2016 wurde ein Megaprojekt auf die Beine gestellt. In “24 Stunden Bayern” wird das ganze Bundesland einen Tag lang gezeigt. Und zwar wörtlich! Das Projekt ist eine 24-Stunden-Dokumentation. Diese wird am 5. Juni 2017 vom Bayerischen Rundfunk ausgestrahlt, ein Jahr nach den Dreharbeiten. Lesen Sie hier unseren Bericht über die Dreharbeiten aus der Ausgabe 9/2016.
Ein ganzes Bundesland, seine Menschen, seine Städte, Dörfer und Landschaften, einen ganzen Tag lang mit Kameras beobachten? Und dann soll innerhalb eines Jahres ein Dokumentarfilm von 24 Stunden Länge daraus entstehen, dessen einzelne Handlungssträngen korrekt in der Zeit liegen sollen? Eine schier unlösbare Aufgabe. Wir stellen die Kameraleute hinter dem Megaprojekt vor.
Eigentlich wollte Regisseur Volker Heise damals nur „24h Berlin“ stemmen. Er hatte sich schon im Vorfeld des Projekts immer gesagt: „Wenn ich das hinter mir habe, dann war’s das.“ Das war 2008, nach drei Jahren Vorarbeit. Dann fielen 80 Drehteams über Berlin her, alle gleichzeitig, 24 Stunden lang. Genau ein Jahr später wurde die 1440 Minuten lange Rekordsendung ausgestrahlt, analog zum Dreh einen kompletten Tag lang. 2014 folgte „24h Jerusalem“. Und nun hat Volker Heise schon wieder zugeschlagen Am 3. Juni 2016 entstand das Material zu „24h Bayern“.
Diesmal waren es über hundert Teams, die sich im größten Bundesland auf ihre Motive stürzten. Vier Hubschrauber- Crews, 17 Teams allein für Impressionen, und dann noch etwa 84 Teams für den eigentlichen Kern der Sache, die Protagonisten. Wie viele es genau waren, kann Volker Heise bei diesem Projekt gar nicht so genau sagen. Denn durch die ebenso plötzlichen wie verheerenden Überschwemmungen nicht nur in Simbach geriet einiges durcheinander, man musste umdisponieren und spontan weitere Teams hinzuziehen.
Sony stellte Kameratechnik
Die Organisation des Drehs selbst war in allen Teilbereichen ebenfalls eine Mammutaufgabe. Als das Konzept fertig war, mussten Protagonisten gefunden und Drehorte recherchiert werden, Kameraleute aus allen Teilen der Republik wurden angefragt und die technische Seite des Projekts musste in einen machbaren, tragfähigen Rahmen gepackt werden. Neben dem auftraggebenden Bayerischen Rundfunk und der produzierenden Zero One Film von Volker Heise kamen noch einige weitere an Bord, zum Beispiel die Produktionen Südfilm und Megaherz.
Hersteller Sony unterstützte das Projekt mit Kameras; es standen zur Verfügung: 34 Stück PDW-700, zwölf davon vom BR, 45 Stück PXW-FS7, 30 Stück PXW-Z150, fünf PXW-FS5 und fünf PMW-F5, dazu einige im Besitz der jeweiligen Kameraleute. Aufgezeichnet wurde auf SxS-Karten, DSXC, XQD sowie auf Professional Disc mit 64 und 128 GB. Ein einzelner Kameramann durfte auf seiner eigenen Canon C-300 drehen, dank Sondergenehmigung von Volker Heise. Und bei den Hubschraubern wurde akzeptiert, was die Filmpiloten dort sowieso verbaut und konfiguriert hatten.
Durch die Materialschleuse mussten sie alle: Eine große Studiohalle in Unterföhring bei München wurde zur zentralen Anlaufstelle für alle Beteiligten umfunktioniert. Die Kameraleute zogen eine Nummer, stellten sich geduldig an und bekamen dann anhand ihrer Aufgabe das entsprechende Equipment ausgegeben, fast alle am 1. Juni. Alle Kameras kamen mit voreingestellten Presets, an denen nichts mehr geändert werden durfte. Wer seine eigene Kamera hatte, musste sie hier entsprechend konfigurieren lassen. Auch die Auswahl der Optiken war von den Veranstaltern reduziert worden: Canon-Fotoobjektive für die FS7 und die FS5, Sony-Objektive für die übrigen Kameras, und für einige Sonderfälle noch besondere Objektive, zum Beispiel starke Weitwinkel für enge Räume.
Gedreht wurde bei den Protagonisten durchweg im Format 1080i50 XDCAM 422. Die Impressionsteams filmten mit 1080i50 XAVC-L 50 MBit in SLog3/Gamut3.Cine. Auch stilistisch gab es strenge Vorgaben: die Protagonistenteams durften nur aus der Hand drehen, und nur mit Available Light, und ohne Filter. Es gab nur wenige Ausnahmen, zum Beispiel durfte für die Begehung einer Kanalisation Licht gesetzt werden. Die Impressionsteams dahingegen sollten alles vom Stativ drehen, damit man ruhige Phasen im fertigen Film etablieren kann. Die Halle in Unterföhring war aufgeteilt in kleine Flächen, wo die Kameraleute ihre Gerätschaften und Optiken sammeln und testen konnten. Es herrschte der Eindruck, dass jeder Kameramann aus Bayern vor Ort sei.
Sicherheit durch Vordrehtag
Der Dreh fand an zwei aufeinanderfolgenden Tagen statt: Ein Vordrehtag, Probelauf genannt, am 2. Juni, gefolgt vom eigentlichen Drehtag, dem 3. Juni 2016, ein Freitag. Der Vordrehtag, so Volker Heise, hatte sich bei den Vorgängern als gute Herangehensweise etabliert, weil sich die Protagonisten so schon einmal an die Kamera gewöhnen konnten und am eigentlichen Drehtag dann deutlich entspannter waren. Auch können sich Teams an ihren Drehorten orientieren und bereits Establishing Shots und Arbeitsbilder drehen, die unter Umständen ihren Weg in die finale Version finden können. Ein Sicherheitsnetz für den Schnitt. Im Allgemeinen wurde am Abend des 1. Juni angereist, am 2. Juni dann der Probelauf, am 3. Juni dann Dreh und Abreise, so der Plan. Manche Teams hatten mehr Zeit vor Ort, wenn es schwierige Themen waren oder die Regie mehr Zeit brauchte, um das Umfeld zu erkunden, zum Beispiel im Drogenmilieu oder im Krankenhaus.
„Am Drehtag selbst ist man relativ hilflos“, gesteht Volker Heise. Er kann am Tag X natürlich nicht neben der Kamera stehen und klassisch Regie führen. Seine künstlerische Arbeit ruhte gewissermaßen am 2. und 3. Juni. Von Ruhe konnte jedoch keine Rede sein, denn nun galt es, hunderte von Telefonaten entgegenzunehmen, um Katastrophen abzuwenden und Entscheidungen zu fällen. Doch was letztlich gedreht wurde, entschieden die über hundert Kamerafrauen und -männer, die heute teilweise auch als Regisseure fungieren.
Die Aufgabe von Heises Gesamtregie war es, im Vorfeld die Themen auszuwählen und ein dramaturgisches Konzept zu entwickeln. In der Postproduktion müssen sie daraus ein stimmiges Werk erschaffen, das mehr ist als die Summe seiner Teile. Die Vorstellung, wie der Film einmal aussehen soll, wurde per Regiebrief kommuniziert und in Vorgesprächen geklärt. Nun war es an den Kameraleuten vor Ort, zu entscheiden, was eingefangen wurde. An diesen Tagen kulminierte also, was schon gut ein Jahr in Vorbereitung war.
Morgen gibt es hier passend zur Ausstrahlung von 24 Stunden Bayern den zweiten Teil unseres Berichts.