Gestoppte Dreharbeiten und wegfallende Honorare sind das größte Problem von vielen Selbstständigen in der Filmbranche. Werbe-Regisseur Tobias Stubbe hat mit „Quarantinos“ ein Projekt ins Leben gerufen, das es Filmschaffenden einiger Gewerke ermöglichen soll, aus der häuslichen Isolation heraus Produktionen zu fahren.
Was hat dich zur Gründung von Quarantinos motiviert?
Nachdem sich die Corona-Krise und damit verbunden die Auflagen für Produktionen sehr schnell verschärft haben, habe ich auch in meinem privaten Umfeld gesehen, wohin das führt. Ich habe viele Schauspielerinnen, und Schauspieler, Kameraleute und andere Gewerke im Freundeskreis, teilweise auch mit Familie. Deren wirtschaftliche Existenz ist jetzt bedroht. Gleichzeitig stehe ich ja vor derselben Situation und muss auch für mich selbst Perspektiven entwickeln. Es ist also nicht nur Altruismus. Außerdem habe ich einen Hang dazu, für Situationen, die mir nicht gefallen, Lösungen zu suchen!
Welche Funktionen übernimmt die Plattform?
Einmal wollen wir Ideengeber für potenzielle Kunden oder deren Agenturen sein. Die stehen ja, genau wie wir Dienstleister, auch vor einer unklaren Situation und wissen nicht so genau, wie ihre Produktionen unter den aktuellen Umständen realisiert werden können. Es gibt ja durchaus Agenturen und Unternehmen, die genau jetzt für ihre Lösungen werben wollen und müssen, zum Beispiel Streamingdienste oder Einrichter von Home Offices. Denen wollen wir signalisieren: Wir haben hier eine Idee und eine Infrastruktur, die das möglich machen kann.
Unsere zweite Funktion: wir erfassen Filmschaffende, die nicht von Drehverboten betroffen sind, weil sie zusammen wohnen oder von zuhause arbeiten und auch über Technik verfügen. Da wohnt etwa ein DoP mit einer Schauspielerin zusammen, oder mit einem Regisseur. Von diesen Haushalten haben sich etwa 100 bei uns gemeldet.
Trotzdem darf ja im Prinzip noch produziert werden, etwa in Studios, wenn die Auflagen der Behörden bei der Produktion befolgt werden können. Die beschriebenen Kleinproduktionen wären also zumindest theoretisch im gewohnten professionellen Rahmen möglich.
Ja, aber wir möchten mit quarantinos.de eine Situation antizipieren, in der das demnächst möglicherweise nicht mehr möglich sein wird. Größere Außenproduktionen werden verboten, aber selbst Drehs mit Teams in Studios sind fragwürdig. Da stellt sich für mich auch immer die moralische Frage. Speziell werbende Unternehmen müssen da sehr auf einen möglichen Imageschaden achten. Oberste Priorität sollte immer die Gesundheit haben, aber danach kommt für uns das wirtschaftliche Überleben der Selbständigen. Dafür versuchen wir, mit quarantinos.de eine Plattform zu bieten.
Welche Gewerke haben sich überwiegend gemeldet?
In der Regel sind das Schauspielerinnen, und Schauspieler, die mit DoP oder Filmemacherinnen und Filmemachern im weiteren Sinn zusammen wohnen. Also Menschen, die Licht setzen und filmen können, zusammen mit Darstellerinnen und Darstellern. Dazu kommen noch einmal etwa 300 Menschen, die querfeldein alle Gewerke vertreten, zum Beispiel Postpro- und CGI-Profis. Mit der Ansprache von professionellen Filmschaffenden möchten wir trotz der limitierenden Umstände möglichst professionelle Produktion anstoßen. Wir wollen nicht noch mehr vor den weißen Wänden aufgenommene Handyvideos, nicht noch mehr „Selfie-Realität“.
An welche Genres denkt ihr? An abendfüllende Spielfilme wohl eher nicht.
Zunächst an einfache Werbung, Commercials, Social Spots. Es geht durchaus auch darum, für die beteiligten Filmschaffenden jetzt kurzfristig Aufträge und Cash zu generieren. Man muss bei solchen Projekten nicht in die aufwändige Stoffentwicklung gehen. Eine einfache Idee, die heute entwickelt wird, kann bereits in der nächsten Woche realisiert sein. Wir haben aber auch schon Vorschläge für Fiction und den dokumentarischen Bereich bekommen.
Welche technischen Voraussetzungen müssen gegeben sein, um sich bei euch anzumelden?
Bei den Kameraleuten protokollieren wir sehr genau die vorhandenen Kameras, das Licht, die Tonausstattung. Wenn sechs Haushalte zusammenarbeiten, muss die Technik ja matchen. Fehlende Ausstattung kann dann über einen Rentalpartner privat angeliefert werden. Interessant für uns sind Leute, die ansonsten manchmal etwas belächelt werden in der Branche: die Allrounder. Menschen, die viel Hands-on-Erfahrungen mit Bild, Licht und Ton haben.
Wie wollt ihr verhindern, dass quarantinos, zu einer Art von Clickworker-Sweatshop verkommt und Auftraggeber anfangen, die Plattform zu nutzen, um noch billigere Dienstleister zu finden?
Das kann ich mit einem Satz beantworten: Bei uns wird nach Tarifvertrag bezahlt. Da bleiben wir konsequent.
Das klingt, also ob ihr auch das Fullfilment und die Abrechnung der über euch gebuchten Leistungen übernehmen werdet.
Das ist tatsächlich momentan noch komplett unklar. Die Initiative ist ja erst eine Woche alt. Wir suchen gerade noch einen Produzenten, der mit seiner GmbH einsteigen und solche Themen komplett abwickeln könnte. Gleichzeitig suchen wir nach Online-Kooperationstools, die wir andocken können, weniger um die komplette Produktion vernetzt abzubilden, sondern eher um eine Kommunikation zwischen den verschiedenen produzierenden Haushalten zu bekommen.
Wir sind weder ein neues Branchennetzwerk wie crew united oder casting-network, mit denen wir kooperieren, noch ein neuer Technologieanbieter für vernetzte Online-Produktion. Wir wollen keines dieser Räder neu erfinden, sondern eher kooperieren. Vor allem wollen wir in dieser Phase ein Ideengeber sein. [12424]