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Ein Blick in die Brüsseler Hinterzimmer

DSGVO: So entstand die Langzeit-Doku „Democracy“

Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der Europäischen Union ist in aller Munde. Der Dokumentarfilm „Democracy – Im Rausch der Daten“ begleitete die Entstehung des Gesetzes und gibt einen intensiven Einlick in die politischen Prozesse in Brüssel. Birgit Heidsiek sprach mit Regisseur David Bernet und Kameramann Clemens Winterbauer über die Herausforderung des Projekts für die Ausgabe 1-2/2016. Die Dokumentation ist aktuell in der ARD-Mediathek verfügbar.

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(Bild: © Indi Film – Marcus Winterbauer)

Endlich ein europäisches Datenschutzgesetz, das die Rechte der Bürger stärken soll. Über diesen Gesetzesentwurf, den die damalige EU-Kommissarin Viviane Reding 2012 auf den Weg gebracht hat, verhandeln seit dem Sommer 2015 der EU-Parlamentarier Jan Philipp Albrecht, der Ministerrat und die Kommission in Brüssel. Der Dokumentarfilmregisseur David Bernet hatte bereits von zehn Jahren die Idee, einen Film über den Gesetz – gebungsprozess auf EU-Ebene zu drehen. „Ich habe 2009 mit meinen Recherchen in Brüssel begonnen. Bei vielen Gesprächen mit diversen EU-Vertretern wurde mir geraten, für einen Film über die moderne EU das Thema digitale Gesellschaft zu wählen“, berichtet Bernet.

Zwei Jahre Recherche

In der Vorbereitungsphase musste er den EU-Vertretern zunächst seinen Ansatz vermitteln und Vertrauen schaffen. „Ich habe angekündigt, dass ich eine Langzeitdoku drehe, in der ich nicht tagesaktuell berichte und somit keinen Einfluss auf das Geschehen nehme“, erläutert der Regisseur. „Durch meine thematische Recherche kannte ich viele Parlamentarier.“ Die Kommission war hingegen über ihre Speaker ansprechbar, während er im Rat die Transparenzstelle und Sprecher des Rates konsultierte, um in den Hinterzimmern filmen zu dürfen. Hier dürfen herkömmliche Journalisten mit ihren Kamera-Teams nicht drehen. „Ich hätte diesen Film nie begonnen, wenn es seitens der europäischen Institutionen und an dem Prozess beteiligten Politikern nicht die Bereitschaft dazu gegeben hätte“, unterstreicht Bernet, der nach seinen zweijährigen Recherchen in Brüssel Anfang 2012 mit den Dreharbeiten begann, die sich über zweieinhalb Jahre erstreckten. Dabei entstanden rund 200 Stunden Rohmaterial.

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Hat den Look des Films geprägt: Hauptkameramann Clemens Winterbauer (Bild: Clemens Winterbauer)

Seine Vorstellung, dort in verschiedenen Drehphasen mit einem Team zu filmen, ließ sich jedoch nicht realisieren. „Ich musste die verschiedenen Ebenen und Zeitabläufe im Parlament, der Kommission und dem Ministerrat im Auge behalten, um zu wissen, mit wem und wo es sich lohnt, zu filmen.“ Das hatte zur Konsequenz, dass er nicht mit einem festen Kamera-Team drehen konnte, sondern Kameraleute engagierte, die verfügbar waren, wenn spontan ein Anruf bezüglich des Gesetzesentwurfs bei ihm einging.

„Mental war ich permanent in Brüssel. Zeitweise hatte ich eine Wohnung direkt hinter dem Parlament gemietet, weil ich davon ausgegangen war, dass während der irischen Ratspräsidentschaft im Sommer 2013 ein Kompromiss gelingen würde.“ Insgesamt waren vier Hauptkameraleute am Film beteiligt, mit denen er jeweils rund zehn Tage gedreht hat, zusätzlich sieben weitere Kamera-Team. Neben François Roland, Dieter Stürmer und Ines Thomsen gehörte Marcus Winterbauer dazu, der mit David Bernet bereits den preisgekrönten Dokumentarfilm „Raising Resistance“ über Kleinbauern in Paraguay gedreht hatte.

Neue Bilder für Brüssel

„Ich bin ein Kameramann, der sehr stark die Menschen ins Zentrum setzt. Die Geschichten, die sie erzählen sind mein Motor“, sagt Winterbauer. „,Democracy‘ war ein sehr ungewöhnliches Projekt: Ein Langzeitgeschichte, die ausschließlich in Sitzungssälen stattfindet, war eine Herausforderung, weil dabei alles fehlte, was sich Kameraleute wünschen.“ Vor dem Dreh schaute er sich gemeinsam mit dem Filmemacher die Räumlichkeiten in den verschiedenen Gebäuden an. „Ich bin mit einem Frame- Leader in 16:9 und Cinemascope durch die Räumlichkeiten gelaufen. Wir haben uns für das schmalere kinohafte Westernbild in Cinemascope entschieden, da es bei diesem Projekt darum ging, die Menschen hervorzuheben“, erläutert der Kameramann.

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Filmemacher David Bernet recherchierte zwei Jahre, bevor er sich in die Hinterzimmer Brüssels wagte. (Bild: Birgit Heidsiek)

Bei den Filmaufnahmen war es Bernet wichtig, die klassischen EU-Ikonographie zu brechen. „In den Nachrichten sind immer dieselben Bilder von den Fahnenmasten, Glasfassaden und den vorfahrenden Limousinen in Brüssel zu sehen. Wir haben auf eine andere Ästhetik gesetzt. In Cinemascope gewinnen die uninteressanten Büroräume eine grafische Qualität.“ Bereits beim Sichten der Aufnahmen empfand der Regisseur die dort dominierenden Blau-, Grau- und Ocker-Töne als unangenehm. „Ich habe im Schnitt monochrom gearbeitet. Dadurch erfolgt eine Konzentration auf die Persönlichkeiten, die Gesichter und das Geschehen in den Gesichtern.“ Auf diese Weise werde der Betrachter nicht durch die Farben im Hintergrund abgelenkt: „Die Farben besetzen Synapsen und nehmen einen gewissen Prozentsatz der Aufmerksamkeit – ohne Gegenleistung.“

Nur nicht stören

Gedreht wurde der komplette Film mit der Canon C300. „Wir haben nicht mit anamorphotischen Linsen gearbeitet, sondern mit den normalen EF-Mount-Linsen, die für die Kamera angeboten werden“, berichtet Winterbauer. „Es war das erste Mal, dass sich dort ein Team filmisch aufhalten durfte. Wir haben mit einer Drei-Personen-Crew gearbeitet, um nicht als Störfaktor wahrgenommen zu werden.“ Da die Canon C300 sehr klein und extrem lichtstark ist, konnte auf den Aufbau von Licht verzichtet werden. „Aufgrund der langen Akkulaufzeiten und langen Aufzeichnungszeiten war das für mich die ideale Kamera für diesen Film“, betont der Kameramann, der überwiegend Foto-Objektive der Canon L-Serie (24–70 mm / 2,8, 70–200 mm / 2,8) einsetzte. „Wir haben invasive Techniken vermieden, um unauffällig zu bleiben“, bestätigt Bernet, der in einigen Situationen sogar den Raum verlassen und das Gespräch nur über Kopfhörer verfolgt hat, während der Kamera- und der Tonmann sich hinter den Geräten verstecken konnten. „Bei den intimen Gesprächen der Schattenberichter musste der Kameramann nah an die Personen heran“, sagt der Regisseur. „Dadurch haben wir ein große Authentizität geschaffen.“

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Mit monochromer Ästhetik die Persönlichkeiten in den Mittelpunkt rücken. Hier ein Szenenbild mit dem Wirtschaftsanwalt Tanguy van Overstraeten. (Bild: © Indi Film – Adrian Stähli)

Oftmals hat das kleine Team die EU-Vertreter stundenlang in Sitzungen beobachtet und aus allen Blickwinkeln gefilmt, ohne absehen zu können, ob sich eine interessante Konstellation ergibt. „Die Situation bei den Drehs im Sitzungssaal war mitunter mit den Filmaufnahmen einer Natur-Doku vergleichbar. „Wir haben dort stundenlang gesessen und mussten mithören“, sagt Bernet und fügt hinzu: „Wir haben stundenlang hochkonzentriert vor dem Fuchsbau gewartet bis der Fuchs herauskommt.“


Indi Film GmbH

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„Democracy“ lief ab dem 12. November 2015 im Kino.

Arek Gielnik und Dietmar Ratsch setzen sich seit der Gründung des Unternehmens im Jahr 2001 für Projekte ein, die nicht nur unterhalten sollen, sondern im besten Fall Denkanstöße geben und zum gesellschaftlichen Diskurs beitragen. Das ist nicht etwa ihre persönliche Aussage, sondern lässt sich nahezu lückenlos an der Auswahl der Themen ihrer Produktionen belegen. Ob sie die Liebe im Seniorenalter thematisieren, einen Blick in die Unterwelt der Hell’s Angels werfen oder das Leben der Menschen porträtieren, die den Amoklauf von Winnenden verarbeiten müssen. Stets entstehen beeindruckende, manchmal auch kontroverse, Produktionen. Das fanden auch viele Jurys und verliehen den Produzenten neben Deutschem Fernsehpreis oder Goldener Taube des DOK Leipzig im Jahre 2012 auch den Grimme Preis für „Alarm am Hauptbahnhof – Auf den Straßen von Stuttgart 21“ unter der Regie von Sigrun Köhler und Wiltrud Baier.

Democracy – Im Rausch der Daten“ lief im November 2015 im Kino, ist aktuell auf DVD und Blu-ray sowie als Video-on-Demand erhältlich und lief am Mittwoch in der ARD. In der ARD-Mediathek ist die preisgekrönte Dokumentation noch bis zum 23. Mai 2019 verfügbar.

www.indifilm.de

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