Redaktionsleiter Christian Dezer über lösungsorientierten Journalismus im ZDF
Bauplan für ein konstruktives TV-Magazin
von Gunter Becker,
Inspiriert vom sogenannten konstruktiven Journalismus trat im Herbst 2017 erstmals auch im ZDF ein „konstruktives“ Magazin auf den Sendeplan. „Plan b“ sollte den lösungsorientierten Journalismus ins deutsche Fernsehen bringen. Im Gespräch mit Film & TV Kamera zog „Plan b“-Redaktionsleiter Christian Dezer in unserem Heft 10.2019 eine Bilanz des ersten Jahres, erinnert sich an die Themen, die funktioniert haben und zeichnet einen Bauplan für einen lösungsorientierten TV-Beitrag.
Als Film & TV Kamera 2016 Ulrik Haagerup, den Spiritus Rector des konstruktiven und lösungsorientierten TV-Journalismus und ehemaligen Fernsehchef des dänischen Rundfunks, in Aarhus zum Gespräch traf, berichtete der auch von seinen Gesprächen mit dem ZDF. Stand Haagerup als Pate an der Wiege von Plan b, dem ersten kon- struktiven ZDF-Format? Christian Dezer, Redaktionsleiter bei Plan b, verneint das. „Das kann man so nicht sagen. Wir haben zwar ein Seminar bei Haagerup besucht, zum Thema ,Konstruktiver Journalismus in den Nachrichten‘ und ich habe auch sein Buch gelesen. Aber mit der Idee des konstruktiven Journalismus hatte ich mich bereits als Chef von Frontal 21 und von Zoom auseinandergesetzt“, berichtet Dezer. Zudem war der vormalige Chef von Frontal 21 und Zoom vor der Gründung von Plan b ohnehin viel in Europa unterwegs, um sich konstruktive Projekte vor Ort anzusehen und deren Macher*innen zu treffen. So reiste er etwa zum Londoner Institut für konstruktiven Journalismus, traf die Macher*innen der Online-Plattform Perspective Daily und die der niederländischen Plattform De Correspondent. Dezer führte auch Gespräche mit dem Soziologen Harald Welzer, der inzwischen mit seinem Institut FUTUR-ZWEI für Zukunftsfähigkeit einer der Kooperationspartner von Plan b ist und er war bei den Betreiber*innen der konstruktiven Plattform Tea after Twelve.
HYPETHEMEN
Impulse für ein konstruktives Format hatte Dezer aber auch schon während seiner eigenen Berufsbiographie empfangen. „Viele Zuschauer hatten uns zurückgespielt, dass wir immer nur kritisch und negativ berichten würden. Bei Zoom hatten wir dann immer wieder mal eine positive Wendung als ein Element in den Erzählstrang eingebaut. Das kam beim Publikum gut an, wir wir aus Zuschauerbefragungen erfahren haben“, erinnert sich Dezer.
Welche Plan b-Beiträge sind ihm aus dem ersten Sendejahr im Gedächtnis geblieben? Mit einem Beitrag über „kostenlosen öffentlichen Nahverkehr“ habe man, noch vorm Start der Diesel-Diskussion, einen guten Riecher für das Verkehrsthema gehabt. Ein Beitrag zum „bezahlbaren Wohnen“ nahm das Hypethema Wohnen auf. „Wir haben das Thema Integration von Migrant*innen anhand positiver Beispiele aus Stuttgart und Mechelen (Belgien) behandelt. Und es gab einen sehr gut eingeschalteten Beitrag zur Inklusion am Beispiel blinder und sehbehinderter medizinischer Tasterinnen, die Knoten erfühlen und so eine wichtige Rolle in der Brustkrebs-Früherkennung spielen“, zählt Dezer die ihm wichtigen Beiträge des ersten Jahrs auf Sendung auf. Bei anderen Themen, etwa einem Beitrag über Hilfen für Jugendliche mit Drogenproblemen, sei er zunächst skeptisch gewesen, ob die das Zuschauerinteresse träfen, sei dann aber von einem tollen Zuschauerfeedback überrascht worden.
Existiert in der Plan b-Redaktion eine Blaupause, ein Bauplan für konstruktive Beiträge? Dezer bestätigt, dass es einen solchen Grundriss gäbe. Und zudem habe man be- züglich der Machart der Beiträge auch eine Lernkurve absolviert. Anfangs war man davon ausgegangen, dass nur möglichst viele verschiedene positive Beispiele gezeigt werden müssten, um die Zuschauer davon zu überzeugen, dass es andere, konstruktive Lösungswege für Probleme gibt. So hatte man für den genannten Beitrag über den ÖPNV insgesamt sieben Beispiele für kostenlosen oder preiswerten und gleichzeitig gut funktionierenden öffentlichen Nahverkehr zusammengetragen. Wir haben dann aber schnell festgestellt, dass dem Zu- schauer bei dieser Erzählweise die Bindung an die Protagonist*innen der Geschichten schwerfällt. Und gerade die Akteure sind ja die interessanten Charaktere, die erfolgreiche Alternativen entwickelt haben“, betont Christian Dezer. [10302]