Tonmeister Volker Zeigermann im „Hinter der Kamera“-Podcast
Ohne Bewegung kein Ton
von Timo Landsiedel,
Auch der Ton gehört zu den Gewerken jenseits der Kamera. Im „Hinter der Kamera“- Podcast war deshalb Tonmeister Volker Zeigermann zu Gast. Mit Gastgeber Timo Landsiedel sprach Zeigermann in unserer Ausgabe 6.2022 darüber, wo die Gestaltung des Tons beginnt, warum er sein Unternehmen gründete und was ein Projekt mitbringen muss, damit er heute noch als Tonmeister aktiv wird. Außerdem geht es im Podcast um Werke aus seiner Karriere, unter anderem über seine dokumentarischen Arbeiten und die Improfilmreihe von Jan-Georg Schütte.
Volker Zeigermann hört genau hin. Das macht er nur noch selten am Set, dafür umso mehr in seinem Unternehmen Zeigermann_Audio. Es muss schon ein besonderes Projekt sein, das ihn technisch und gestalterisch herausfordert, um ihn zurück an Mikrofone und Mischpulte zu bringen. Dazu gehören die improvisierten Formate von Regisseur Jan-Georg Schütte wie die mit dem Grimme-Preis ausgezeichnete Mediatheken-Serie „Für immer Sommer 90“ von 2021, die ihren Sog auch in der 88-minütigen Spielfilmfassung nicht verliert. Doch den Alltag verbringt Volker Zeigermann mit seinem Team damit, Tonleute bei ihren Projekten zu unterstützen. Manchmal geschieht dies durch die jahrzehntelange Erfahrung, die er einbringt, manchmal durch die Auswahl der Ausrüstung – und sehr oft durch beides.
Hospitant in der Messtechnik
Dabei war der Weg zur Firma nicht vorgezeichnet, nicht einmal der zum Ton. „Ich bin ein klassischer Quereinsteiger“, sagt Volker Zeigermann. „Bin auch ein ewiger Student gewesen.“ Er begann in den 1980er Jahren ein Studium der Kunstpädagogik an der Hochschule für bildende Künste HfbK in Hamburg, machte selbst freie Kunst, Performances und besuchte philosophische Vorlesungen. „Und parallel – ich musste ja irgendwie Geld verdienen – habe ich Musik gemacht“, sagt der Tonmeister. Da er deshalb ein wenig vom Ton verstand, kam ein Kommilitone aus der HfbK auf ihn zu und fragte, ob er für dessen Abschlussfilm Ton machen wolle. „Irgendwie fiel mir das leicht“, sagt Zeigermann. „Und für mich eröffnete dieses Hören – ein Mikrofon hinhalten und einen Kopfhörer aufsetzen – für mich einfach eine komplett neue Welt, die ich so noch gar nicht gedacht hatte.“
Schnell rührte sich in ihm der Wunsch, diese Tätigkeit zu professionalisieren. Er wählte den Weg über eine Hospitanz in der Messtechnik des Norddeutschen Rundfunks. „Ich wollte einfach wissen, wie das technisch funktioniert“, sagt Volker Zeigermann. „Und das Erstaunliche war, ich war ja in Mathe und Physik immer so 4 minus bis 5 minus: Plötzlich konnte ich solche Berechnungen ohne Probleme machen.“ Zeigermann erklärt sich diesen Wandel so, dass das Abstrakte aus dem Mathematikunterricht nun plötzlich einen konkreten Sinn hatte. Als Kunsthochschulstudent war er in der Messtechnik eine Ausnahmeerscheinung. Laut Zeigermann galten dort die üblichen Vorurteile gegenüber Künstlern. „Und dann kam da plötzlich so einer, der da wirklich Interesse hat“, so Zeigermann. Das beeindruckte sogar seine Ausbilder. „Das war eine schöne Zeit!“
An heutigen Ausbildungssituationen bemängelt Zeigermann, dass viel zu klar sei, in welche Richtung sich die Ausbildung und damit die Studierenden bewegen. „Das war bei mir eigentlich gar nicht so“, sagt er. „Ich habe den unheimlichen Luxus gehabt, zu entscheiden: Das bringt mir Spaß, das interessiert mich, da bewege ich mich weiter hin.“ Mancher Teil der Ausbildung fehlte ihm allerdings und das nahm er später in der professionellen Arbeit durchaus als Manko wahr. Viele seiner Kollegen konnten Partituren lesen, was er sich nebenher selbst aneignen musste. Der persönliche Spaß und das eigene Interesse sollte laut Zeigermann immer die Triebfeder für eine Ausbildungssituation sein.
Er führte also die Setarbeit nach der Hospitanz fort. „Und ich habe sehr schnell gemerkt, den Leuten gefiel das, wie ich mit denen am Set umgegangen bin bei den studentischen Produktionen und es kamen immer mehr Anfragen“, so Zeigermann. Das Studium wurde immer weniger wichtig. Dafür ging Zeigermann dann als Freiberufler zum ZDF und war in EB-Teams für den Ton in der täglichen Berichterstattung verantwortlich. Hier lernte er, wie er selbst sagt, das Handwerk, die Technik zu beherrschen und vor allem auch wie man schnell arbeitet.
Drei Kriterien
Schon damals steckte er das verdiente Geld in Projekte, die weniger gut bezahlt wurden. „Wo ich mich weiterbilden konnte, viele Leute kennenlernen, austauschen, reden, machen – learning by doing klassisch.“ Zeigermann kam schnell an den Punkt, wo die Anfragen an ihn sein Zeitkontingent überstiegen. So formulierte er Kriterien, die ein Projekt mitbringen muss, damit er es annimmt. „Es muss mich technisch voranbringen, also mir Erfahrung bringen. Es muss mich inhaltlich interessieren, weil nur mit dem inhaltlichen Interesse kann ich dann auch etwas technisch umsetzen – und es muss entsprechend bezahlt werden.“ Von diesen drei Punkten musste am Anfang einer stimmen. Das entwickelte sich hin zu zwei Punkten und irgendwann sagte er sich: „Nun gut, ich muss ja davon auch leben.“ Außerdem hatte er schon früh eigenes Equipment angeschafft und setzte hier auf verlässliche Technik, die gerade in den 1980er und 1990er Jahren noch sehr viel höhere Preise aufrief.
Der Austausch mit anderen Tonleuten, das stete Weiterlernen und das Kommunizieren am Set sieht Zeigermann als zentral für seinen Weg an. Das Kommunizieren sei im digitalen Zeitalter umso wichtiger geworden, sagt er. „Zu Zeiten von Film hatte jeder sein eigenes Geheimnis, wie er Mikrofone versteckt in der Kleidung und – um Gottes Willen – das wurde nicht erzählt, das war sehr hermetisch“, so Zeigermann. Die Kommunikation hat sich mit der Digitalisierung deutlich verändert und ist viel offener geworden.
Gleichzeitig hat das Tempo der Produktion stark angezogen, so dass Probesituation am Set entfallen und der Ton viel schneller bereit sein muss. „Früher wurde die Kamera eingerichtet, da hatte man Zeit sich auf den Raum einzustellen, dann kamen die Schauspieler ans Set und haben geprobt, parallel stand die Mikrofonierung und konnte angepasst werden. Und die Zeit hattest du auch“, sagt der Tonmeister.
Die Digitalisierung spielte sich natürlich auch auf dem Feld der Tonaufzeichnung ab und spiegelte sich in den Workflows wider. Anfang der 1990er Jahre war diese Entwicklung im Audiobereich deutlich weiter als die des digitalen Bildes zu der Zeit. Die größte Herausforderung war hier die sichere Speicherung der Daten. Die erste digitale Nagra kam Anfang des Jahrzehnts, auch der DAT-Rekorder wurde im Filmton genutzt. Zeigermann war hier Pionier und setzte am Set von „The Prince of Jutland“ von Regisseur Gabriel Axel den ersten kompletten digitalen Workflow durch. Es folgten viele Projekte innerhalb der 1990er Jahre. Schon früh begann der Tonmeister, zwischen Dokumentar- und szenischen Projekten abzuwechseln.
Einige Jahre später war das Arsenal an Tonequipment so stark angewachsen, dass er einen Verleih gründete. Dabei ging es ihm wieder einmal weniger um die Umsätze aus dem Verleih als um den Austausch mit anderen Tonleuten. Heute ist Zeigermann_Audio über die Grenzen ihrer Heimatstadt Hamburg hinaus bekannt. Denn der Austausch hört für die Tonexperten nicht an der Stadtgrenze auf. [15217]