18. Marburger Kamerapreis an Hélène Louvard
Der 18. Marburger Kamerapreis ging an Hélène Louvart. Am Vorabend der Verleihung sprach Alexandra Schüler mit der französischen Kamerafrau.(Bild: Achim Friederich)
Sie sind eine Bildgestalterin, die mit einer großen Bandbreite besticht. Würden Sie sagen, dass die Filmprojekte Sie finden oder doch eher Sie die Filmprojekte?
Ich würde sagen, die Filmprojekte finden mich. Aber natürlich treffe ich trotzdem stets eine Wahl, vor allem mit Fokus auf Skript und Regisseur. Ich habe zu keinem Zeitpunkt einen Film gemacht, den ich nicht machen wollte. Ich folge meiner Linie, auch wenn ein anderes Projekt aus finanziellen oder anderen Gründen von Vorteil sein könnte.
Ich habe mit Dokumentarfilmen angefangen. Wenn ich also zwischendurch keine Spielfilme drehen konnte, habe ich wiederum Dokus oder auch Kurzfilme gedreht. Ich musste niemals einem Job hinterherlaufen und war permanent in der Lage, meine eigene Wahl zu treffen. Zwar handelt es sich bei Dokumentar- und Spielfilmen um zwei unterschiedliche Kamerawelten, aber ich habe immer versucht, beide miteinander zu verbinden.
Sie haben mit den unterschiedlichsten Regisseuren in ebenso unterschiedlichen Welten gearbeitet. Können Sie das anhand von Agnès Varda und Wim Wenders erläutern?
Agnès kannte ich bereits viele Jahre. Sie mochte meine Arbeit in „Gibt es zu Weihnachten Schnee?“. Agnès liebt es, Dokumentarfilme zu drehen, aber sie wollte diesmal einen mehr erzählerischen Film machen – keinen Spielfilm, aber einen Film mit einer Geschichte. Und sie brauchte jemanden, der ihr das entsprechende Licht setzen konnte. Sie kontaktierte mich für „Les Plages d’Agnès“ außerdem, da sie wusste, dass ich mich in der Welt des Dokumentarfilms wohl fühlte.
Mit Wim war es etwas völlig anderes, da er nicht explizit nach jemandem suchte, der Dokumentarfilme machte. Stattdessen sollte es jemand sein, der in der Lage war, für „Pina“ das Licht so zu setzen wie es bei den Theateraufführungen des Wuppertaler Ensembles der Fall war. Es sollte ein DoP sein, der zwischen ihm und der französischen Crew von Stereographen saß. Er dachte wohl, dass es die Sache vereinfachen würde, wenn man so eng zusammenarbeitete und keinerlei Sprachbarrieren zu überwinden hätte.Ich traf ihn in Frankfurt, als ich für Dreharbeiten in Köln war und er hatte offensichtlich den Eindruck, dass es funktionieren konnte. Er wollte eine gewisse Flexibilität, um eine Ebene zwischen dem Filmteam und der Theaterkompanie von „Pina“ zu finden.
Hatten Sie Erfahrung mit dem Filmen in 3D?
Um die Wahrheit zu sagen: ich hatte vor „Pina“ überhaupt gar keine Erfahrung mit 3D. Ich wusste nicht einmal, dass man dafür zwei Kameras benötigte. Als ich Wim traf, hatten wir einen Drink und sprachen eine Weile. Dann fragte er mich: „Hélène, hast du schon mal in 3D gedreht?“ und ich sah ihn an und sagte: „Nein. Ich hab das noch nie gemacht.“ Irgendwie schien ihm gefallen zu haben, dass ich das geradeheraus zugab und er meinte: „Okay. Wir können das zusammen machen.“
Kannte er sich denn mit der Technik aus?
Die Stereographen waren verantwortlich für die 3D-Geschichte. Chef-Stereograph Alain Derobe zeigte mir, auf was ich achten musste. Abgesehen davon konnte ich die Arbeit tatsächlich ausführen, ohne etwas über 3D zu wissen. Wir mussten lediglich in der Lage sein, Hand in Hand zu arbeiten.
Um das Thema des letzten Kameragespräches heute, die Mise-en-scène von Dunkelheit, erneut aufzugreifen: Würden Sie sich selbst als Spezialistin für schwach beleuchtete Szenen oder Abstinenz von großen Lichtquellen bezeichnen?
Nun, natürlich wäre es extrem schwierig gänzlich auf Licht zu verzichten. Selbst, wenn es dunkel ist, arbeiten wir mit Licht. Aber es stimmt, ich mag die Dunkelheit, und dass man nicht alles zeigen muss. Ich habe als DOP auch keine Angst, die Dunkelheit einzusetzen. Allerdings muss ich im Auge behalten, dass ich nicht alleine bin und am Ende ein Publikum da ist, das den Film auch tatsächlich „sehen“ möchte.
Man sagt Ihnen nach, dass Sie es mögen neue Filmtechniken zu erforschen und sich dabei auch gerne neuester Technik bedienen.
Ich mag es tatsächlich, Neues rund um Kamera und Licht auszuprobieren – auch, um keine Angst zu haben, diese Tools einzusetzen. Ich arbeite mit Regisseuren sowohl aus meinem eigenen Land als auch vom anderen Ende der Welt zusammen. Aber das spielt keine Rolle, da wir die gleichen Mittel einsetzen, um eine Geschichte zu erzählen. Also kann es Super 8, Super 16, 35 mm oder digital sein, eine große oder eine kleine Kamera – völlig egal. Es ist immer, als habe man einen Stift und sitze vor einem weißen Blatt Papier.
Sie entdecken beim Betrachten Ihrer Filmszenen immerzu Dinge, die Sie heute ändern würden. Sind Sie mit Ihrer Arbeit quasi niemals fertig?
Das mache ich tatsächlich ständig. Manchmal sage ich mir, ich sollte das auf diese oder jene Weise machen und wenn ich es ändern könnte, würde ich es tun, da ich immer versuche unterschiedlich an Dinge heranzugehen.
Heute Morgen beispielsweise dachte ich bei verschiedenen Bildern „Hier sind wir zu weit weg, dort zu nah, hier zu warmes Licht, da zu bläulich …“ und dann möchte ich Dinge ändern. Zur gleichen Zeit möchte ich auch nicht zu sehr auf die vergangene Arbeit konzentriert bleiben und sage mir „mach deinen Job und danach liegt es beim Regisseur, beim Schnitt oder dem Publikum. Und an einem gewissen Punkt musst du loslassen.“
Welche Bedeutung hat es für Sie heute Abend die Laudatio von Héléna Klotz zu erfahren?
Für mich ist dies sehr wichtig. Héléna ist eine Regisseurin, wie ich sie stets suche. Sie weiß genau, was sie will und setzt es dann um. Wir mögen es beide beim Filmen einfach zu bleiben. Dass ich diesen Preis heute Abend bekomme, ist eine tolle Bestätigung für diese Art von Kino, die ich so sehr liebe. [5507]