Der Interessensverband Deutscher Schauspieler e.V. “IDS” und der Berufsverband Kinematografie “BVK” protestieren mit einem offenen Brief gegen die kürzlich erzielte Einigung bei Tarifverhandlungen zwischen der ver.di und der Produzentenallianz.
Die Gewerkschaft ver.di und die Produzentenallianz einigten sich zuletzt über einen neuen Tarifvertrag, mit dem Gagen sowie Beschäftigungsbedingungen für die nächsten vier Jahre festgeschrieben werden. Er gilt ab dem 1. April 2016 für alle auf Produktionsdauer beschäftigte Film- und Fernsehschaffende.
Gegen diese Einigung protestieren nun IDS und BVK mit einem offenen Brief und fordern alle stimmberechtigten Mitglieder im Tarifausschuss auf, “das erzielte Verhandlungsergebnis entschieden abzulehnen und substantielle Verbesserungen […] durchzusetzen”.
Der offene Brief:
Liebe Kolleginnen und Kollegen im Tarifausschuß,
bereits im September 2011 hatte der “Tagesspiegel” berichtet, daß die deutschen Filmschaffenden von amerikanischen Kollegen abfällig als „white Mexicans“ bezeichnet werden – und einen Insider zitiert, der die Situation in der Branche griffig beschreibt: „Es findet immer und überall Ausbeutung statt.“
Nun ist der „Durchbruch bei den Tarifverhandlungen für Filmschaffende“ gemeldet worden. Die Produzentenallianz gibt mit großer Erleichterung „die grundsätzliche Sicherung der 13. Stunde” bekannt und freut sich darüber, die “Anrechnung von Shuttlezeiten auf die Arbeitszeit” ebenso abgewehrt zu haben, wie “Veränderungen an den Arbeitszeitkonten” – und das alles zu einer “vernünftigen Laufzeit“ von fast vier Jahren.
Da muß es irritieren, wenn der Verhandlungsführer von ver.di davon spricht, ein “weiterer Schritt zur Eindämmung überlanger Arbeitstage” sei durchgesetzt und man habe Tariferhöhungen erreicht, die „sich im Branchenumfeld sehen lassen können”. Gemeint ist eine Erhöhung der Tarifgagen ab April 2016 um sage und schreibe 30 EUR pro Woche. Ein lächerlicher Schritt, der den gefühlten Stillstand ökonomisch umsetzt.
In der Tat ist der Abschluß dieses Tarifvertrages nichts anderes als die Festschreibung des Status der deutschen Filmschaffenden als „white Mexicans“. Weitere vier (!) Jahre wird mit Hilfe der „Bereitschaftszeitlüge“ – also der fiktiven Annahme von tatsächlich garnicht existierenden Bereitschaftszeiten – grundsätzlich 13 Stunden legal gearbeitet werden können, wobei Shuttlezeiten und andere Zeiten, die eigentlich Arbeitszeit sind, wie z.B. Zeiten der Darsteller in der Maske, noch nicht einmal berücksichtigt werden. Das ist mehr als ärgerlich: es ist skandalös!
Zudem mutet der Tarifabschluß geradezu grotesk an, nachdem abermals versäumt worden ist, geeignete Kontrollmechanismen zu vereinbaren, um wenigstens die Einhaltung dieser höchst bescheidenen tariflichen Regelungen sicherzustellen.
Wir fordern daher alle Stimmberechtigten im Tarifausschuß persönlich auf, das erzielte Verhandlungsergebnis entschieden abzulehnen und substantielle Verbesserungen in den folgenden Bereichen durchzusetzen – entweder per Nachverhandlung, oder aber nötigenfalls auch über den Weg einer Schlichtung:
a) eine signifikante und in der Praxis kontrollier- und durchsetzbare Verkürzung der Arbeitszeiten für Film- und Fernsehschaffende
b) keine Anerkennung fiktiver – sondern ausschließlich tatsächlich anfallender und dokumentierter – Bereitschaftszeiten
c) Anerkennung von Rüstzeiten, Vor- und Nacharbeiten, Shuttlezeiten, Maskenzeiten der Darsteller und sonstigen Zeiten, welche die Arbeitsgerichte bereits als Arbeitszeiten anerkannt haben, als tatsächliche ARBEITSzeiten
d) eine adäquate Abänderung der Arbeitszeitkonten zugunsten der Filmschaffenden, mindestens aber eine Wiedereinsetzung des AZK 40/40, also der Anrechnung jenseits der 40sten Arbeitsstunde auf das AZK
e) die Vereinbarung geeigneter Kontroll- und Durchsetzungsinstrumente, um die Einhaltung der tariflichen Regelungen – insbesondere der Arbeitszeiten – zu sichern
f) die Vereinbarung einer Laufzeit von höchstens zwei Jahren, um auf zukünftige Mißstände (die in dieser Branche an der Tagesordnung sind) zeitnah reagieren zu können
g) Verzicht auf die Benennung vermeintlich neuer Tätigkeitsbilder in der Gagentabelle ohne Not und ohne Abstimmung mit den zuständigen Fachverbänden. “Datawrangler HD” und “Materialassistenten” sind unsinnig und überflüssig, da es “Datenassistenten” und “2. Kameraassistenz” bereits in der Gagentabelle gibt
Es zeigt sich an alledem, daß die ver.di immer weniger willens und in der Lage ist, sich für die tatsächlichen Belange und Nöte von Filmschaffenden einzusetzen. Einknicken vor der Phalanx der Sender und Produktionswirtschaft sowie bloßer gewerkschaftlicher Machterhalt sind das traurige Resultat. Wer einen solchen Tarifvertrag unterschreibt, sollte sich nicht Gewerkschafter nennen dürfen!
Mit kollegialen Grüßen,
Vorstand des IDS – Interessenverband Deutscher Schauspieler e.V.
Vorstand des BVK – Berufsverband Kinematografie e.V.