Die Formel 1 generiert einen Großteil ihrer Faszination aus der aufwendigen TV-Produktion. Jedes Rennwochenende wird mit mehr als 200 Kameras eingefangen und live in über 160 Länder übertragen. Doch was passiert hinter den Kulissen, um die Action auf der Rennstrecke perfekt zu übertragen? Wir bekamen für unsere Ausgabe 11.2024 beim Rennen in Zandvoort einen Einblick in Technik und Teamwork, die gemeinsam das globale Broadcast-Event möglich machen.
Die Formel 1 hat sich in den Jahrzehnten ihres Bestehens von einem Spartenevent für Hasardeure zu einer der umsatz- und gewinnstärksten Sportligen der Welt entwickelt. Einen großen Anteil an dieser Entwicklung hat die Live-Übertragung der Renn-Wochenenden. Während zu Beginn die Rennen nur lokal aufgezeichnet oder übertragen wurden, gewann die Formel 1 mit Aufstieg des Fernsehens in den 1960er und 1970er Jahren enorm an Popularität und Reichweite. Heute generiert die Vermarktung der Übertragungsrechte einen Großteil der Einnahme und entsprechend groß ist der Aufwand bei der Broadcast-Produktion von den Renn-Wochenenden.
Ein weiterer Faktor für die enorme wirtschaftliche Entwicklung der Formel 1 war die Erweiterung des Rennkalenders auf aktuell 24 Rennen pro Saison, was neue Märkte wie die USA, Asien oder den Nahen Osten erschloss. Ein Klassiker ist jedoch der große Preis der Niederlande, der traditionell in Zandvoort ausgetragen wird. So verwandelt sich das friedliche Küstenstädtchen für kurze Zeit in ein Mekka des Motorsports.
Über 300.000 Zuschauer strömten in diesem Jahr zur Rennstrecke in den Dünen, die mit anspruchsvollen Kurven und Höhenunterschieden eine der herausforderndsten Strecken im Formel-1-Kalender ist und besonders in den 1970er Jahren schon vielen Fahrern bei schrecklichen Unfällen zum Verhängnis wurde. Verantwortlich für die TV-Produktion der Formel-1-Rennen ist das Formula One Management (FOM), das mit dem Media & Technology Centre (M&TC) im britischen Kent die technologische Zentrale für die Übertragungen betreibt. Von dort aus wird jedes Detail der Rennen, von den Bildsignalen bis hin zur Regie, in Echtzeit gesteuert. Gleichzeitig arbeitet das jeweils vor Ort installierte Event Technology Centre (ETC) an jeder Rennstrecke als lokales Rückgrat der Produktion. Diese zentrale und lokale Zusammenarbeit ist der Kern der weltweit größten Remote-TV-Produktion, die es möglich macht, ein so komplexes Event wie ein Formel-1-Rennen in höchster Bild- und Tonqualität weltweit zu übertragen.
Technische Infrastruktur
Die Broadcast-Produktion der Formel 1 beginnt für jedes Rennen mit dem Aufbau des mobilen Event Technology Centre (ETC) an der jeweiligen Strecke. In Zandvoort erstreckte sich dieses Zentrum über eine Fläche von 428 Quadratmetern. Hier koordinieren rund 80 technische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Aufnahmen und Datensignale, die für die Übertragung gesammelt werden. Das ETC ist das Herzstück vor Ort und fungiert als Knoten- punkt für die Signale der Kameras, Mikrofone und Telemetriedaten, die anschließend über Glasfaserkabel an das Media & Technology Centre in Kent weitergeleitet werden.
Dort sind weitere 140 Mitarbeiter tätig, um das finale Bild- und Tonsignal für die welt- weite Übertragung zusammenzustellen. Die technische Ausrüstung in Zandvoort umfasste mehr als 25 UHD-Kameras, die entlang der 4,259 Kilometer langen Strecke installiert wurden. Zusätzlich dazu kamen etliche Kameras für Spezialanwendungen zum Einsatz. Fünf Kameras mit drahtloser RF-Übertragung erfassten in der Boxengasse das hektische Treiben bei Boxenstopps, wenn die Mechaniker innerhalb weniger Sekunden Reifen wechseln oder notwendige Anpassungen und Reparaturen vornehmen. Da diese Momente entscheidend für die Rennstrategie sind, ergibt der Aufwand von fünf Kameras allein für diesen Zweck aus der Notwendigkeit, diese wichtigen Momente entsprechend zuverlässig einzufangen.
Drei fest installierte Boxenkameras lieferten zudem statische Aufnahmen von der Arbeit der Teams, während zwei Podiumskameras für die Siegerehrungen und Momente nach dem Rennen vorgesehen waren. Eine Kabelkamera, die entlang der Boxengasse verlief, ist eines der besonderen Highlights der Formel-1-Produktion. Sie kann dynamische Kamerafahrten über den Start- und Zielbereich durchführen und bietet so beeindruckende Perspektiven auf die Startaufstellung und die Mechanikerteams, die sich auf das Rennen vorbereiten. Ergänzt wurde dieses Setup durch Aufnahmen aus einem Helikopter mit einer kreiselstabilisierter Kamera, die trotz Bewegung und Wind stabile Bilder von ganz oben lieferte.
Hautnah dabei
Ein Schlüsselelement der Formel-1-Übertragung sind die On-Board-Kameras, die direkt in den Fahrzeugen installiert sind. Jeder der 20 Rennwagen ist mit mindestens vier bis fünf Kameras ausgestattet, die einzigartige Perspektiven aus dem Cockpit bieten. Diese Kameras ermöglichen es den Zuschauern, das Rennen aus der Sicht des Fahrers zu erleben, während diese die Strecke entlangrasen, um so die Herausforderungen des Rennens hautnah mitzuerleben.
Die technische Hürden bei der Installation dieser Kameras sind nicht zu vernachlässigen. Sie müssen extremen Bedingungen standhalten, einschließlich Vibrationen, hoher Temperaturen und gewaltiger g-Kräfte, die auf Fahrer und Fahrzeuge wirken. Gleichzeitig dürfen sie das Gewicht und die Aerodynamik des Fahrzeugs nicht zu sehr beeinträchtigen. Jede Kamera wird über CCUs überwacht, die es den Regisseuren im fernen M&TC in Kent ermöglichen, den jeweils besten Bildausschnitt in Echtzeit zu wählen und die Kameras hierfür nach Bedarf zu steuern.
Zusätzlich zu den On-Board-Kameras in den Fahrzeugen kommen auch HD-Chipkameras zum Einsatz, die an unauffälligen Positionen wie etwa den Randsteinen der Strecke installiert sind. Diese Kameras liefern ungewöhnliche Blickwinkel und Detailaufnahmen, die es den Zuschauern ermöglichen, zu sehen, wie nah die Fahrzeuge an die Streckengrenzen kommen, während sie durch die Kurven manövrieren. Diese Aufnahmen verdeutlichen die Präzision, mit der die Fahrer agieren, und tragen wesentlich zur visuellen Dynamik der Übertragung bei.
Sounddesign und Tonproduktion
Während das visuelle Erlebnis der Formel 1 ein zentraler Be-standteil der Übertragung ist, spielt auch der Ton eine entscheidende Rolle. Das Heulen der Motoren und die Teamgespräche über Funk machen die Übertragung der Formel 1 zu einem audiovisuellen Erlebnis. Insgesamt 147 Mikrofone waren entlang der Strecke, in den Fahrzeugen und an den Kameras installiert, um den ganz spezifischen Sound der Formel 1 einzufangen.
Der Ton wurde für ein immersives Hörerlebnis in 5.1-Surround-Sound abgemischt. Besonders wichtig ist hierbei das „Audio-Following-Video“-System, das automatisch den Ton auf das entsprechende Kamerabild abstimmt. Wenn die Kameraperspektive wechselt, weil die Regie in Kent umschneidet, wird automatisch das entsprechende Mikrofon aktiviert, so dass der Ton stets zum Bild passt. Das sorgt dafür, dass der vorbeirasende Rennwagen nicht nur im Bild, sondern auch auf der Tonebene erlebbar wird. Die Zuschauer hören den Wagen förmlich über die Bildfläche fahren.
Auch der Funkverkehr zwischen Fahrern und Boxencrews wird live in die Übertragung eingebunden. Dieser Dialog, der während des Rennens oft hektisch, weil taktisch entscheidend ist, wird in Echtzeit gesendet und mit Grafiken oder Untertiteln versehen, um den Zuschauern Einblicke in die Renntaktik und die Strategie der Teams zu geben. Oft enthalten diese Funksprüche Informationen darüber, wann die Fahrer ihre Boxenstopps einlegen oder welche Reifenstrategie gewählt wird – entscheidende Faktoren, die über Sieg oder Niederlage entscheiden können. [15495]