Mit seinem Kino-Dokumentarfilm “Power to Change – Die EnergieRebellion” begeistert der deutsche Regisseur und Produzent Carl-A. Fechner Zuschauer im In- und Ausland. Sein eindringliches Plädoyer für eine rasche Umsetzung der Energiewende ist in Deauville mit dem Golden Green Award ausgezeichnet worden. Bei der Produktion dieses Films hat das Team auch hinter der Kamera auf nachhaltige Prinzipien gesetzt. Hier lesen Sie das komplette Interview.
Mit ihrer Produktionsfirma fechnerMEDIA produzieren Sie Dokumentarfilme, TV-Reportagen, Magazinbeiträge und Image-Filme zu Themen wie Ökologie und Nachhaltigkeit. Wie ist diese spezielle Ausrichtung entstanden?
Anfänglich war Krieg und Frieden unser Thema. Da ich in den 80er Jahren sehr stark in der Friedensbewegung verwurzelt war, lag es für mich nahe, Fernsehfilme über den damaligen Irak-Krieg zu drehen. Daraus entstand eine Trilogie über den Irak mit „Vor dem Krieg“, „Berichte aus einem zerschlagenen Land“ und „Die Hoffnung kommt wieder“. Mit diesen berührenden menschlichen Filmen war unser Unternehmen, das ich 1989 gegründet habe, sehr erfolgreich. Wir haben uns als Peace-Reporter verstanden und mit unseren Produktionen hohe Einschaltquoten erzielt.
Warum sind Sie nicht dabei geblieben?
Wir merkten, dass wir vom Krieg profitierten, quasi Kriegsgewinner waren. Das war mit unseren Firmengrundsätzen nicht zu vereinbaren. Wir sind deshalb dazu übergegangen, Chancen und Perspektiven aufzuzeigen sowie die Visionen von Menschen, die dahinter stehen. Damit sind wir schnell in dem Themenbereich angekommen, der heute Nachhaltigkeit genannt wird. Dabei geht es um Ökologie, was eng mit dem Thema Energie verknüpft ist und mit erneuerbaren Energien als Zukunftsvision.
Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung unseres Planeten sind Themen, die mich schon als junger Mensch berührt haben. Dabei spielte das Thema Ungerechtigkeit immer eine Rolle. Es ist ungerecht gegenüber der nächsten Generation, Atomkraftwerke zu bauen. Es ist unmoralisch, ihr solch ein Erbe zu hinterlassen; ganz abgesehen von den damit verbundenen Gefahren und Sicherheitsrisiken.
Ist Nachhaltigkeit für Sie ein Lebensprinzip?
Ich bin über die Jahre von einem Werte-Kanon geprägt worden, was sich auch in meinen Filmen dargestellt hat. Als ich die Chance besaß, ein eigenes Haus zu bauen, habe ich mich für ein Passivhaus entschieden, das mehr Energie erzeugt als verbraucht. Mit unserem Passivhaus auf Plusenergie-Basis generieren wir 7.000 Kilowattstunden pro Jahr, wovon wir 2.600 Kilowattstunden verbrauchen. Der Rest wird ins Stromnetz eingespeist und verkauft. Rund 80 % unseres gesamten Wärmebedarfs werden passiv durch die Sonne erzeugt, die restlichen 20 % stammen von den Sonnenkollektoren auf dem Dach. Für den Fall, dass die Sonne eine Woche lang nicht scheint, sind wir an ein Nahwärmenetz angeschlossen, das seine Wärme aus einem kleinen Blockkraftheizwerk von der Größe eines Containers bezieht, in dem Holzpellets verbrannt werden.
Was bedeutet für Sie nachhaltige Produktion bei der Filmherstellung?
Vor der nachhaltigen Herstellung eines Films muss zunächst die Firma insgesamt nachhaltig aufgestellt werden. Das umfasst viele Bereiche wie z. B. die Energieversorgung des Unternehmens. Im unserem Fall beziehen wir ausschließlich Ökostrom von EWS. Der zweite Punkt ist, angebotsseitig auf das Essen Einfluss zu nehmen. Bei uns in der Firma beziehen wir eine Gemüsekiste aus der Region, denn wir kochen bei uns schon seit fünfzehn Jahren für das gesamte Team. Zu diesem Zweck werden zwei Mitarbeiter eine Stunde lang abgestellt, was zur bezahlten Arbeitszeit zählt. Unsere Crew hat sich dazu entschlossen, ausschließlich vegetarisch zu kochen.
Der dritte Bereich betrifft die Mobilität. Wir setzen weitestgehend auf öffentliche Verkehrsmittel wie die Bahn. Einige Mitarbeiterinnen verzichten komplett auf Flüge und reisen stattdessen mit Nachtzügen. Ich selbst reise weitestgehend nur mit meinem Elektroauto, einem BMWi3 und der DB. Damit sind die größten Faktoren Energie und Transport abgedeckt.
Welche Erfahrungen haben Sie bisher mit dem Elektroauto gesammelt?
Ich bin damit in knapp zehn Monaten 27.000 km gefahren. Ich lade das Auto meist mit dem Solarstrom auf, der bei uns zuhause auf dem Dach erzeugt wird. Unterwegs kann ich es in 40 Minuten Stunden an den Power-Charge-Stationen aufladen. Allerdings ist die bestehende Infrastruktur noch längst nicht ausreichend. Meine Assistentin muss stets die Hotels dazu bewegen, mir eine Steckdose zur Verfügung zu stellen, so dass ich mein Auto aufladen kann. Wenn das nicht möglich ist, übernachte ich dort nicht. Auf diese Art und Weise werden die Hotels dazu gebracht, in dieser Richtung aktiv zu werden. Es gibt bereits einige Bio-Hotels, die damit werben, dass sie ihren gesamten Strom aus Photovoltaik beziehen.
Reicht der Strom stets für alle Strecken?
Mein Auto verfügt über einen kleinen 8 Liter-Tank, auf den ich zurückgreifen kann, wenn der Strom aufgebraucht ist. Die Energiekosten für meinen zurückgelegten 27.000 km belaufen sich auf 360 Euro. Jedes Mal, wenn ich für zehn oder elf Euro tanken muss, moniere ich, dass dort eine Ladesäule fehlt.
Was sind die größten Herausforderungen bei einer grünen Produktion?
Die wesentlichen Veränderungen sind für mich, seine Firma umzugestalten. Zur Nachhaltigkeit gehört für mich auch soziale Gerechtigkeit. Wir haben immer schon unsere Praktikanten bezahlt, denn es ist gegen meine Grundüberzeugung, junge Leute in unbezahlten Praktika zu verheizen. Wir bilden auch aus und bieten ein umfangreiches Trainee-Programm für AkademikerInnen. Während dieser eineinhalb Jahre stellen wir die Trainees für zehn Tage frei, damit sie zusätzliche Fortbildungskurse besuchen können. Wir zahlen dafür 1.250 Euro pro Trainee. Dieses Angebot wird sehr gerne wahrgenommen, denn wir können als Unternehmen nicht alles abdecken, obwohl wir sehr breit aufgestellt sind.
Wie viele Mitarbeiter sind für FechnerMEDIA tätig?
Wir beschäftigen acht bis zehn MitarbeiterInnen. Hinzu kommen freie Autoren, die Themen entwickeln. Und natürlich TechnikerInnen. Wir produzieren Kinofilme, Fernsehfilme, aber auch Image-Filme. Derzeit erfolgt 80 Prozent unserer Produktion für den Kinofilmbereich. Wir möchten allerdings den Fernsehbereich wieder verstärken.
Wie einfach ist es, Themen zu Ökologie und Nachhaltigkeit bei den Sendern zu platzieren?
Wir müssen ein Thema immer so aufbereiten, dass es für den Sender interessant ist. Wir benötigen dafür qualifizierte Autoren mit Know-how und viel Begeisterung und Regisseure, mit denen wir solche Projekte entwickeln und realisieren können.
Dank der Weltklima-Konferenz ist das Thema Nachhaltigkeit kurzfristig in die Fernsehrealität eingezogen, aber mittlerweile ist es schon wieder rückläufig. Es sind nicht nur die Privatsender, die auf Quoten setzen. Auch bei der Programmplanung der Öffentlich-Rechtlichen geht es nicht ausschließlich um die Verantwortung für ein Thema. Der Kuchen wird insgesamt kleiner – nicht nur im Bereich der Nachhaltigkeit. In der Fernsehwelt gibt es eine Verunsicherung, da der Einfluss des Internets zunimmt. Zudem entstehen immer mehr Spartenkanäle. Unser Fernsehgeschäft hat eine Delle, was wir korrigieren möchten. Die Sender brauchen nach wie vor ambitionierte Regisseure und Produzenten – und sie schätzen sie auch.
Wie sah das Konzept für Ihren Kino-Dokumentarfilm „Power to Change – Die EnergieRebellion“ aus?
Unsere Absicht war, einen Dokumentarfilm mit internationalem Anspruch zu realisieren, der weltweit funktioniert. Wir haben auf eine klassische Dramaturgie gesetzt, um das Leben einiger Protagonisten zu zeigen. Die größte Herausforderung war dabei die Auswahl der Themen und Protagonisten. Wir haben intensiv über Jahre recherchiert. Die Produktion hat vier Jahre lang gedauert. Es ist ein großes Geschenk des Lebens, sich so lange mit einem Thema beschäftigen zu können.
Um auch in technischer und künstlerischer Hinsicht einen High-End-Dokumentarfilm zu produzieren, haben wir den Deutschen Kamerapreisträger Philipp Baben der Erde engagiert und ihm größtmögliche Freiheit bei der Auswahl der Crew und des Equipments gelassen. Er hat sich für die ARRI ALEXA entschieden, mit der auch der James Bond-Film “Skyfall” gedreht worden ist. Wir haben unseren Film ebenfalls im Cinemascope-Format aufgenommen. Um einen cineastischen Spielfilmlook zu erhalten, haben wir uns für die speziellen, in Deutschland hergestellten Hawk Anamorphoten der Firma Vantage Film entschieden.
Wie groß war Ihre Crew?
Sie bestand aus einem neunköpfigen Team, mit dem wir mehr als drei Monate gedreht haben. Dazu gehörten zwei Kameraassistenten und ein Oberbeleuchter. Nach der grundsätzlichen Auswahl des Equipments haben wir danach entschieden, was sich künstlerisch am ehesten anbietet. LED-Lampen sind ausgesprochen praktikabel, da sie mit Akkus laufen, so dass keine langen Kabel verlegt werden müssen. Sie sind energieeffizient, leicht und lassen sich stufenlos in der Farbtemperatur regeln. Bei der Wahl zwischen LED und konventionellen Licht würde ich mich immer für LED entscheiden. Eine der Schlüsselszenen im Film, in der ein Protagonist eine Maschine in Betrieb nimmt, die Pellets aus biologischen Restmaterialien herstellt, ist überwiegend mit LED ausgeleuchtet worden. Wenn wir sehr starkes Licht benötigten, mussten wir leider auf HMI-Scheinwerfer mit 1,8 KW ausgeweichen, die allerdings eine höhere Lichteffizienz als konventionelle Scheinwerfer haben. Wir haben unser sämtliches Equipment in Berlin und München gemietet und hatten kein Problem damit, dort LEDs zu bekommen.
Wie sah es mit den anderen ökologischen Aspekten aus?
Die Produktion erfolgte nach den Grundsätzen ökologischer Wahrhaftigkeit, so dass eine Übereinstimmung zwischen dem besteht, was wir zeigen und wie wir uns verhalten. Das betraf die Auswahl der Hotels, die Mobilität, aber auch, wie wir bestimmte Szenen umgesetzt haben. Wir haben z.B. gezeigt, dass die Protagonisten im Film im Bus und nicht mit ihren PKWs oder dem Flugzeug zur Demo nach Brüssel reisen. Es ist möglich, bei der Drehbuchgestaltung Szenen so zu einzubauen, dass sie nachhaltigen Aspekten Rechnung tragen.
Womit wurde bei dieser Produktion der größte ökologische Effekt erzielt?
Bei unseren Reisen haben wir zwei Kontinente ausgespart, indem wir vorhandenes Material verwendet haben. Wir haben auf den Dreh in Japan verzichtet und stattdessen Archivmaterial und Fotos von der Ruine in Fukushima eingesetzt. Zudem sind wir diesmal nicht in die USA geflogen. Für unseren Film “Die 4. Revoltion” hatten wir dort mit dem Tesla-Chef Elon Musk gedreht. Diesmal haben wir uns die weite Reise nach Kalifornien erspart und einen öffentlichen Auftritt von ihm in die Geschichte integriert, indem sich ein Protagonist seine Präsentation über große Stromspeicher auf dem Monitor anschaut. Wir hätten diese knapp zweiminütige Passage fast genauso gestaltet, wenn wir dorthin gefahren wären.
Wäre es nicht auch ein Sicherheitsrisiko gewesen, in Fukushima zu drehen?
Ich war schon zweimal in Fukushima und zwar so nah am Reaktor, wie es innerhalb der teilgesperrten Zone möglich war. Es ist schon beeindruckend, wenn dort der Geigerzähler anschlägt. Grundsätzlich unternehme ich nichts, das für die Crew gefährlich ist. Dort eine Woche zu drehen, hätte keine Gefährdung für das Team bedeutet.
Das galt übrigens auch für die Ukraine. Wir haben dort die Reise eines Protagonisten in eine Region gedreht, in der noch aktive Kämpfe stattfinden. Dabei haben wir erfahren, dass die Umgestaltung der Wirtschaft auf ein dezentrales System, das auf erneuerbaren Energien basiert, eine stark friedens-fördernde Wirkung hätte, weil es zu einer größeren Autonomie führt. Der Dreh dort war so ungefährlich wie er in einem Land sein kann, in dem in 80 km Entfernung geschossen wird.
Wie gestaltet sich eine grüne Produktion in wirtschaftlicher Hinsicht?
Es ist nicht teurer, LED-Equipment auszuleihen. Auch vegetarische Bio-Kost kostet nicht mehr als Döner..Unsere Teams bestehen aus vier bis zehn Mitgliedern. Ich habe es eingeführt, dass wir bei Fernsehdrehs zu viert arbeiten. Bei den meisten Produktionen besteht das Team nur aus zwei oder drei Mitgliedern oder einem Videojournalisten, aber die Ersparnis ist nur eine kurzfristige Rechnung. Wenn wir uns beim Drehen so verausgaben, dass einige Mitarbeiter krank werden, ist dadurch nichts gewonnen.
Der Verzicht auf Flugreisen wirkt sich positiv auf die Reisekosten aus. Dafür stellen wir unseren Mitarbeitern eine Bahncard 50 zur Verfügung.
Ist es immer möglich, beim Dreh unterwegs vegetarische Bio-Kost zu bekommen?
Wir haben unterwegs unsere eigenen Tische aufgebaut oder möglichst Schnellrestaurants besucht, die vegetarisches Essen anbieten. Auch dies ist im Vorfeld von zwei Producerinnen in unserer Firma organisiert worden. Für gutes Essen zu sorgen, ist ein großes Thema. Natürlich stoßen wir dabei auch rasch an Grenzen, aber diese Grenzen lassen sich auch ein bisschen erweitern. Trotzdem: Essgewohnheiten von Filmschaffenden zu ändern, zumal von freiberuflichen, ist schwierig…
Überwindet “Power to Change” auch beim Abspiel die Grenzen?
Es gibt eine Vielzahl von Anfragen für den Film. Wir haben ihn auf den Film Festivals in Teheran und Warschau, auf dem Filmmarkt in Cannes sowie auf der Solar-Messe Intersolar präsentiert. Wir haben
bereits Kinovereinbarungen mit Frankreich, Österreich und der Schweiz geschlossen, denn viele Menschen wollen den Film sehen.
In Deutschland ist der Film bisher in mehr als 300 Städten im offiziellen Kino-Programm gelaufen. Es gibt ein öffentliches Interesse für “Power to Change”, wie auch die vielen Einladungen zu Talk-Shows und Interviews belegen. Dieses Thema interessiert die Menschen. Da wir ein wahrnehmbares Überangebot an Filmen im Kino haben, setzen viele Kinobesitzer den Film nach einer Woche wieder ab. Unser vorheriger Film “Die 4. Revolution” ist in 28 Sprachen übersetzt worden und war mit 130.000 Kino-Besuchern im Jahr 2010 mit Abstand der erfolgreichste Kinodokumentarfilm in Deutschland. Dies ist auch diesmal unser Ziel; und wir sind gut dahin unterwegs – nicht nur im Kino.