Der Wettbewerb der Streamingdienste ist in vollem Gange. Und doch sehen viele Netflix als Sieger der sogenannten „Streaming Wars“. Ist das wirklich so? Worum genau geht es dabei und wieso haben wir uns als Kameramagazin in unserer Ausgabe 4.2024 darum gekümmert?
Der Krieg ist vorbei. Wie wünschen wir, diese Zeile zu zwei anderen Themen aus den täglichen Nachrichten vermelden zu können. Doch leider geht es „nur“ um die Streamingdienste. Und was an der Behauptung dran ist, wird sich noch zeigen. Da konnte einem Anfang Januar ganz schwummrig werden. Plötzlich sprang einem in jedem Online-Titel der Medienbranche mindestens eine Headline entgegen, Netflix habe die Streaming Wars gewonnen. Variety, Times, Reuters und auch Fortune sowie Financial Times stießen ins selbe Horn. Irgendetwas musste geschehen sein, dass alle gleichzeitig diesen finalen Ausgang erkannten. Was war der Auslöser für diesen Hype? Schrieben vielleicht am Ende alle etwas herbei, was keiner wirklich verstanden hatte? Oder zieht Netflix tatsächlich an seinen Mitbewerbern vorbei?
Streaming Wars
Nochmal ganz von Anfang: Was sind überhaupt die so genannten „Streaming Wars“? Um was wird gefochten? Wer sind die Kontrahenten? Zu Beginn der 2010er Jahre kam mit Netflix ein Player auf den Markt, der vergleichsweise schnell von einem DVD-per-Post-Verleih zum Video-on-Demand-Dienstleister aufstieg. Die Struktur des Angebots und die rapide Durchsetzung am Markt hatten auf viele althergebrachte Player eine disruptive Wirkung. Netflix ist es zu verdanken, dass ARD und ZDF mittlerweile mal mehr, mal weniger gutprogrammierte Mediatheken haben. Auch die Formate der Jugendplattform FUNK sind auf Netflix‘ Marktauftritt zurückzuführen. Laut Digitalverband Bitkom gab 2016, also knapp zwei Jahre nach der Markteinführung von Netflix in Deutschland, die Hälfte der Streamingnutzer zu Protokoll, dass sie aufgrund der Streamingangebote weniger lineares TV nutzten. Ein Viertel erklärte sogar, ganz auf lineares Fernsehen verzichten zu können. Diese Zahlen stiegen mit der Zeit.
Vor allem aber drangen Mitbewerber auf den Markt, die sich entweder schon in Position gebracht hatten, wie Amazon, die ihren eigenen DVD-Post-Verleih LoveFilm mit dem Videodienst Prime verschmolzen und 2014 Amazon Prime Video gründeten. Erst 2019 kam mit Disney+ eine komplette Neugründung dazu, die den Markt aufmischte, weil sie eine immense Anzahl an Inhalten wie Star Wars, Pixar oder Marvel mit sich brachte. Amazon Prime Video und Disney+ stellen bis heute die wichtigsten Netflix-Konkurrenten um die Gunst der Zuschauerabos dar. Paramount+, AppleTV+ und die weiteren Dienste ziehen zwar nach, sind aber von den drei großen Streamern weit entfernt.
Doch ins Unendliche werden die Zahlen nicht wachsen. Denn die Anzahl der Abos, die sich der durchschnittliche Haushalt leisten kann, ist begrenzt. Im Juli 2023 veröffentlichte Bitkom einen Rückgang der Ausgaben für kostenpflichtigen Videostreaming-Diensten um 14 Prozent auf durchschnittlich 15,70 Euro. In 2021 waren das noch 22 Euro. Im gleichen Jahr nutzte laut Bitkom fast ein Drittel mehr als drei Streaming-Abonnements. Das war vor der teils massiven Preiserhöhung aller Anbieter. Hauptkriegsschauplatz ist also der Kampf um die Marktanteile, also die möglichen Abonnements. Um diese zu erreichen, muss das Programm attraktiv sein. Das versuchte vor allem Netflix in der Vergangenheit mit seinen berühmten Originals, exklusiven und daher attraktiven Eigenproduktionen, zu erreichen. Das hat der Anbieter auch bitter nötig.
Denn die Hauptmitbewerber Disney+ und Amazon Prime Video haben relevante Intellectual Properties und Inhaltspakete im Besitz – nicht etwa nur unter Lizenz. Netflix hingegen muss alles, was nicht selbst in Auftrag gegeben wurde, teuer lizenzieren. So ist der zweite Schauplatz die Profitabilität. Denn dauerhaft Schulden machen, ist keine gute Idee. Da sinkt der Marktwert, was bei einem börsennotierten Unternehmen, das Netflix nun einmal ist, schnell in eine Abwärtsspirale münden kann. Um die Bilanz bei aller Film- und Serienproduktion im Griff zu behalten, gab es 2022 und 2023 Entlassungen.
Funfact Netflix
Netflix wurde 1997 gegründet, damals als DVD-Verleih per Post. Raten Sie mal, wann Netflix den Versand von DVDs einstellte? Das war im April 2023 – kein Witz!
War is over?
Letztlich sind es drei Meldungen, die für viele Beobachter nahelegen, dass die Marktgunst aktuell bei Netflix liegt. Im Dezember berichtete Variety, dass die letzte Bastion des House-of-the-Mouse jetzt gefallen ist. Die schon angekündigte Offenheit von Disney-CEO Bob Iger, auch Disney-Inhalte anderen Streamingdiensten zu lizenzieren, schlug sich in einem Deal mit ausgerechnet Netflix nieder. Insgesamt sollen innerhalb des laufenden Jahres 14 Sendungen aus dem Walt-Disney-Portfolio auf Netflix zu sehen sein. Darunter sind auch Dauerbrenner wie „Lost“, „How I Met Your Mother“ oder „Grey‘s Anatomy“. Ob für die Zukunft auch die wohl gehüteten Animationsklassiker oder Inhalte aus den Star-Wars- und Marvel-Universen ihre Exklusivität verlieren werden, ist noch unklar, aber nicht mehr grundsätzlich ausgeschlossen. [15431]