Was bewegt sich beim Berufsverband Kinematografie?
von Timo Landsiedel,
Vor einem Jahr trafen sich die Mitglieder des BVK zur Wahl eines neuen Vorstands. Neben den klassischen Themenfeldern wie Kamera-Urheberschaft und Vergütungsregeln haben sich die Mitglieder auch hochaktuellen Themen wie Diversität, Gender Pay Gap und Vereinbarkeit von Beruf und Familie vorgenommen. Intern ist einiges in Bewegung. Wir fragten BVK-Mitglied Anna Schenk, was seitdem angestoßen wurde, wie die Mitglieder involviert werden und was es mit den „Committees“ auf sich hat.
Vor einem Jahr haben die Mitglieder des BVK dem Verband eine neue Richtung gegeben. Themen wie Diversität und Gleichstellung sollen stärker spürbar werden. Warum ist das so wichtig für die Arbeit des Verbands? In der Tat hat die Mitgliedschaft aus den vielen Bewerber:innen einen sehr schön diversen Vorstand gewählt: Neben den Kinematograf:innen Alex Böhle, Friederike Heß, Julia Schlingmann, Michael Kotschi und mich als 1. Kameraassistentin, sind erstmals mit Boris Laewen und Felix Hüsken ein Standfotograf und ein Colorist in unserem siebenköpfigen Vorstand vertreten.
Der BVK ist ein Verband, der die Interessen der Kinematograf:innen, Operator, Steadicam-Operator, 1. und 2. Kame- raassistent:innen, DITs, Colorist:innen, Data-Wrangler und Standfotograf:innen vertritt. Neben den DoPs entscheiden sich auch immer mehr Menschen der anderen genannten Gewerke für die Mitgliedschaft. Dass der Vorstand diese Entwicklung ebenfalls abbildet, ist ein wichtiges, starkes Signal! Durch den Austausch, das Verständnis und die Empathie innerhalb des Vorstandes wird natürlich auch ein Zusammenhalt zwischen den Gewerken geschaffen, diesen gilt es auch am Set umzusetzen. Wir sind alle gemeinsam ein Team bei Filmprojekten und Fachkräfte für unsere Bereiche und unsere Tätigkeiten.
Sowohl im Vorstand als auch im Filmprojekt setzen wir uns zum einen für die Sichtbarkeit und Wertigkeit der einzelnen Gewerke ein, möchten aber auch ganz deutlich von konservativen Hierachie-Strukturen Abstand nehmen. Hier versuchen wir in unserer Arbeit als gutes Beispiel voranzugehen.
Welche neuen, aktuellen Themen habt ihr auf die Tagesordnung gesetzt? Und was ist dir persönlich besonders wichtig?
Unsere Agenda ist sehr umfassend, aber um ein Beispiel zu nennen: Die Themen soziale Nachhaltigkeit, Verbesserung
der Arbeitsbedingungen und natürlich auch der Mangel an Nachwuchs und Fachkräften sind auch bei uns im Verband sehr aktuell. In den verschiedenen Arbeitsgruppen und Panels zu den spezifischen Themen, merken wir, dass diese Themen untrennbar zusammenhängen und sich die Filmschaffenden gewerkeübergreifend dafür interessieren und sich austauschen möchten.
Es gilt hier nun, die Initiativen – FairFilmAward, Initiative zur Nachwuchsförderung für Film- und Fernsehberufe, Jobsharing AG, ProQuote Film – zu vereinen und in der Zusammenarbeit mit den anderen Verbänden faire, nachhaltige und soziale Strukturen zu schaffen. Im Austausch mit Kolleg:innen in und außerhalb des Verbandes wird sehr deutlich, dass die Arbeit an einem Filmprojekt kaum oder gar nicht mit Familie oder anderen Verpflichtungen und Interessen vereinbar ist. Meine Laufbahn als Handball-Torhüterin habe ich schon zu Beginn der Filmkarriere aufgegeben. Mittlerweile bin ich Mutter von Zwillingen und durch die Kinder verschieben sich die Prioritäten. Deshalb ist es mir persönlich besonders wichtig, Möglichkeiten, Strukturen und Arbeitsbedingungen für zum Beispiel Eltern – alle Elternteile! – zu schaffen. Gleichberechtigte Teilnahme an den verfügbaren Projekten muss unabhängig von der familiären Situation, des Geschlechts, von Schwangerschaft, Gesundheit, Behinderung et cetera sein.
Du hast schon die Vereinbarkeit von Job und Familie angesprochen. Für einige kommt ja noch die ehrenamtliche Arbeit im Vorstand dazu. Es ist immer eine Herausforderung, Verbandsarbeit neben dem Job zu machen. Wie organisiert Ihr intern die Arbeit?
Feste Termine sind die Vorstandssitzungen, die pro Vierteljahr einmal stattfinden und natürlich die jährlichen Mitgliederversammlungen. Wir versuchen, diese intensiven Sitzungen und Treffen in persona durchzuführen. Durch die
Corona-Pandemie haben sich aber auch hier neue Möglichkeiten entwickelt und der BVK verfügt über technische Mittel, Mitglieder per Schaltung an der Mitgliederversammlung teilnehmen zu lassen. Gleiches gilt für die Vorstandssitzungen: Vorstandsmitglieder und Gäste können remote teilnehmen und Inhalte zu den Themen und Diskussionen beitragen.
Mittlerweile hat sich unsere Mattermost-Plattform „BVK United“ als „Chatraum“ für Organisatorisches und Termin- absprachen etabliert – aber auch für Diskussionen und kurze Zusammenfassungen von Videokonferenzen zum Beispiel. Unabhängig von Ort und Zeit können sich alle Vorstandsmitglieder auf den gleichen Wissensstand bringen und auch kurzfristig über Belange abstimmen.
Über diese Plattform möchten wir auch den direkten Austausch innerhalb der Mitgliedschaft anregen und fördern. Es ist enorm wichtig, alle zu erreichen und einzubinden. Die Verbandsarbeit lebt und entwickelt sich durch das Engagement der/des Einzelnen. Die Produktivität des BVK kann nur erhalten bleiben, wenn Aufgaben direkt an Spezialist:innen aus den eigenen Reihen weitergegeben werden.
In Zukunft möchten wir stärker auf Arbeitsgruppen, sogenannte „Committees“ setzen. Der Vorstand agiert als bündelndes und überwachendes Organ, die einzelnen Themenfelder und Aufgaben sollen jedoch auf Dauer von den Mitgliedern der einzelnen Committees selbstständig aufgegriffen, bearbeitet und umgesetzt werden. Das Engagement im Committee stärkt die Verbundenheit der Mitglieder mit dem Verband nach innen sowie nach außen. Je mehr Menschen im Verband aktiv sind, desto mehr können wir bewegen. Zudem werden die Themenfelder automatisch diverser.
Welche Themenfelder sind das? Und wie arbeiten diese Gruppen? Eine konkrete Übersicht über die bestehenden Committees wird es in Bälde auf unserer Webseite geben. Damit ein Committee auch während der intensiven Produktionsphasen der Mitglieder handlungsfähig bleibt, halten wir eine Mindestgröße von fünf Personen für sinnvoll. Jedes Committee wählt seine eigenen Speaker und Co-Speaker. Diese sind erste Ansprechpartner:innen für die Kommunikation mit dem Vorstand, der Mitgliedschaft und auch nach außen.
Auch für die Committees dient „BVK United“ als schnelle, direkte Kommunikationsplattform und Videokonferenzen machen einen Austausch und Entscheidungsfindungen ortsunabhängig möglich. Die Regelmäßigkeit der Treffen steht ganz klar im Zusammenhang mit bestimmten Terminen, Fristen, Aktualität der Thematiken – ein regelmäßiger Bericht über die Arbeit eines Committees ist gewünscht und wir arbeiten auch gerade an der administrativen Struktur, um die Arbeit der Committees der Mitgliedschaft dauerhaft zugänglich zu machen und nachhaltig zu gestalten.
Wie sind die neue Ausrichtung des Verbands und die neuen Themen aufgenommen worden, also sowohl von den Mitgliedern intern als auch von außen?
Mit unserer positiven Energie haben wir nun binnen kurzer Zeit die schon erwähnte Kommunikationsplattform aufgesetzt, einen internen Newsletter mit mittlerweile zwei Ausgaben erstellt, den öffentlichen Teil der Webseite neu designt und dabei vor allem auf „mobile first“ gesetzt und die Jour Fixe haben regelmäßigen oder teilweise sogar sehr großen Zulauf. Diese Form der Verbandsarbeit ist besonders zugänglich und die Bereitschaft des Mitgestaltens sehr groß. Das zeigt sich dann auch auf den Social-Media-Kanälen: Es macht den Mitgliedern Spaß, Eindrücke vom Set über unsere Kanäle zu posten und es haben anscheinend auch immer mehr Leute Lust, sich das anzusehen und mit uns in den Austausch zu gehen. Tony El Tom, Kinematograf aus Hamburg, hat sogar ein Konzept für einen eigenen Podcast entworfen und die ersten beiden Folgen schon produziert. Trotz all der Neuerungen und „modernen“ Themen dürfen wir die vorhandenen Themen und Strukturen natürlich nicht übergehen und eine schwierigere Aufgabe wird es sein, die Mitglieder auch für die „unbequemen“ Arbeitsfelder zu motivieren und funktionstüchtige Committees zu schaffen. Eine Kernaufgabe des BVK ist zum Beispiel die Beratung der Mitglieder in arbeits- und sozialrechtlichen Fragen. Glücklicherweise haben wir Mitglieder, die sich im Laufe ihrer Tätigkeit eingehender mit den Inhalten der Arbeitsschutzvorschriften, des Tarifvertrages et cetera auseinander gesetzt haben und mit Rat und Tat zur Seite stehen können. Dieses Wissen nachhaltig weiter zu geben, zu erhalten und die Verantwortung auf mehrere Schultern zu verteilen, muss unser Ziel sein.
Auch wenn das bei ihm schwer vorstellbar ist, steht für Dr. Michael Neubauer nach einer langen, intensiven Wirkungszeit 2024 der Ruhestand an. Wie ist der Stand der Dinge bei der Suche nach der Nachfolge? Und wie geht ihr da vor? Die professionelle Geschäftsführung des BVK ist seit jeher ein erheblicher Gewinn für den Verband und dessen Mitglieder. Dr. Michael Neubauer wird im kommenden Frühjahr in Rente gehen und die Nachfolge zu finden und zu bestimmen, ist eine Kernaufgabe der aktuellen Legislaturperiode. Die Vorbereitungen wurden vorausplanend schon vom vorherigen Vorstand eingeleitet. Die Stellenausschreibung haben wir hauptsächlich branchenintern platziert. Derzeit arbeitet der Vorstand mit der aus Mitgliedern besetzten Sondierungskommission zusammen, die beratend tätig ist, um die eingegangenen Bewerbungen zu prüfen und fundierte Gespräche mit den Bewerber:innen zu führen.
Geplant ist eine längerfristige Einarbeitung des/der neuen Geschäftsführer:in, um einen reibungslosen Übergang für die neue Geschäftsführung und den Verband zu gewährleisten. Lass uns gerne in einem Jahr noch mal sprechen, dann wissen wir mehr.
Herzlichen Dank für das Gespräch und den Einblick in eure Arbeit, Anna! [15337]