Am 12. August 2022 ist der Regisseur Wolfgang Petersen gestorben. Jost Vacano, der mit ihm beim Welterfolg „Das Boot“ zusammenarbeitete, erinnert an einen Großen der Branche.
Wolfgang Petersen war kein Autorenfilmer: Er träumte vom Hollywood-Erzählkino. Nachdem er bereits durch mutige und kontroverse Themen im Fernsehen bekannt wurde, etwa beim „Tatort: Reifezeugnis“ oder dem Spielfilm „Die Konsequenz“, sollte er die Regie beim Mammutprojekt „Das Boot“ übernehmen. Zuvor war Hollywood mit dem Versuch abgesoffen, die Romanvorlage von Lothar-Günther Buchheim zu verfilmen, nun sollte der Stoff als deutsche Produktion bei der Bavaria wieder auftauchen.
Wolfgang und ich kannten uns noch nicht, als mir die Bildgestaltung beim „Boot“ angeboten wurde. Produzent Günter Rohrbach brachte uns zusammen und nordete uns am ersten Tag im Produktionsbüro ein: „Wir machen hier den teuersten Film der deutschen Filmgeschichte, aber dazu muss es ein weltweiter Erfolg werden und deshalb muss es auch wie Hollywood aussehen. Also vergesst alles, was ihr bisher gemacht habt. Schafft ihr das?“
In Wolfgangs Träume passte das gut, mir aber bescherte es schlaflose Nächte. Keiner von uns hatte Erfahrung mit Hollywood und U-Boot-Filmen, die technischen Schwierigkeiten waren immens, und die Verantwortung für das große Budget wurde zur Last.
Zunächst sprach ich mit Wolfgang über meine Ängste, aber auch über eine Alternative, die ich in den schaflosen Nächten entwickelt hatte: Der Film würde nur dann eine Chance haben, wenn er völlig neu und überraschend, gerade eben nicht wie Hollywood aussieht, eher wie die Dokumentation einer Feindfahrt, aus der naiven Sicht des Kriegsberichterstatters, gespielt von Herbert Grönemeyer, nur mit Handkamera und Schiffslampen gedreht, 50 Männer in einer verschweißten Stahlröhre, ohne Sicht nach außen, die Kamera in klaustrophobischer Enge und Panik mittendrin – und die Zuschauer mit ihnen, als wären sie selbst dabei.
Wolfgang fand die Idee toll, aber dämpfte: „Jost, vergiss deine Träume, wir müssen hier Hollywood machen!“ Doch ich insistierte, und allmählich konnte ich ihn und Rohrbach von meiner Idee überzeugen – und so wurde der Film dann gemacht. Sein weltweiter Erfolg ebnete Wolfgang Petersen und auch mir den Weg nach Hollywood.
Hier machte er weiter Karriere und konnte seine Leidenschaft für das Genrekino erfüllen. Clint Eastwood holte ihn als Regisseur für „In the Line of Fire“, es folgten die Erfolge „Outbreak“, „Air Force One“, „Der Sturm“ und „Troja“.
Doch die besondere Qualität von Wolfgang als Regisseur zeigte sich schon beim „Boot“: nicht auf der eigenen Vision zu beharren, sondern offen zu sein für Ideen aus seinem Team und sie, wenn sie ihn überzeugten, in seine Arbeit einfließen zu lassen. Es war sein Prinzip, eine Atmosphäre zu schaffen, die der Kreativität seiner Mitarbeiter freien Lauf ließ. Davon schwärmen alle, die später mit ihm gearbeitet haben, auch die großen Stars in Hollywood.
Beim „Boot“ versammelte er immer vor Drehbeginn seine Darsteller, viele waren Laien, um sie zunächst in die Szenen des Tages einzustimmen und ihnen ein Gefühl für die klaustrophobische Enge in der Röhre und die Panik zu vermitteln, der sie dann ausgesetzt sein würden: damit sie es gar nicht „spielen“ mussten.
Wolfgang war ein wirklich großer Regisseur. Leider ist er nicht mehr unter uns.