Über 100 Filme im Jahr: Interview mit Professor Slansky (1/2)
von Interview: Julian Reischl, Artikel aus dem Archiv
Die HFF München hat als einzige Filmschule Deutschlands einen Technikprofessor. Julian Reischl traf für die Ausgabe 5/2016, den Leiter der Abteilung II, Professor Dr.-Ing. Peter C. Slansky, und sprach mit ihm über Ausstattung und Lehrkonzept.
Herr Professor Slansky, wie kam es, dass es an der HFF eine eigene Technik-Professur gibt?
Peter C. Slansky: Das Besondere an der HFF München und der Abteilung II Technik ist, dass wir die einzige Filmhochschule sind, wo diese Einheit von Lehre, Produktions- und Postproduktionsbetrieb gegeben ist. Dies ist ein großer Vorteil, denn man entlastet die künstlerischen Abteilungen. Hier an der HFF werden ja im Jahr weit über 100 Filme gedreht, viele in voller Länge. Viele mit voller Unterstützung der Fazilitäten der Hochschule, egal ob es Schnitt, Color- Grading, Ton, Finishing oder sonst etwas ist. Von der Komplexität her sind wir sehr viel anspruchsvoller geworden.
Das ist spannend, aber nicht immer ganz einfach, bei den ständigen Innovationen mitzukommen und die ganzen Workflows zu erfinden. Kamerahersteller lassen einen ja mitunter mit ihren Produkten alleine. Zum Beispiel kommt da eine neue Kamera auf den Markt, aber es wird keine passende LUT mitgeliefert. Es gibt Kombinationen aus Settings, die zum Zeitpunkt der Auslieferung noch nicht funktionieren. Teilweise merken sie die Probleme erst durch Rückmeldungen der Anwender, und das sind teilweise wir als Erste, da wir sehr früh Kameras testen, auch wenn wir sie nicht kaufen.
Vor sechs Jahren zog die HFF aus Giesing ins Kunstareal. Als Leiter der Abteilung Technik waren Sie in den Bau und die technische Ausstattung involviert. Was waren die Herausforderungen?
Wir hatten die wahnsinnig tolle Möglichkeit, alle Innovationsschritte der Medientechnik, die es zu dieser Zeit gab, eins zu eins umsetzen zu können. Es war unglaubliches Glück, genau in dieser Zeit gebaut zu haben. Und es war ja ein ziemlich langer Prozess: Im Jahre 2004 gab es den Architekturwettbewerb. Wir mussten dann im Jahre 2005 entscheiden, was für Technologie wir im Jahr 2011 in Betrieb nehmen wollen. Das ist natürlich schwierig.
Mit diesem Schritt haben wir gleich die komplette Umstellung auf Full HD vollzogen, auf DCI Compliant Cinema, und auf Tapeless-Produktion. Die SD-Formate sind nur noch aus historischen Gründen vorhanden. Auch haben wir hier Vollvernetzung, wobei es komplett getrennte Netzwerke für Büro und Produktion gibt. Die Lichttechnik in den Studios ist der aktuelle Stand der Technik. Wir haben 2011 übrigens das allererste LED-Studio der Welt bekommen, gebaut von ARRI Lighting Solutions aus Berlin. Gerade war die L7-Serie von ARRI erschienen, Stufenlinsenscheinwerfer, vergleichbar mit 800 W Halogen. Nun haben wir im kleinen Fernsehstudio ausschließlich LEDBeleuchtung, in den anderen Studios haben wir LED als zusätzliche Lichtquelle.
Ein klassisches Innenraum- Set im großen Filmstudio.°
Wie sehen Sie denn die Weiterentwicklung von LED? Kann man bei 20-kW-Scheinwerfern – zum Beispiel – mit einer LED-Version rechnen?
Noch gibt es die nicht in LED. In der Zwischenzeit ist aber schon viel passiert. Aber gerade Lichttechnik ist ja ein langlebiges Investitionsgut. Es macht einen Riesenunterschied, ob man einen 1000-W-Halogen- oder einen 240-WLED- Scheinwerfer betreibt – vom Energieverbrauch her, aber auch allem anderen, zum Beispiel der Wärmeentwicklung.
Gibt es Neuerungen, die Sie noch gerne abgewartet hätten?
Nein, wir sind zufrieden. Natürlich ist es immer so, dass, wenn man etwas kauft, der Nachfolger bereits so gut wie marktreif ist. Wir hatten das Glück, dass das Bauprojekt einen langen Zeitraum gebraucht hat; zwischen Architekturwettbewerb und Einzug sieben Jahre. Hätten wir auf der grünen Wiese gebaut, wäre das Ganze in zwei Jahren durch gewesen, und wir hätten ganz schnell sagen müssen, was wir wollen. So aber konnte man die Planungs – arbeiten mit einer gewissen Gründlichkeit während des normal laufenden Universitätsbetriebes durchführen. Und nebenher haben alle Mitarbeiter der Abteilung Technik mit an diesen Planungen gesessen, zusammen mit den Fachplanern und mit dem Bauamt. So waren wir in der Lage, sehr konsequent zu planen.
Wie genau muss man denn bei so etwas vorgehen?
Das Planen war ein sehr abgestufter Prozess. Wir mussten zuerst selbst wissen, was wir wollen. Wir haben also ein Raumverzeichnis aufgestellt, das alle gewünschten Räume erfasst, zusammengefasst in einem Buch. Es enthält auch Organigramme, also funktionale Zuordnungen. Welche Räume befinden sich sinnvollerweise neben welchen anderen, welche sollten getrennt sein? Wir wollten dem Architekten nicht dreinreden, sondern haben nur gesagt: „Das muss rein, so soll es in etwa funktionieren.“ Auch die Flächen wurden von uns vorgegeben, und da wir in den diversen Räumen lehren können wollen, haben wir uns die Quadratmeterzahlen erarbeiten müssen. Die Studios haben sich an Giesing orientiert. Dort hatten wir zwei, jetzt haben wir vier. Und sie sind praktisch ständig ausgebucht.
Von diesem Raumbuch haben wir 20 Exemplare erstellt und dem Bauamt gegeben. Die waren hocherfreut, denn sie hatten noch nie einen Nutzer, der so genau darüber nachgedacht hatte, was er eigentlich wollte. Darauf bin ich sehr stolz. Denn uns hatte keiner gesagt, wie man das macht. Stellen Sie sich beispielsweise ein Filmarchiv vor. Der Architekt muss ja wissen, dass das fensterlos sein sollte und dass es da um Themen wie Feuerschutz, Umluft, einen restriktiven Zugang und so weitergeht. Irgendwer muss das ja festlegen.
Eine Filmhochschule, das geht, aber ein Flughafen wie BER ist nicht zu schaffen …
Da war aber auch eine kriminelle Firma beteiligt. Bei uns hat das Bauamt eine Vielzahl von Einzelfirmen beauftragt, sowohl für die Planung als auch für die Ausführung. Wenn Sie einen Generalanbieter zum Beispiel für Gebäudetechnik haben, dann sind Sie dem auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Das wollten wir absolut nicht, das Bauamt ebenso wenig. So kam es, dass der Bereich der Medientechnik in Einzelgewerken ausgeschrieben wurde. Alles wurde ausgeschrieben. Die Schnittstelle zwischen den Ausschreibungen war nicht trivial. Im Studio kann man genau sehen, bis wohin die Ausschreibung des Bauamtes ging und ab wo die Ausschreibung der Hochschule einsetzt. Das eine ist Bauprojekt, das andere Erstausstattung. Aufgrund dieser Erfahrungen und unserer Vorabbesuche aller Filmhochschulen in Deutschland im Vorfeld, teilweise mit Behördenvertretern, um deren Lösungen anzusehen und gegebenenfalls zu übernehmen, bin ich nun vielfach als Gutachter und Berater tätig für die medientechnische Architekturkomponente.