DoP Berti Kropac über die Herausforderungen bei Automotive-Drehs
Stets von der Pole-Position
von Uwe Agnes,
Berti Kropac hat mit seinem Unternehmen Kropac Media eine besondere Expertise für Automotive-Drehs entwickelt und ist stets ganz vorn dabei, neue Technologien einzusetzen. Er hat uns für die Ausgabe 4.2024 erzählt, wie es dazu kam.
Als Berti Kropac 16 Jahre alt ist, muss der Steuerberater seiner Eltern eingreifen: So gehe es nicht weiter! Der Bub verdiene viel zu viel, findet er, und eine ordentliche Gewerbeanmeldung müsse her. Zu diesem Zeitpunkt ist „der Bub“ schon geschlagene acht Jahre im Filmgeschäft unterwegs, zwar nicht unbedingt als Kameramann, so doch als Kameraknabe und später Kamerajüngling. „Ich habe wirklich schon als kleiner Junge Filme gemacht und mit Werbung angefangen“, erinnert sich Berti Kropac. Themen und Kunden findet er in der Nachbarschaft. „Da war der Metzger aus Fürth, der in seinem Laden ein VHS- Band im Dauerloop laufen lassen und zeigen wollte, wie er Würste und Leberkas selber herstellt. Also habe ich das gedreht. Für Wöhrl habe ich Modenschauen gefilmt, die sie dann im Laden über einen Beamer laufen ließen. So bin ich von einem zum nächsten weitergereicht worden, immer über Mund-zu-Mund-Propaganda.“
Lernen durch Misserfolg
Die Erlöse aus seinen Werbefilmen nutzt Berti Kropac, um in die neuste Kameratechnik zu investieren und aufzurüsten. „Ich habe neben der Schule bei einer Firma gearbeitet, die U-Matic Highband hatten. Da konnte ich mir die Kamera ausleihen, aber irgendwann stand bei mir zu Hause dann die erste Betacam-Kamera, die ich mir gekauft habe.“ Die Ausrüstung will genutzt sein und so schaltet er in unserem Heft eine Anzeige, die ihn als Kameramann mit eigenem Equipment empfiehlt. Da hat der Bayerische Rundfunk gerade gewisse Engpässe bei Drehteams. Man wird auf die Anzeige aufmerksam und kurz darauf klingelt das Telefon: Der BR will Berti Kropac buchen. „Ein Freund musste mich dorthin fahren, weil ich ja noch keinen Führerschein hatte“, sagt der DoP. „Ich war 1993 gerade mal 17 Jahre alt und wohl der jüngste Kameramann, den der Bayerische Rundfunk jemals gebucht hat. Die waren sehr erstaunt, als ich da ankam! Aber es kann so schlecht nicht gewesen sein, denn ab da wurde ich immer wieder vom BR gebucht.“
Manches lernt Kropac auf die harte Tour. Besonders prägend war hier ein Dreheinsatz mit dem damaligen Ministerpräsidenten von Bayern Edmund Stoiber. „Schau bloß, dass der Stoiber immer im Bild ist!“ lautet das Briefing und der junge Kameramann nimmt es wörtlich: „Also habe ich den Stoiber gefilmt von dem Moment an, wo er aus der Limousine gestiegen ist, wie er eine Brauerei eröffnet hat und wieder ins Auto einstieg. Ich habe kein einziges Mal weggeschwenkt!“ Danach ist eine Betacam-Kassette voll mit 36 Minuten Edmund Stoiber.
Zurück im Sender ruft sein Material blankes Entsetzen hervor. Denn Berti Kropac hat mit dem Ministerpräsidenten nonstop im Sucher natürlich keine Schnittbilder gedreht. „Ich dachte nur ,du meine Güte‘… Ich war doch so stolz , dass ich ihn immer im Bild hatte! Ich habe mich dann mit in den Schnitt gesetzt und so gelernt, was man alles an Material braucht, um diese Beiträge zu schneiden“, so Berti Kropac. „Das habe ich von da an jeden Tag gemacht. Jedesmal, wenn ich gebucht war, habe ich mich nach dem Dreh noch in den Schnitt gesetzt und habe denen zugeguckt. Dadurch habe ich eine wirklich steile Lernkurve hingelegt.“
Hinaus in die Welt
Eigentlich möchte Berti Kropac danach seine selbst erworbenen Kenntnisse durch ein Studium vertiefen. „Aber das hätte mir zu lange gedauert, schließlich wollte ich praktische Erfahrungen sammeln, einfach drehen und die Welt erkunden. So bin ich beim Fernsehen gelandet – und in den 1990er Jahren war das wirklich eine gute Zeit dort.“ Kropac hört aus der Branche, in Berlin würden dringend Kameraleute gesucht. Er wechselt dorthin, dreht viel für die privaten Sendeanstalten, reist für Produktionen um die Welt und und dreht auch regelmäßig für ein TV-Automagazin. Das ist die erste Begegnung mit einem Sujet, das ihn durch seine komplette weitere Karriere faszinieren und beschäftigen soll. „Dort habe ich Spaß daran gefunden, Autos zu drehen! Wenn die Automobilhersteller ein neues Modell präsentiert haben, dann wurden Kameracrews aus der ganzen Welt eingeladen, an tolle Orte geflogen und dann konnte man dort dieses Auto drehen“, ist der DoP noch heute begeistert. Wieder fällt er auf. „Da muss irgendwer gesagt haben ,Ok, der ist wirklich talentiert und hoch motiviert‘ – jedenfalls kam dann eine Anfrage von Porsche, ob ich zwei Jahre lang die Entwicklung des Cayenne, des ersten SUV von Porsche, ein supergeheimes Projekt, begleiten wollte!“
Berti Kropac will. „Ich war dann wirklich zwei Jahre lang mit den Entwicklern und Ingenieuren unterwegs. Die Kamera sollte ohne Einschränkungen dabei sein, wenn das Auto überall auf der Welt erprobt wurde. Das waren wirklich tolle Locations und dort bekamst du Motive geliefert, an die ich bis dahin nicht herangekommen war, Alaska oder Ayers Rock in Australien beim Sonnenuntergang. Das hat mir unglaublich gut gefallen.“
„Vorsprung durch Technik“
Die Porsche-Produktion erweist sich als Ritterschlag für Kropacs Arbeit in der Automobilbranche. Doch Kropac Media wird immer nur durch Agenturen gebucht, direkte Aufträge von den Herstellern sind schwierig. Das ändert sich erst, als 2010 die Porsche-Konzernschwester Audi an den DoP herantritt. Dort ist man beeindruckt davon, dass Kropac Media in der Lage ist, inhouse 4K-Produktionen zu stemmen. „Audi kam mit dem Vorschlag, einen Rahmenvertrag mit mir aufzusetzen“, fasst der Kameramann zusammen. „Daraufhin ist meine Firma in kürzester Zeit von zwei auf 28 Angestellte gewachsen und es ging richtig rund: Messefilme, Showroom-Filme und es ging auch immer darum, die neueste Technik auszuprobieren und einzusetzen, was mir immer schon Spaß gemacht hat. Das war dann auch ganz offiziell gewünscht! Es hieß ,Wir wollen Vorsprung durch Technik und das wollen wir auch in unseren Filmen.‘ Also haben wir unter anderem die ersten 4K-Filme in 50p für die großen LED-Wände auf der Internationalen Automobil-Ausstellung IAA produziert.“
Ein großes logistisches Problem bei den Automobilfilmen stellten aus dem Innenraum gedrehte Fahraufnahmen dar. Natürlich hätte das Team auf das im Prinzip bewährte Verfahren des Drehs auf einem Trailer und auf einer echten Straße zurückgreifen können. Das hat jedoch so seine Tücken und ist oftmals mit vielen Einschränkungen verbunden. „Eigentlich klingen solche Aufnahmen immer relativ simpel, aber sie bedeuten einen Riesenaufwand“, erläutert Berti Kropac. „Jemand fährt, man muss möglichst viel vom Innenraum sehen, dazu kommen die ganzen Infotainmentsysteme, die du featuren musst. Also fährst du vielleicht durch Los Angeles, mit Zugmaschine und vier Motorrad-Polizisten, Licht von außen mit einem Segel über dem Trailer, der Hintergrund ist perfekt, die Sonne leuchtet in die Häuserschlucht, aber dann macht der Schauspieler einen Fehler und der magische Moment ist vorbei! Da musst du wieder einmal um den Block fahren und hoffen, dass es von der vielleicht einmaligen Lichtstimmung her noch einmal passt.“
So gerne Berti Kropac Autos dreht – das ist eine Disziplin des Genres, dessen zeitlicher Aufwand ihn auch abschreckt. Fortan dreht er die Fahraufnahmen vor Greenscreen im Studio und plant entsprechend viel Zeit in der Postproduktion ein. Doch auch dieses Verfahren hat Nachteile, wie der DoP aus eigener Anschauung lernt. „Greenscreen hat mich auch nicht so richtig glücklich gemacht“, sagt er dazu. „Die Schauspieler sehen halt nur grün, und obwohl ich in der Inszenierung mit allen Tricks gearbeitet habe, war es sehr mühsam, eine realistische Lenkbewegungen hinzubekommen, die nachher in der Post zu den Backplates passen würde. Es war halt wieder extrem viel Arbeit, wenn die Greenscreen-Aufnahmen wirklich gut aussehen sollten.“
Der Weg zum Volume
Als dann jedoch bei einer Produktion der geplante Abgabetermin um zwei Wochen nach vorn rückt, findet Kropac mit der ihm eigenen Kombination aus Technologieaffinität und unternehmerischem Mut eine Lösung, die sich in Konsequenz als wegweisend für die weitere Entwicklung seines Unternehmens erweisen sollte. „Plötzlich fehlten mir zwei Wochen für die aufwendige Greenscreen-Postproduktion der Fahraufnahmen aus dem Innenraum“, blickt er zurück. „Wir konnten aber auch nicht mit dem Trailer drehen, weil wir die Außenaufnahmen und die Plates für die Hintergründe schon in den USA gedreht hatten. Zwischenschnitte und POVs der Talents sollten in Spanien entstehen, wo wir auch gerade waren. Aber wir hatten ja schon die Backplates gedreht, die standen uns also zur Verfügung!“
Also schickt Berti Kropac seinen Aufnahmeleiter in den nächsten Elektronik-Fachmarkt. Er soll die zwei größten LED-Fernseher kaufen, die dort vorrätig sind, und er kommt mit einem 65-Zoll und einem 75-Zoll-Gerät zurück. Damit improvisiert das Team in Verbindung mit den schon gedrehten Backplates die Hintergründe für die Innenaufnahmen. „So konnten wir die typischen Einstellungen etwa von der Beifahrerseite auf die Fahrerseite oder auch von vorne frontal durch die Windschutzscheibe mit jeweils den Monitoren im Hintergrund realisieren, die wir genau so kadriert haben, dass man die Ränder nicht sah.“
Natürlich gibt es unvorhergesehene Probleme wie etwa die hochspiegelnden Oberflächen der Fernseher, was das Team aber mit viel schwarzem Molton und leicht geneigten Monitoren in den Griff bekommt. Das improvisierte Verfahren kostet zwar den Gegenwert von zwei großen Fernsehern, die zu dieser Zeit noch sehr teuer waren, spart aber letztlich zwei Wochen Postproduktion und bringt bei Kropac Media das Thema „LED-Volume“ aufs Tapet – genau zum richtigen Zeitpunkt. „Das war ein echter Segen, als 2020 Corona kam“, so der DoP. „Wir hatten viele Spots in der Planung, zum Beispiel einen, in dem ein Volkswagen-Bus an einem Strand stehen sollte. Das sollte wegen Corona alles gecancelt werden, weil unsere Konzepte als in der Pandemie nicht realisierbar eingestuft wurden. Wäre das tatsächlich geschehen, hätte das für Kropac Media bedeutende Umsatzeinbußen bedeutet.“ Berti Kropac entscheidet sich für die Flucht nach vorn und investiert kurzfristig in eine LED-Wand. Bei der Finanzierungsanfrage bei der Hausbank hilft die Tatsache, dass mit „The Mandalorian“ gerade eine LED-Volume-Produktion populär ist. „Es ging ja um eine mittlere sechsstellige Summe für eine Samsung Wall von ungefähr 3 × 5 Meter Größe. Aber ich habe es wohl überzeugend dargelegt, dass entweder sofort alles stillsteht oder aber wir mit dem Volume weiterproduzieren können.“
KM | Studios
Die KM | Studios von Berti Kropacs Unternehmen Kropac Media bieten eine vollklimatisierte Umgebung für Werbefilme, Fotoproduktionen, Spielfilme, Produktpräsentationen und Live-Events. Eine 6-Meter-Drehscheibe mit einer Tragfähigkeit von 3,5 Tonnen ermöglicht 360-Grad-Ansichten von Autos und anderen Objekten vor einer Hohlkehle. Das Studio für virtuelle Produktionen verfügt über eine 4,8 × 2,7 Meter große LED-Wand mit 1,2-mm-Pixel- pitch, 4K-Auflösung und Ncam-Tracking-System. Die Studios haben außerdem das TISAX-Label. Hierbei handelt es sich um einen vom TÜV geprüften Sicherheitsstandard des Verbandes der deutschen Automobilindustrie (VDA). Somit dürfen dort Fahrzeuge und Fahrzeugteile mit höchster Geheimhaltungsstufe gedreht werden.
Das Volume wird eingerichtet, mehrere Tonnen Sand landen im Studio und der VW-Spot am „Strand“ kann wie geplant gedreht werden. Das spricht sich bald herum: „Beim Berti kannst du drehen, hieß es, Corona hin oder her! So haben wir eine echt existenzbedrohende Situation zum Guten gewendet. Da war die LED-Wand ein großer Segen und so haben wir während Corona komplett durchproduzieren können.“ Der DoP nutzt das Volume mittlerweile nicht nur für Automotive-Produktionen, sondern beispielsweise auch für die Werbespots des Kropac-Media-Kunden Playmobil. „Es gibt kaum eine Produktion, in der wir das Volume nicht nutzen“, konstatiert der Kameramann. „Wir haben hier mittlerweile auch einen Teil einer Flugzeug-Kabine stehen, mit Innenwänden und Sitzreihen, und dann kann man draußen den Himmel vorbeiziehen lassen.“
Reale Welten
Bei aller Faszination für neue Technologien und virtuell erschaffene Welten hat Berti Kropac immer noch ein Faible für die reale Welt. „Ich finde, wenn wir ein Auto in der Werbung zeigen, wie es zum Beispiel sehr sportlich auf der Rennstrecke fährt, dann sollten wir dies auch real drehen und nicht im Studio vor der LED-Wand. Das wäre sonst nicht aufrichtig!“
Doch die Möglichkeiten der neuen Technologien bleiben verlockend. „Jetzt beschäftigen wir uns mit KI, ob und wie wir dies für unsere tägliche Arbeit nutzen können“, blickt Kropac in die Zukunft „Ein interessanter Gedanke ist auch, die Arbeit im Virtual Production Studio mit KI-Unterstützung zu verbinden. Wie schön wäre es einfach zu sagen: ,Bau mir einen Strand, während einem Gewitter, hohe Wellen, am Himmel ein bunter Zeppelin, der mit dem stürmischen Wetter kämpft, am Strand galoppiert eine Horde Einhörner, durch ein Loch in den Wolken formt sich ein dicker Sonnenstrahl. Und zack – ist es auf der LED-Wand. Das wäre toll. Schauen wir mal, wann es so weit ist – wir bleiben dran!“ [15434]