Anzeige
Anzeige
DoP Stephen H. Burum im Gespräch

„Brian ist immer witzig“

Bei der Treppenszene in Brian de Palmas „Untouchables“ war unser Autor hellwach, die in Eisensteins „Panzerkreuzer Potemkin“ hat er hingegen bislang drei Mal verschlafen. Dass De Palma aber mehr als nur Spannungskino kann, erzählte Stephen H. Burum im Interview für unser Heft 3.2023, anlässlich seiner Auszeichnung mit dem Preis für sein Lebenswerk auf dem 30. Camerimage Festival in Torun.

Porträt von Stephen H. Burum
Foto: Ernest Kaczynski

Bei der Preisvergabe fiel bei mir endlich der Groschen, an wen mich Stephen H. Burum die ganze Zeit erinnert hatte: den späten Peter Sellers. Vielleicht lag das an seiner trockenen Pointe, sich nach der als Videoeinspieler gezeigten Laudatio von Danny DeVito um eine eigene Rede zu drücken, indem er behauptete, dass er nichts hinzuzufügen habe. Denn im Interview war er um keine Antwort verlegen. Im Gegenteil: er erinnerte sich an jede Szene, auf die ich ihn ansprach, einschließlich der Namen aller Darsteller und ihrer Rollen, egal wie schnell ich dabei die Jahrzehnte wechselte. Es klang immer so, als habe er erst gestern am betreffenden Set gestanden. Der Grund, warum er darüber hinaus nicht über sich selbst sprechen wollte, kann nichts anderes als Bescheidenheit sein und mindestens das hat er dann seinem optischen Doppelgänger voraus.

Womit ich beginnen möchte, ist das Jahr 1983, in dem Sie drei Filme für zwei Hollywood-Legenden gedreht haben: Francis Ford Coppola und Jack Clayton.
Oh ja, ich liebe Jack, er war großartig. Ein toller Kerl. Es hat wirklich Spaß gemacht, mit ihm zu drehen. Er war sehr gut bei der Inszenierung von Kindern. Sehr, sehr gut.

Die Atmosphäre von „Das Böse kommt auf leisen Sohlen“ ist wunderbar herbstlich, und für einen Disney- Film recht gruselig.
Jack und ich waren beide sehe enttäuscht von diesem Film, wegen eines Herrn in der Special-Effects-Abteilung, zu der Zeit als gerade die ersten computergenerierten Sachen entstanden. Sie hatten zuvor den Flipperautomaten-Film „Tron“ gemacht, der komplett computeranimiert war und die Absicht, ein Imperium darauf aufzubauen. Er versuchte also, so viele Spezialeffekte wie nur möglich in unserem Film unterzubringen, egal ob sie gebraucht wurden oder nicht. Die Sequenz, wenn die Jungs zum ersten Mal den Karneval sehen, wollte Jack so zeigen: Sie laufen nachts draußen herum, wie das Kinder eben so machen, heiß und verrückt, der Wind weht, überall wird Staub aufgewirbelt, und plötzlich ist das alles weg und der Karneval ist einfach da. Das war in meinen Augen die richtige Herangehensweise. Als Zuschauer weiß man nicht wirklich, ob er magischen Ursprungs ist, oder einfach echt, was war vielleicht nur eine Einbildung der Kinder. Die glauben, dass sie ihn gesehen haben. Aber der Kerl von den Spezialeffekten brachte das Studio dazu, dass das Ganze erschien, was das ganze Drama kaputt machte. Die Kinder wollten doch ihre Eltern überzeugen, dass da draußen dieses Böse ist, aber die winken nur ab. Das „was-wäre-wenn“ funktionierte nicht mehr. Die Geschichte ist so gut und die Einmischung seitens des Studios hat den Film ruiniert.

Das ist traurig, weil rein suggestive Szenen, wie etwa die in der Bibliothek, ganz ohne Effekte funktionieren.
Ja, das war ein tolles Set. Wir hatten gute Sets.

Sprechen wir über „Rumble Fish“, weil beim Q&A niemand nach dem Elefanten im Raum beziehungsweise dem Fisch im Aquarium gefragt hat: Wie wurde dieser Fisch in analogen Zeiten das einzige farbige Element in einem Schwarz-Weiß-Film?
Ach, das war einfach: Wir hatten die Jungs vorher in schwarz-weiß gedreht und das dann als Rückprojektion hinter dem Aquarium verwendet. Das Wasser war klar, also farblos, darin schwammen die farbigen Fische und wir drehten das auf Farbfilm. Die gute alte Rückprojektion, nichts Besonderes. Probleme hatten wir mit etwas anderem.

Filmstill aus "St. Elmo's Fire"
Doch keine Reprise von „Apocalypse Now“: Emilio Estevez am Fenster in „St. Elmo’s Fire“ (Foto: Sandra Ritschel / TNT Serie)

Den Vorführkopien?
Nein, die Fische auf die richtige Position zu bringen! Mickey Rourke klopft zum Beispiel hier an die Scheibe und wir wussten an welcher Stelle das sein würde. Also versuchten wir die Fische genau dorthin zu bugsieren. Wir hatten auch Glaswände, um sie in ihrem Bewegungsradius einzuschränken. Am Ende brauchten wir einen ganzen Tag dafür. Die haben uns in den Wahnsinn getrieben. Man versucht immer es so einfach wie möglich zu machen.

Und die außerkörperliche Erfahrung von Matt Dillon?
Das ist ein alter Zaubertrick: „Pepper‘s Ghost“. Man dreht im 45-Grad-Winkel durch eine klare, durchsichtige Glasscheibe, hinter der unser Bodydouble lag. Wenn er zum Leben erwacht, haben wir nur das Licht am Dimmer hochgefahren und man sah ihn dann in der Reflexion. Und wenn er sich aus dem Bild bewegt, haben wir den Dimmer wieder runtergedreht. Für die schwebenden Aufnahmen hatten wir ihn dann an einem Chapman-Kran, auf dem Auslegearm. Den konnten wir drehen. Mit einem zweiten Rig konnten wir ihn dann auch noch um die andere Achse bewegen. Wenn er also fliegen sollte, drehst du ihn nur um legst los. Man sieht nie seine Füße, weil dort sein Körper am Rig befestigt ist und abgestützt wird.

In einer Einstellung schwebt er aber im Hintergrund einmal komplett durch das Bild.
Nein, da haben wir dich hereingelegt! Auch da war er auf dem Auslegearm des Krans, aber den sieht man wegen einem Haufen Büsche davor nicht.

Eine kurze Zwischenfrage, damit ich es nicht vergesse: Sie waren ja auch Second Unit bei „Apocalypse Now“, und da gibt es in „St. Elmo’s Fire“ die Szene, in der Emilio Estevez im Regen seiner Liebe nachstellt, und sich dort an einer Fensterbank von unten ins Bild schiebt, genau wie sein Vater vor dem Finale in Apo- calypse aus dem Fluss auftauchte. Das war doch kein Zufall, oder?
Nein, das war nur seine Subjektive. Er ist so von Andie MacDowell besessen, versucht einen Blick auf sie zu erhaschen, mehr nicht. Ich habe allerdings in der Einstellung, als sie hereinkommt ist, ein Gegenlicht am Dimmer hochgefahren, so dass sie zu leuchten beginnt. Das ist sein Gefühl für sie, das drückt dieses Licht aus, nur ganz leicht. Damals dachte ich, dass ich es vielleicht noch etwas mehr betonen, dass ich etwas mutiger hätte sein müssen. Aber jetzt, Jahre später retrospektiv betrachtet, denke ich, dass dieses bisschen eine psychologische Sache ist. Wenn man in jemanden verliebt ist, dann ist das nicht groß, sondern eine Art Privatsache. [15304]


Wenn Sie mehr erfahren möchten: Hier finden Sie das komplette Gespräch mit DoP Stephen H. Burum!


 

Anzeige

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.