ARRI entwickelt sein Certified Pre-owned-Programm weiter
Neuer Nutzen, neues Glück
von Redaktion,
Im vergangenen Jahr übernahm Arne Stadler die Leitung des Certified Pre-owned-Programms bei ARRI. Wir haben uns für unsere Ausgabe 7–8.2023 mit ihm zusammen im ARRI-Service-Center in München umgesehen, wo die Geräte geprüft und aufgearbeitet werden.
„Gebraucht“ ist ein Begriff, der nicht besonders gut klingt. Gebrauchtwagenhändler beispielsweise sind eine Berufsgruppe, deren Beliebtheit nur knapp vor Rosstäuschern rangiert, und jeder kennt wohl jemanden, der mit dem frisch erworbenen Gebrauchtfahrzeug nur zwei Ecken weiter liegenblieb. Das ist bei Autos unangenehm genug, doch in der Film- und Fernsehbranche möchte sich erst recht niemand auf eine gebrauchte Kamera mit unklarem Leistungsvermögen verlassen, zumal hier ja die Anschaffungspreise selbst für nicht mehr neue Ware leicht im Bereich von Mittelklassekraftwagen liegen können.
Um hier klar abzugrenzen, hat ARRI bei seinem Verkaufsprogramm für nicht mehr fabrikneue Produkte den Terminus „pre-owned“ gemünzt und das grob ins Deutsche übersetzte „vorbesessen“ mit dem Qualitätslabel „certified“ ergänzt. Das sollte sämtliche Assoziationen mit Pannen-Pkw weit beiseite schieben können.
Das Certified Pre-owned Programm, kurz CPO, ist bei ARRI nicht nur eine Ansammlung von Begriffen. Vielmehr hat man bei diesem Geschäftszweig, der 2018 ins Leben gerufen wurde, dafür gesorgt, dass alle Geräte im ARRI-eigenen Service-Center im neuen Münchener Hauptquartier an der Herbert-Bayer-Straße sowie bei ARRI Lighting in Stephanskirchen nicht nur genauestens geprüft werden. Vielmehr werden zusätzlich alle Verschleißteile ausgetauscht und die Software auf den neuesten Stand gebracht. Außerdem bietet ARRI die generalüberholten Modelle mit der gleichen Gewährleistung wie bei Neuprodukten an.
Breites Spektrum
Grundsätzlich sind für das CPO-Programm alle von ARRI hergestellten Geräte qualifiziert. Das sind aktuell natürlich in erster Linie digitale Kameras von der Ur-ALEXA aufwärts bis hin zur ALEXA Mini LF, aber auch LED-Licht wie die Sky-Panels zählt dazu. Selbst analoge Filmkameras finden sich im CPO-Programm und kürzlich liefen gar zwei ARRI-Filmscanner durch das ARRI-Service-Zentrum. Zum Teil stammen Kameras, Objektive, Leuchten und Kamerasupportsysteme aus dem hauseigenen Demopool. Den anderen Teil machen Rückläufergeräte aus, die von Kunden beim Kauf von fabrikneuem Equipment in Zahlung gegeben werden und dann nach Prüfung und Aufarbeitung wieder in den Verkauf gehen.
Je nach Gerät kann allein die sogenannte Eingangsprüfung einen beträchtlichen Aufwand bedeuten. „In der Tiefe, wie wir bei ARRI Kameras, Objektive und Licht prüfen, kann das außer uns wahrscheinlich niemand“, erläutert Rainer Greif vom Camera Service in München. „Bei den SkyPanels zum Beispiel prüfen die Kolleginnen und Kollegen in Stephanskirchen jede einzelne LED messtechnisch und passen falls nötig die Steuerung so an, dass die Lichtverteilung und die Farbtemperatur genau stimmen. Auch bei den Kameras prüfen wir die Wiedergabe bis ins kleinste Detail. Wenn das nicht zu den gewünschten Ergebnissen führt, tauschen wir den Sensor aus. Der Kunde bekommt also beispielsweise eine Kamera, die zwar vielleicht äußerlich Gebrauchsspuren aufweist, aber technisch auf dem aktuellen Stand ist.“
Extreme Präzision
Die Expertise beim Aufspüren etwaiger Fehler und deren Behebung zeigt sich besonders in einem Komplex im zweiten Stock des ARRI-Gebäudes. Wer ihn betreten will, muss Reinraumkleidung anlegen. Hier ist Joachim Jäger für den Service und die Reparatur von ARRI-Objektiven verantwortlich. Bei ihm landen nicht nur die Objektive aus dem CPO-Pool zur Prüfung und gegebenenfalls Aufarbeitung, sondInterview ern auch jene unglücklichen Optiken, denen am Set irgendein Unheil zugestoßen ist. Meistens sind sie jemandem aus der Hand gefallen und brauchen dann neue Gehäuseteile und eine gründliche Neujustierung. „Der extremste Fall war eine Optik, die beim Fallschirmspringen an einer Helmkamera befestigt war“, erinnert sich Joachim Jäger. Dann hat sich durch einen unglücklichen Zufall beim Auslösen des Schirms der Helm gelöst und das Objektiv ist aus 2.000 Metern Höhe auf den Boden gefallen! Aber auch das haben wir reparieren können.“
Doch solche groben Unglücke sind Ausnahmen in seinem Arbeitsalltag. Bei der Prüfung und Justierung von CPO-Objektiven geht es oft um mechanische Unterschiede im Mikrometerbereich, die sich dann sichtbar auf die Wiedergabe eines Objektivs auswirken. Doch auch die Gängigkeit der Fokus- und Blenden-Einstellringe wird mit einem speziellen Messgerät numerisch ermittelt und falls nötig nachjustiert. Doch woher kommt die Expertise in diesem Bereich? „Für das, was wir hier machen, gibt es keine eigene Ausbildung“, sagt Joachim Jäger. „Die hier nötigen Kenntnisse und Erfahrungswerte kann man nur über Jahre on the job lernen!“ [15347]