Innovation aus der Heimat (13): Porträt der Carpetlight GmbH aus Hamburg
Textiles Hightech
von Redaktion,
Flexible LEDs gibt es viele, Smart Textile LEDs nur einmal. Die Gründer von Carpetlight in Hamburg realisierten erst in der Entwicklung, dass sie hier innovatives Neuland betraten: mit Textilien permanent verbundene LEDs, ohne klassische Platinen, passiv gekühlt, extrem flexibel, waschbar und höchst zuverlässig. Die CL-Serie wird mittlerweile an zahlreichen Sets eingesetzt und ist zu einem Standard in Deutschland geworden. Götz Schmidt zur Nedden erzählte uns für unsere Ausgabe 3.2020, wie das möglich war.
„To boldly go where no man has gone before.“ Bei Carpetlight in Hamburg ist dieses Star-Trek-Zitat nicht nur eine leere Phrase. Auch wenn den Gründern zu Anfang nicht bewusst war, was sie da starten. 2013 hatten die Oberbeleuchter Götz Schmidt zur Nedden und Till Sadlowski die Idee, eine textile LED-Leuchte zu bauen. In der Folge mussten sie sehr schnell feststellen: Wenn sie textile LED-Lösungen entwickeln wollten, kamen sie nicht mit einer oberflächlichen Beschäftigung davon. Sie mussten tief in die Forschung einsteigen. Echte Innovation halt.
Wenn, dann richtig
Beide lernten sich zwischen 1998 und 1999 an Hamburger Filmsets kennen. Schmidt zur Nedden fing mit einem Praktikum bei Cine-Licht an, machte dann viele Fernsehfilme und Werbeproduktionen als Beleuchter. Schon früh gehörten er und Sadlowski zu immer wieder zusammen arbeitenden Lichtteams. Mitte der 2000er Jahre waren beide häufiger auch bei internationalen Großproduktionen in Potsdam-Babelsberg im Einsatz. Hier arbeiteten sie in den Lichtcrews von Filmen wie Robert Schwentkes „Flight Plan“, Roman Polanskis „Ghostwriter“ oder „V for Vendetta“ von den Wachowski-Schwestern.
Als Fachleute im Licht- und Elektronikdepartment wussten die Gründer von Carpetlight um die Einsatzschwierigkeiten von herkömmlichen LEDs und den Wünschen von Oberbeleuchtern bei großen Produktionen. Dann hielten sie 2013 erstmals ihrer Meinung nach gut funktionierende LED-Streifen in den Händen. „Da haben Till und ich überlegt, ob man sich daraus nicht eine leichte Leuchte bauen kann“, sagt Schmidt zur Nedden. Viele der ihnen bekannten Geräte nutzten die Vorteile der LED-Technologie, näm- lich geringe Größe und Gewicht, noch zu wenig konsequent aus. Auf der Suche nach möglichen Wegen, die Konstruktion einer eigenen Leuchte zu bewerkstelligen, stießen sie auf eine grundlegende Erkenntnis. „Wir stellten fest, dass wir keine Chance haben, wenn wir uns nicht wirklich tief mit dem Stand der Technik beschäftigen“, so Schmidt zur Nedden. Entweder, sie würden die technologischen Grenzen selbst verschieben oder sie würden es sein lassen. Sie entschieden sich für die erste Option. 2014 traten sie in Hamburg an die Hamburgische Investitions- und Förderbank IFBHH heran. Dort schlug man die junge Firma Carpetlight für ein Förderprogramm vor, das für hohe Innovation mit starkem Risiko eines Scheiterns vorbehalten ist. Innerhalb von neun Monaten brachte sie diese Unterstützung bis zu einem Prototypen.
Der textile Weg
Heraus kam die CL-Serie. Hierbei handelt es sich um eine Leuchte, deren Herz die LED-bestückten Miniaturleiterplatten darstellen. Diese werden durch eine Hülle aus höchst strapazierfähigem, reißsicherem und dennoch sehr leichtem Polyamidgewebe geschützt. Die einzelnen LED-Leiterplatten sind durch Leitfäden verbunden, deren Material auf Kevlarfasern beruht. Diese werden aufgestickt, mit Technologien, wie sie auch in der Herstellung von Spitzenstoffen zum Einsatz kommen. Auf der Lichtaustrittsseite schützt ein spezielles 3D-Gewebe die LEDs vor Beschädigung, ein weiterer Spezialstoff vergrößert durch seine optische Eigenschaften die Leuchtfläche. Die passive Kühlung der LEDs erreicht das Team durch ein patentiertes System mehrlagiger Textilkomponenten.
Dabei bleiben die Leuchten leicht. So wiegt der reine Leuchtkörper des CL44 bei einer Größe von 1.235 × 1.215 Millimetern und einer Dicke von unter 10 Millimetern gerade mal knapp 1,5 Kilogramm. Die Spannungsaufnahme der CL-Serie liegt zwischen 12 und 36 Volt, denn den Entwicklern war wichtig, nicht nur die Spanne zwischen 12 und 24 Volt abzubilden. Der CRI bei 6.000 K ist 95, bei 2.800 K 97, der TLCI-Wert ist 97. Die Leuchten sind stufenlos dimmbar und über DMX-Kontrollen auch per Funk steuerbar. Tester hatten die CL-Leuchten bereits in der Arktis und in der Wüste dabei, Einsatztemperaturen von –20 bis +60 Grad Celsius sind verbürgt.
Elektronische Stickerei
Um die Innovation des Produkts nachzuvollziehen, muss man sich anschauen, was bisher im Bereich Smart Textile möglich war. Zentral für den von Carpetlight vorangetriebenen Durchbruch war die Entwicklung von Lahnlitzen. Das ist die Wicklung von hauchdünnen Fäden um einen tragenden Faden. Diese waren bereits in den späten 1990ern und frühen 2000ern Grundlage von am Ende nie umgesetzten Beleuchtungspatenten. Auf Grundlage der Kunststickerei, mit der auch Leonische Waren aus feinstem Messingdraht im Mittelalter hergestellt wurden, waren bereits seit den 1940er Jahren elektronische Schwingspulen oder Kabel gefertigt worden. Es gab zudem Forschungsprojekte, die Erkenntnisse zu Anwen- dungen mit textilen Oberflächen unter Verwendung von leitenden Fäden und Pailletten einerseits sowie dehnbaren Leiterplatten eingekapselt in thermoplastischem Polyurethan andererseits erworben hatten. Zusammengebracht mit der Entwicklung der Miniatur-LEDs legte das die Grundlage, auf der Schmidt zur Nedden, Sadlowski und ihr Team nun begannen weiter zu forschen.
„Das hatten viele versucht, aber aufgegeben, weil es sehr aufwändig ist“, sagt Schmidt zur Nedden. „Wir haben in der Prototyp-Phase festgestellt, dass wir das auf jeden Fall auf textiler Basis machen wollen.“ Schmidt zur Nedden erläutert, dass fast alle flexiblen LED-Lösungen mit der Zeit eine Sollbruchstelle entwickeln. Die Leiterplatten sind zwar sehr dünn und durchaus erstaunlich biegsam, aber das hält nicht ewig. Der textile Weg war also vorgegeben, Innovationen auf dem Gebiet gab es durchaus, wenn auch bisher noch nicht in einer vergleichbaren Anwendung. Die Hamburger machten sich auf die Suche nach Kooperationspartnern und fanden in dem Schweizer Unternehmen Forster Roh- ner einen Partner, der sein Portfolio von dekorativer auf elektronische Stickerei (e-Broidery) erweiterte.
Entwicklung
Nur dieser Weg versprach den beiden Entwicklern eine absolut zuverlässige Performance der LEDs bei höchstmöglicher Flexibilität der Leuchte. „Die Zuverlässigkeit war tatsächlich das Hauptproblem in der Entwicklung“, sagt Götz Schmidt zur Nedden. „Ziel war es, dass die LEDs so zuverlässig sind, dass wenn eine ausfällt, nicht gleich die Hälfte mit ausgeht.“ Dieses Ziel ist bei Ausfällen im Promillebereich längst weit überschritten. Mittlerweile gibt es in der CL-Serie sechs Produkte in verschiedenen Größen. Eine neue Broadcast- Reihe wurde im Herbst 2019 vorgestellt und soll im Früh- jahr in den internationalen Vertrieb gehen. Dennoch bleibt es eine Herausforderung, die Produkte weiterzuent-wickeln. Im Hamburger Stadtteil Bahrenfeld, wo Carpetlight die Büro- und Fertigungsräume hat, sind dafür zwei Entwickler zuständig. Hinzu kommt eine Wissenschaftlerin, die eng mit den Entwicklern zusammenarbeitet. Noch immer kooperieren die Konstrukteure mit Forschungsprogrammen und Studiengängen zu textiler Elektronik und Smart Textile. Denn es wird immer noch Grundlagenforschung im Bereich smarter Textilien betrieben. Schmidt zur Nedden fasst das zusammen: „Es ist leider immer noch so, dass wir nicht jemanden anrufen können und fragen: Wie habt ihr das denn gemacht.“ Der Geschäftsführer schätzt, dass der Teil des Umsatzes, den das Unternehmen jährlich zurück in die Entwicklung steckt, um die 40 Prozent liegt. [11914]