und den Shutter weiter aufmachen, dann hat man bis zu drei Blenden mehr. Das macht viel aus. Man geht davon aus, dass schon Licht da ist, und man bringt es dorthin, wo man es braucht. Ein Grundlevel ist fast immer schon da. Wenn man Tag-Innen dreht, und die Fenster nicht zu klein sind, da ist viel möglich. Wir haben jetzt eben zum Beispiel einen Kinofilm gedreht mit nur einem Beleuchter. Das geht alles.

Jo Heim: Noch mal zum Gewinn durch die höhere Empfindlichkeit: Früher, wenn man zum Beispiel nachts im Wald eine Riesentotale machen wollte, da blieb einem gar nichts anderes übrig, als mit großen Einheiten direkt zu leuchten. Man nahm eine Riesen-Monster-Einheit ganz weit weg, um so den Eindruck eines Mondlichts zu erzielen, aber das war knifflig. Oft brauchte man zwei, drei Steiger mit großen Einheiten, aber das sah immer etwas künstlich aus. Das will man ja nicht eigentlich, außer man macht Fantasy. Mit der größeren Empfindlichkeit bei digital konnte man die Lampe jetzt erstmals umdrehen und indirekt leuchten! Ich habe dadurch viel eher das erzielt, was ich eigentlich schon immer haben wollte: Diffuses, sehr weiches „No-Light“. Das sah viel natürlicher und weniger künstlich aus.

Am Sonntag gibt es bei uns den zweiten Teil des Interviews für Sie zu Lesen.

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