Showrunner Holger B. Frick und Produzent Benjamin Munz drehen in Los Angeles „X-Factor – Das Unfassbare“
Der Look der 1990er
von Timo Landsiedel,
Wenn zwei Deutsche einer US-Mysterserie für RTL 2 neues Leben einhauchen, ist das eine ungewöhnliche Kombination. Regisseur Holger B. Frick und Produzent Benjamin Munz drehten im Sommer an 44 Tagen acht Episoden der Mysteryserie „X-Factor – Das Unfassbare“ und flogen dafür nach Hollywood. Wie es zum Auftrag kam, ob auch Gastgeber Jonathan Frakes mit dabei ist und warum die Crew in Los Angeles drehen durfte, haben wir von Munz und Frick erfahren.
Kopflos in Los Angeles: Das ist nie eine gute Idee, um ein Projekt zu beginnen. Wenn das allerdings das Ergebnis des Projekts ist, sieht das schon anders aus. Über 40 kurze Gruselgeschichten drehte eine Crew, geführt durch Showrunner Holger B. Frick und Produzent Benjamin Munz, in diesem Sommer in Los Angeles. Das in Deutschland überaus populäre Mystery-Mitrateformat „X-Factor – Das Unfassbare“ durfte das Team für RTL 2 neu auflegen. Moderator Jonathan Frakes, der nach der ersten Staffel von 1998 von James Brolin übernommen hatte, präsentierte von 1999 bis 2002 jeweils fünf Gruselkurzfilme pro Folge und offenbarte erst am Ende, welche auf wahren Begebenheiten beruhte.
Reboot
Bereits 2018 hatte RTL 2 begonnen, Sonderfolgen zum 20. Jubiläum der Serie zu produzieren. Verantwortlich dafür war Redakteur Gerhard Putz, Head of Digital Creative. Diese waren in Deutschland gedreht worden mit Detlef Bothe als Moderator und Influencern sowie YouTubern als Darstellern. Obwohl die Quoten gut waren, zerriss die Onlinecommunity den Versuch in der Luft, denn der 1990er-Charme des Originals wurde nicht erreicht.
Holger Fricks Verbindung zu RTL 2 war über die Jahre nie abgebrochen. Er äußerte irgendwann das Interesse, einmal das Gefühl des Originals, also etwas Atmosphärischeres für „X-Factor“ ausprobieren zu wollen. Tatsächlich kam kurze Zeit später der Auftrag, eine zehnminütige Story zu drehen, die seine Umsetzung demonstrieren sollte. Also stellte Frick ein Team zusammen. Die DoPs waren Eugen Gritschneider und Florian Langanke und sie legten los. Die Redaktion war von der Qualität begeistert und sagte Frick zu, wenn er jetzt noch Jonathan Frakes dazu gewinnen könne, dürfe er für Halloween 2021 erneut eine aktuelle Episode mit vier Stories für den mittlerweile zur Tradition gewordenen „X-Factor“-Marathon produzieren.
Frick bearbeitete Frakes aus der Ferne, der sagte schließlich zu und Frick durfte drei weitere Geschichten drehen. Die Quote bei der Ausstrahlung am 31. Oktober 2021 gegen den „Tatort“ war hervorragend. So kam nur wenige Tage später die Anfrage, ob Frick auch 8 Episoden für das darauf folgende Jahr produzieren könne. „Ich habe von Anfang an gesagt, mir ist das für Superama zu groß, ich würde mir gerne einen Koproduzenten suchen, der mit so was mehr Erfahrung hat“, so Holger B. Frick. So klingelte das Telefon bei Benjamin Munz. Der ist selbst großer Fan der Serie und war gerade zu Wiedemann & Berg gewechselt. „Außerdem wollten Holger und ich schon immer was zusammen machen“, so Munz. „Ich habe das als großes Geschenk gesehen, so was mal aus Deutschland heraus zu produzieren. 40 Kurzfilme, die alle einen Genrebackground haben.“ Wiedemann & Berg waren sofort mit an Bord. Munz und Frick kannten aus ihrer Arbeit, aus der Hochschulzeit und aus dem Umfeld der Initiative Neuer Deutscher Genrefilm viele Kreative, die sie für die einzelnen Stories anfragten.
Back to the 90s
Mit 44 Drehtagen am Stück war das Projekt eine Heraus- forderung. Täglich entstand eine Kurzfilmstory. Regie führte eine Auswahl deutscher Genreregisseure, wie Benni Diez, Christoph Helmer, Steffen Hacker oder Renato Novakovic. Auch Frick, Munz und Soudjian übernahmen einige der Stories. Immer waren Frick, Munz und der auch in Los Angeles mitproduzierende Gerhard
Putz sowie ihr ganzes Team darauf bedacht, das Beste aus dem Material herauszuholen. „Du kriegst es nie so hin, wie damals, weil die Leute ein verklärtes Bild in Erinnerung haben“, so Holger Frick. „Die Herausforderung war, eine Gratwanderung zu schaffen. Auf der einen Seite das Gefühl von damals, auf der anderen Seite unsere heutigen Mittel.“ Dazu gehörte natürlich auch der Look. Der NTSC-Fernsehlook der End-1990er hat natürlich so gar nichts gemein mit dem gestochen scharfen HD-Bild der heutigen Zeit.
Gedreht wurde auf der ARRI ALEXA Classic. Um näher an den verwaschenen Look der 1990er heranzukommen, wählten die Macher die ZEISS Super Speeds. „Dadurch bekommst du schon mal einen anderen Look, als wenn du moderne Optiken nimmst“, so Holger Frick. Die visuelle Crew versuchte die Softness des Fernsehbilds der 1990er zu imitieren. Zusätzlich zu den Objektiven filterten die DoPs kräftig, oft mit Black Pro-Mist und Bluestreak-Filter. „Außerdem haben wir immer mit 4:3 im Kopf kadriert“, verrät Holger Frick. „Es wäre also möglich, eine Retro-TV-Version anzufertigen.“ Zudem setzten sie über lange Strecken auf den Einsatz der Steadicam. Das war nicht nur ein Gebot des Zeitdrucks, weil sich durch Plansequenzen komplexe Auflösungen sparen lassen. Es lehnt sich auch an den 1990er-Jahre-Stil an.
Am Set kam viel Haze zum Einsatz, teils als echter, sichtbarer Nebel, teils als Mittel, um das Licht sichtbar zu machen. Viel hartes Licht, viel Backlight und teilweise stark farbiges Licht kam zum Einsatz, wie in der Totalen des kopflosen Reiters zur Wildwest-Zeit. Der Grünstich im Licht ist äußerst artifiziell, deshalb aber umso passender für das Vorhaben. Die Filmemacher hatten zusammen mit dem visuellen Team auch hier die alten Episoden analysiert. Colorist Florian Wolf hatte das Team schon mit einer LUT für die Dreharbeiten ausgestattet, die das noch unterstützte. Der kreative Schnitt durch Haupt-Editor Sebastian Wild fand bei Superama in München statt und begann schon während des Drehs, da das Team wusste, dass zwischen Drehzeit im August und Ausstrahlung im Oktober nicht viel Zeit liegen würde. [15278]
Die neuen Folgen kommen wirklich an die alten heran, man merkt die Liebe der Macher zur Serie und ihre hier beschriebene Vorgehensweise, um möglichst nah an die damalige Art der Produktion ranzukommen, sollte verpflichtender Standard in Hollywood werden. Ich bin sehr dankbar für dieses großartige Werk und hoffe auf viele weitere Folgen in dieser Qualität!
Die neuen Folgen kommen wirklich an die alten heran, man merkt die Liebe der Macher zur Serie und ihre hier beschriebene Vorgehensweise, um möglichst nah an die damalige Art der Produktion ranzukommen, sollte verpflichtender Standard in Hollywood werden. Ich bin sehr dankbar für dieses großartige Werk und hoffe auf viele weitere Folgen in dieser Qualität!