Filmemacherin Shamila Lengsfeld erstellt Proof-of-Concept mit KI-Tools
Schnelle kreative Anstöße
von Timo Landsiedel,
Wer professionell pitcht und Projekte anstößt, kennt die Mengen an Arbeitszeit, die viel zu oft nicht vergütet werden. Die Filmemacherin Shamila Lengsfeld hat sich in letzter Zeit intensiv mit KI-Tools auseinander gesetzt, mit denen sich Zeit und Geld sparen lassen. Wir haben im Heft 7–8.2024 ihren Workflow am atmosphärischen Proof-of-Concept „Echoes from the Abyss“ vorgestellt.
Eine Höhle in der Antarktis, eine junge Forscherin auf den Spuren ihres Vaters: Bizarre, schwebende Köpfe mit leuchtenden Augen. Als die junge Frau zurück in der antarktischen Forschungsstation in die Probe auf ihrem Labortisch schneidet, beginnen die Kopfkreaturen zu schreien. Das Geräusch geht durch Mark und Bein.
Das Proof-of-Concept trägt den Namen „Echoes from the Abyss“. Kenner des Werks von Horrorikone H.P. Lovecraft werden Motive aus seinem Werk „Berge des Wahnsinns“ wiedererkennen. Der Roman entstand 1931 und wurde 1936 erstmals veröffentlicht. Die Berliner Filmemacherin Shamila Lengsfeld ließ sich 90 Jahre später davon inspirieren und holte dabei nicht nur den Stoff in die Gegenwart, sondern nutzte überwiegend die Hilfe von KI-Werkzeugen, um ihr Proof-of-Concept umzusetzen.
Nerdy
Lengsfeld ist Jahrgang 1990 und setzte sich schon im Alter von 13 Jahren im kommunalen Kino ihrer Heimatstadt Konstanz mit Film auseinander. In einem Filmclub stellte sie mit anderen Jugendlichen unter anderem Genrefilmprogramme für Jugendliche zusammen. Mit 16 lernte sie das Vorführen auf einem 35-mm-Projektor. Daran anschließend machte sie eine Ausbildung zur Filmtheaterkauffrau und wurde mit knapp 20 Jahren Filmvorführerin und Assistenz der Filmtheaterleitung. Mit 21 zog sie nach Köln und studierte Digital Filmmaking am SAE Institut. 2016 schloss sie mit dem Bachelor ab.
Ein Schwerpunkt des Studiums ist das Erlernen von Compositing und Visuellen Effekten. „Ich bin sehr nerdy und war schon immer sehr interessiert an neuer Technologie“, sagt Shamila Lengsfeld. „Ich habe dann auch für meine eigenen Filme, die Indie und Science-Fiction waren, die visuellen Effekte selbst gemacht – auch aus Budgetgründen.“
Nach dem Studium bildete sich Lengsfeld weiter fort, sowohl in der VFX-Richtung als auch im Regieführen. So ging sie ein halbes Jahr nach Los Angeles und vertiefte ihre Regiefähigkeiten am dortigen Ableger der renommierten New York Film Academy. Nach ihrer Rückkehr drehte sie ihren ersten Science-Fiction-Kurzfilm, „Blake“, der 2017 auch prompt den Deutschen Nachwuchsfilmpreis gewann. „Das hat dann auch mein Mindset und meine Motivation bestätigt, dass man heutzutage auch mit kleinen Mitteln visuell und technologisch viel erreichen kann.“
Prompt-Beispiel
Dieser Prompt führte zum Bild ganz oben:
„A horror comic book still of [a hand grabbing the alien cocoons hanging from the ceiling of a dark ice age cave, the alien cocoons are biolumiscent from a dark thick slimy material and scary appearance], [greenish-blue hazy colors], [natural light source from the top of the cave] [close up] [low angle], [clear bold lines], [scary environment], [ar 16:9]“
Mit künstlicher Intelligenz setzte sich die Filmemacherin erstmals 2023 auseinander, als ChatGPT 4.0 erschien. „Da- vor hatte ich auch diese alte ,Terminator‘-Dystopie im Kopf, dass AI irgendwann die Weltherrschaft an sich reißen und die Menschheit zerstören wird“, scherzt Lengsfeld. Doch mit der Beschäftigung kam die Erkenntnis um die Chancen von KI und dass diese vielleicht schnelle, kreative Anstöße generieren kann.
KI-Tools
Lengsfeld testete zunächst die Fähigkeiten von ChatGTP als Schreibpartner. Auf der inhaltlich-kreativen Ebene funktionierte das für sie nicht. Der nächste Schritt waren die Text-to-Image-Generatoren wie deren bekanntester Vertreter MidJourney. Hier setzte sie sich erst mal intensiv mit den verschiedenen Elementen eines Prompts auseinander. Sie sah das Potenzial für eine Vereinfachung ihres Ideen- und Pitchprozesses und machte sich auf die Suche nach weiteren Tools, die sich für ihr Vorhaben als relevant und effektiv erweisen könnten.
In der zweiten Jahreshälfte 2023 entwickelte Lengsfeld von der Lovecraft-Idee ausgehend ein Proof-of-Concept und erarbeitete sich einen Workflow mit verschiedenen KI-Tools. Dabei verwendete sie Midjourney zum Generieren von Bildern, Runway Gen2 für Kamera- und Objektbewegung, Topas Labz zum Hochskalieren der Ergebnisse, ElevenLabs zum Generieren von Stimmen für die Voice-Over sowie Aiva zum Generieren von Musik. Lengsfeld setzte alle Plattformen oder Softwares mit kostenpflichtigen Lizenzen oder Abonnements ein, denn die kostenlosen Varianten erwiesen sich als zu eingeschränkt für ihre Zwecke.
Workflow
Lengsfeld recherchierte, sammelte und kam so zu einem Grundskript mit Beschreibungen der einzelnen Bilder des Films. Lengsfeld traf früh die Entscheidung, einen Animationsfilm pitchen zu wollen. Die Idee sollte in einem Animationsstil gepitcht werden, nicht im fotorealistischer Live-Action-Stil. „Dann muss ich gucken, welches ist die beste Strategie, um diese Idee in den Tools umzusetzen“, so Lengsfeld. „Welche Elemente sind für den Prompt wichtig, möchte ich mich vom Allgemeinen zum Besonderen bewegen oder umgekehrt?“ So erarbeitete sie sich eine Prompt-Struktur, die für ihre Zwecke funktionierte. Diese durchlief einen Prozess von 40 bis 50 Iterationen.
Wichtig waren für sie die Prompt-Elemente für das Setting, den Stil, die Farben und Texturen, das Licht, Kameraeinstellung und Einstellungsgrößen sowie sogar spezifische Angaben zu Brennweiten, Objektiveigenschaften und genutztem Kamerasensor. Man kann die KI über den Prompt „consistency“ sogar dazu zwingen, nicht ständig liebgewonnene Stile zu verändern. Lengsfeld entwickelte zu Anfang grundlegende Bilder, zum Beispiel ihrer wiederauftauchenden Figuren, und bezog sich in den weiteren Iterationen auf diese Library. [15460]