Die Guerilla-Einheit stürmt ein Haus, ein Militärlager in karger Steppenlandschaft: Regisseurin Randa Chahoud und Kameramann Sören Schulz haben den syrischen Bürgerkrieg für „Nur ein Augenblick“ in Deutschland gedreht. Für die Heftausgabe 7-8/2019 haben wir uns die technischen Vorbereitungen und den Dreh angeschaut.
Natürlich wusste Regisseurin und Drehbuchautorin Chahoud wie schwierig diese Szenen werden würden: „Wir haben die Kriegsszenen sehr genau vorbereitet, so etwas kann sonst schnell aussehen wie von einer Video-AG“, betont die Regisseurin. Der Film erzählt die Geschichte des jungen Syrers Karim, der mit seiner schwangeren Freundin Lilly ein sorgenfreies Studentenleben in Hamburg führt. Aber als Karims Bruder Yassir in Syrien in ein Foltergefängnis verschleppt wird, beschließt er, diesen aus dem Kriegsgebiet zu retten. Schließlich landet Karim bei einer Rebellengruppe, die gegen Assad und gegen den sogenannten IS kämpft. 2013 gab es Drehbuchförderung für Chahoud. Nach der Produzentin Clementina Hegewisch von Neue Impuls Film beteiligte sich als Erstes die syrisch-britische Produzentin Sawsan Asfari mit Cactus World Films aus London an der Finanzierung, dann förderte auch die FFHSH die Projektentwicklung. Später beteiligten sich noch MDM, BKM und DFFF sowie die Produktionsfirma Lightburst Pictures. Im Frühjahr 2018 konnte die Regisseurin drehen. Der Kinoverleih liegt bei Farbfilm.
LUXUS TEASER-DREH
„Da es anfänglich einige Schwierigkeiten in der Finanzierung gab, hatten wir positiv gesehen, eine sehr intensive Vorbereitungszeit“, sagt Chahoud. Worüber sich alle Gewerke sonst in den Wochen vor dem Dreh schnell Gedanken machen müssen, konnte die Regisseurin mit ihrem DoP in Ruhe entwickeln. Bereits 2014 fand ein Teaser-Dreh mit Sören Schulz statt. In diesen eineinhalb Tagen konzentrierten sich Regie und Kamera auf zwei Aspekte, einen Häuserkampf sowie eine emotionale Szene. Für Förderer und Finanziers lieferte das Material den Beweis, dass Chahoud solche Kriegsszenen trotz des engen Budgets erzählen kann: „Dadurch konnten wir sehr selbstbewusst vertreten, dass es möglich ist, diese Geschichte in Deutschland zu drehen“, sagt Kameramann Schulz: „Der Teaser bot uns einen großen Luxus, weil wir viel ausprobieren konnten, was sich später beim Dreh bezahlt gemacht hat.“ Beim Hauptdreh hatte das Team schließlich nur dreieinhalb Stunden Netto-Drehzeit inklusive Lichtsetzen, beim Teaser stand ihnen für die ähnliche Szene ein ganzer Tag zur Verfügung. „Noch weniger Zeit blieb für die Gefängnisbefreiung. Da spielte ein kleines Mädchen mit und wir hatten Außen nur von 20 bis 22 Uhr. Und erst 20.45 Uhr wurde es wirklich dunkel“, erzählt Chahoud. Nur 75 Minuten für eine gelungene Actionszene!
MÜNDUNGSFEUER UND EINSCHUSSLÖCHER
Das Pensum lag manchmal bei sieben, acht Minuten Filmzeit am Tag. Insgesamt standen nur 30 Drehtage zur Verfügung und die waren zudem nicht arm an SFX und VFX. „Der Schuss eines Maschinengewehrs ‚live‘ am Set macht etwas mit dem kompletten Filmteam“, betont Schulz. Es gab brennende Mülltonnen und „Haze“ bei der Gefängnisstürmung, sowie kleinere Explosionen. „Manchmal haben wir uns auch für VFX entschieden, weil wir so schneller drehen konnten und nicht aufwändig alles resetten mussten“, sagt der DoP. Dazu kamen viele kleinere digitale Effekte, weil Einschusslöcher und andere Kriegsschäden oder Nebel ergänzt wurden. „Die aufwändigste VFX-Szene ist allerdings eine Kranfahrt, diese musste getrackt werden, um sie in eine im 3D-Raum gebaute Stadt einzufügen.“
PRE-VISUALISIERUNG
Der DoP nutzte daher für die komplexesten Szenen Pre-Visualisierungen in 3D. „So ließen sich auch die VFXen besser kalkulieren“, sagt Schulz. „Es gibt Einschüsse am Boden, hinten an der Mauer, was soll in die Luft gehen, was soll man vom Gefängnis noch sehen. Und dann noch eine Kranfahrt“, führt die Regisseurin das am Beispiel der Gefängnisbefreiung aus. Und natürlich alles ohne das Budget eines Hollywood-Blockbusters. Vieles davon könnte man auch mithilfe eines Storyboards klären, erzählt Schulz: „Aber mit den Pre-Viz kannst du zusätzlich innerhalb des 3D-Raums spielen.“ Der Kameramann erstellte die Pre-Visualisierungen selbst: „Über die VFX-Abteilung wäre das zu teuer geworden und hätte dann deren Budget um diesen Betrag vermindert.“ „Es war ein großes Glück, dass Sören sich da eingearbeitet hat“, betont die Regisseurin. Zwei, drei Tage benötigte Schulz etwa für die Einarbeitung in „ShotPro“. Das Programm liegt sowohl für Mac OS, iPad und Android vor, Kostenpunkt etwa 44 Euro. „ShotPro ist im Verhältnis sehr günstig und einfach zu bedienen“, sagt Schulz. Das Programm funktioniert wie ein Baukastensystem, und für die Personen kann man aus sechs unterschiedlichen Darstellern auswählen. „Bei den allerersten Visualisierungen habe ich noch die Gesichter verändert und die Figuren laufen lassen. Es hilft, wenn sie sich in den Räumen bewegen“, sagt der DoP, für alle Szenen ist dieses Vorgehen aber zu aufwändig. Für die Gestaltung der aufwändigen Kranszene benötige er etwa zwei Tage, um die Pre-Visualisierung zu erstellen. Vor allem die VFX-Abteilung um Supervisor Markus Frank und VFX-Producer Rufin Wiesemann konnte mithilfe der Pre-Viz den Aufwand so besser planen, aber auch Steadicam-Operator Thorsten Alt oder Szenenbildnerin Juliane Friedrich. Neben der Absprache mit den unterschiedlichen Departments halfen die Pre-Visualisierungen ebenfalls bei den Fördergremien. Randa Chahoud sagt: „Es wäre toll, wenn wir in Deutschland mehr für so etwas ausgeben könnten, weil es am Ende Geld spart.“
Lesen Sie auf unser Homepage morgen weiter welches Equipment Sören Schulz am Set wie eingesetzt hat.
Sehr eindrucksvoll, wie neue Techniken zu erheblichen Einsparungen und trotzdem noch besseren Ergebnissen fuehren koennen.