Wir stellen die Preisträger des 33. Deutschen Kamerapreises vor (5)
Die Figuren im Mittelpunkt
von Sven Kubeile,
In unserer Reihe mit den Preisträgerinnen und Preisträgern beim 33. Deutschen Kamerapreis stellen wir heute Sebastian Husak vor, der mit dem Preis in der Kategorie Nachwuchs Schnitt für seine Arbeit an „Idyll“ ausgezeichnet wurde.
1993 in Hamburg geboren und seit seinem achten Lebens- jahr als Schauspieler tätig, konnte Sebastian Husak schon früh seine ersten professionellen Set-Erfahrungen sammeln. Dort hat er seine Begeisterung für den Film entdeckt und während der Schulzeit erste Kurzfilme gedreht, die unter anderem den Hamburger Nachwuchs-Filmpreis gewannen und für den Deutschen Nachwuchs-Filmpreis nominiert wurden. Sebastian Husak studiert derzeit Spielfilmregie an der HFF München und konnte nebenbei seine filmischen Erfahrungen als Regieassistent für Kino und Fernsehen sowie als Editor vertiefen. Mit seiner Produktionsfirma Texo Filme hat er Kurzfilme wie „Rhythmus“ und „Aus deinen Händen“ realisiert, die beide mit dem Schleswig-Holstein-Nachwuchsfilmpreis ausgezeichnet wurden.
Herzlichen Glückwunsch zum Deutschen Kamerapreis in der Kategorie Schnitt Nachwuchs. Was bedeutet dir dieser Preis?
Das ist natürlich ein riesiges Privileg und eine tolle Auszeichnung, vor allem, wenn man in ein Projekt so viel Arbeit hineingesteckt hat – wir haben an dem Projekt sehr lange geschnitten und viele Runden gemacht. Es ist ja auch ein sehr persönliches Projekt von Regisseurin Fanny Rösch und nicht der konventionellste Film. Die Musik spielt eine große Rolle. Deshalb ist es natürlich toll, dass ein solch experimentelles Projekt, das mutig sein will, einen Preis bekommt. Ich freue mich sehr.
Wie bist du zum Projekt gekommen und hattest du direkt das Endergebnis im Kopf? Ich bin über Fanny als Autorin, Regisseurin und Produzentin zu diesem Film gekommen. Wir haben schon zuvor bei kleineren Filmübungen zusammengearbeitet. Ich fand ihre Idee total interessant. Wir kennen uns gut und ich kenne auch ein wenig ihre Familie. Das Experiment, ihre echte Familie vor die Kamera zu bewegen, die nicht alle professionelle Schauspieler:innen sind, fand ich sehr mutig und einzigartig. Ich habe mir nicht sofort vorstellen können, wie der finale Film geschnitten aussehen würde. Ich hatte sofort Lust, dabei mitzuwirken und musste nicht lang überlegen. Gerade dann, als ich gehört habe, dass die Mozart-Sonate eine so große Rolle spielen würde, war ich angefixt. Der Film wurde auch vom Mozarteum in Salzburg mitfinanziert. Einen Film zu drehen, der ähnlich wie ein Musikvideo funktioniert, aber sich nicht anfühlen darf wie ein Musikvideo, sondern die Figuren in den Mittelpunkt stellt, das war eine große Herausforderung im Schnitt, auf die ich mich sehr gefreut habe.
Du warst ja auch bei den Dreharbeiten dabei. Nimm uns mal mit zu den Dreharbeiten und zu deinem Weg in den Schnitt.
Wir haben in den Tiroler Bergen gedreht. Aufgrund des kleinen Budgets bei diesem Projekt waren drei Drehtage mit kleinem, freundschaftlichem Team angesetzt. So mussten alle anpacken und teilweise auch mehrere Aufgaben übernehmen. Auch für Fanny war es eine kleine Herausforderung, ihren Vater und ihre Schwester zu überzeugen, da überhaupt mitzumachen, weil sie beide keine professionellen Schauspieler:innen sind. Doch ich glaube, nach der ersten Eingewöhnungsphase hat es den beiden großen Spaß gemacht. Obwohl es sich um einen fiktionalen Film handelt, waren die Figuren ihnen sehr nah, was den Prozess sicher erleichtert hat. Da waren wir alle sehr beeindruckt.
Der Dreh war sehr produktiv, freundschaftlich und hat großen Spaß gemacht. Eine kleine Anekdote an der Stelle: im Drehbuch war schon die Rede von den ganzen Fliegen und Insekten, die sich auf dem Tisch befinden sollten, während die Mutter versucht, die Familie und das Frühstück zusammenzuhalten. Wir haben sehr lange überlegt, wie wir das machen sollten. Wenn man aber drei Tage lang Marmelade, Eier und Butter in die pralle Sonne stellt, kommen die Insekten von ganz allein und wir mussten nur noch die Kamera draufhalten.
Der Film selbst ist zum Großteil im Schnitt entstanden, zumal er ja kein klassischer Dialogfilm ist, sondern viel über den Rhythmus, die Musik und die Blicke der Figuren untereinander erzielt wird. Es war nicht so, dass wir vom Set nach Hause kamen und genau wussten, wie es am Ende werden würde. Wir haben auch immer wieder an vielen Stellen versucht, einiges umzustellen und zu schauen, was funktioniert und was nicht. Wie sehr erzählen sich die Figuren auch über Blicke? Das ist ja auch immer schwierig. Es war eine lange, aber sehr produktive Schnittzeit.
Wie bist du im Schnitt vorgegangen?
Im Schnitt arbeite ich immer so, dass ich alles sichte, jeden Take und das komplette Material. Auch wenn ich den Impuls habe, schon mal loszulegen, warte ich, bis ich wirklich weiß, was es überhaupt gibt. Das ist auch eine längere Phase, in der ich das Material komplett durchmarkiere. Überall da, wo ich etwas interessant finde und wo etwas herausragend ist, mache ich mir Kommentare und lege Marker an. Das hilft mir sehr, um das Material am Ende dieser ersten Phase extrem gut zu kennen und zu wissen was es gibt und was nicht.Danach erarbeite ich mir nur anhand dieser markierten Stel- len einen ersten Rohschnitt. Danach erst schaue ich, was noch nicht so gut funktioniert und wo ich gegebenenfalls noch mal ins Rohmaterial müsste. Da haben wir erst mal mit temporärer Musik gearbeitet. Zwar mit der Sonate selbst, aber einer Version, die wir nicht verwenden durften. Das besondere war dann, dass uns zwei tolle Musiker:innen, Róza Radnóti am Klavier und Kristóf Tóth an der Violine das Werk nach unseren Vorgaben eingespielt haben. So konnten wir vorher darauf eingehen, welche Stellen uns besonders wichtig sind und wo es schneller sein dürfte oder gar Tempo herausgenommen werden kann.
Das war für mich eine großartige und interessante Erfahrung, dass wir auf die Musik Einfluss nehmen konnten und die Musik auf uns. Es war bei uns auch nicht so, dass wir immer auf den Rhythmus der Musik geschnitten haben. Wir haben sehr genau nachgedacht, an welcher Stelle des Films man synchron mit der Musik ist und wo es Stellen gibt, an dem alles auseinanderbricht und die Familie nicht funktioniert. Uns war wichtig, dass nicht immer alles den gleichen Rhythmus hat. Das war eine spannende Erfahrung.
Würdest du sagen, dass man eine musikalische Ader benötigt, um ein solches Stück schneiden zu können?
Das kann schon sein. Es gibt in der Mitte des Films eine Montagesequenz, wo die Musik sehr aufbrausend ist und wir in den Kopf der Mutter hinein gehen. Gerade an dieser Stelle war das Zusammenspiel zwischen Schnittrhythmus und musikalischem Rhythmus entscheidend. Wenn ich aber so darüber nachdenke, glaube ich, dass Filmmontage allgemein etwas sehr Musikalisches oder musikähnliches ist. Wir sprechen viel über Schnittrhythmus und das ist ja etwas, das man als Zuschauer:in – wie Musik auch – sofort spürt. Fühle ich diesen Rhythmus oder fällt da etwas auseinander? Das ist wahrscheinlich eine Eigenschaft, die nie fehlen darf, wenn man sich für Schnitt interessiert.
Wie lange hat die Post gedauert und wann hast du gemerkt, dass das funktioniert, was du gemacht hast?
Ich glaube, wir haben ziemlich genau ein halbes Jahr an diesem Film geschnitten. Zwar nicht durchgehend, weil es bei uns beiden auch andere Projekte gab, aber wir haben uns schon einige Tage in der Woche an den Film gesetzt. Dass das funktioniert, haben wir schon sehr früh gemerkt, ich würde sagen, schon beim ersten Rohschnitt. Trotzdem haben wir auch da gemerkt: Es gibt so viele Möglichkeiten, den Film zu erzählen, auch so viele Möglichkeiten, wann man zu welcher Figur schneidet, wann man in wessen Erzählperpektive ist, wann man synchron zur Musik ist, wann man gegen den Rhythmus arbeitet. Es gab so viele Möglichkeiten, diesen Film zu erzählen, dass uns schnell klar war, dass wir lange brauchen werden, bis wir das Gefühl haben, dass wir alles ausprobiert haben. Das war mühsam, aber das war es wert. Wir haben das erreicht, was wir erreichen wollten. [15397]