In unserer Ausgabe 9/2018 berichtete Gisela Wehrl, wie Regisseur Matthias Zirzow und DoP Bernhard Wagner die Aufgabe lösten, den Zweiten Weltkrieg kindgerecht zu erzählen. Als ganz eigenes Element geben dabei kleine Figuren der Protagonisten in Modell-Landschaften einen Überblick über das Geschehen.
(Bild: SWR/Looksfilm/Matthias Zirzow)
Die Kamera bei dem Dreh der Modellaufnahmen im Dezember 2017 übernahm Jan Paweł Trzaska. DoP Wagner hatte zunächst überlegt, ob er gemeinsam mit dem Regisseur zum Modelldreh nach Polen fährt: „Aber am Ende war das Quatsch. Das bringt für den Kollegen nur Verwirrung rein, wenn ich danebenstehe.“ Zusammen mit dem Coloristen Kay Dombrowsky, der mit seinem Studio Trickkiste später auch das finale Grading übernommen hat, führte Wagner einige Tests in der Farbkorrektur durch, wie die Übergänge zwischen dem unterschiedlichen Material gestaltetet werden sollen. „So konnten wir uns beim Modelldreh orientieren, wie Dunkel machen wir den Abend, machen wir ihn eher blau oder rot“, sagt der Regisseur. Dies war besonders wichtig, weil bei den Modellszenen auch zeitliche Abläufe hergestellt werden, wie Tag-Nacht-Wechsel. Die Modellcrew nutzte die gleiche Technik mit der gleichen Kamera und identischen Filtereinstellungen, allerdings mit lichtempfindlichen ZEISS Makro-Planar-Objektiven. Gerade in Bezug auf den Modelldreh konnten die Macher von „Der Krieg und ich“ von den Erfahrungen der ersten Staffel profitieren. Dort gab es nur symbolhafte Figuren, nun hat jeder Darsteller eine eigene Entsprechung als Modell, einmal im Maßstab 1:16, einmal 1:35 für die Hintergründe.
„Der erste Schritt ist eine Verabredung mit dem Zuschauer. Die Modelle sind eine Brücke zwischen dem Erzählteil der Dramaszenen und dem Beweis in Form des Archivmaterials“, erzählt Zirzow. Die Modellwelten hatten Zirzow und die anderen beiden Autoren Maarten van der Duin und Ramona Bergmann bereits in den Drehbüchern konzipiert. Während des Rohschnitts setzten die Editoren Daniel Förtsch und Dirk Seliger Skizzen der Modell-Welt als Platzhalter ein, mit Off-Kommentaren als Layout. Dadurch wurden die Länge der Modellwelt-Szenen und ihre Kamerabewegungen festgelegt. Diese Informationen überführte Regisseur Zirzow noch in Deutschland in eine Shotlist.
MODELLE WERDEN LEBENDIG
Für den Modelldreh selbst standen in Wrocław drei Vorbereitungstage, ein Test- und elf Drehtage zur Verfügung. Die wichtigste Frage war für Zirzow: „Wie machen wir die starre Modellwelt lebendig? Damit die Zuschauer sie als Bindeglied akzeptieren und die Modellwelt nicht herausfällt.“ Also experimentierte das Team mit DoP Jan Paweł Trzaska am Testtag mit verschiedenen Elementen wie Wasser, Nebel oder Pyroeffekten und kalkulierte die Umbauzeiten. „Die Erfahrungen bei ‚Kleine Hände‘ haben gezeigt, dass es unheimlich lebendig wird, wenn wir mit Vorder- und Hintergründen arbeiten“, erzählt Zirzow. Das setzten sie bei „Der Krieg und ich“ gezielt ein, mit Hilfe der unterschiedlichen Skalierungen der Figuren: „Damit schaffen wir Dimensionen.“
(Bild: SWR/Looksfilm/Matthias Zirzow)Die Kamera wurde auf den Kopf gedreht und auf dem Jib-Arm montiert, von wo auch die meisten Einstellungen gedreht wurden, „um möglichst in Augenhöhe mit den Figuren zu kommen. Damit hatten wir mehr Bewegungsfreiheit, die uns so dicht wie möglich an die Modelle heranbrachte“, so der Regisseur. Im Schnitt gab es 25 bis 30 Szenen pro Tag zu drehen, manche bestanden nur aus einer Einstellung wie langsamen Zufahrten. „Aber wir wollten eine lebendige Verknüpfung und haben einige Szenen wie im Drama komplett aufgelöst, um uns an den schnellen Schnittrhythmus anzupassen.“ Jan Paweł Trzaska betonte immer wieder: „Das war ein sehr filigranes Arbeiten.“
Die 1:16-Figuren hatten Metallstifte an den Füßen, mit denen sie auf den Modellen am Boden befestigt werden konnten, bei den kleineren Figuren ging das nur mit Knete. Es gab auch Komparsenfiguren, die sich in jeder Folge wiederfinden. Auch die Häuser wurden so oft wie möglich in den anderen sieben Modellwelten kombiniert. Mit dem deutschen Stadtviertel wurde also auch die schottische Industriestadt Clydebank sowie das Ghetto erweitert. In der Modellwelt waren zusätzlich Special Effects im Einsatz, Nebel und Schnee, Clydebank wird im Bombenhagel zerstört. Die Ruinen, die dafür gebaut wurden, bildeten auch den Hintergrund für das Gruppenbild der Protagonisten im Vorspann.
„Kinder stellen die Modellwelt nicht in Frage“, sagt Zirzow. Erwachsenen würden Drama und Archiv oft reichen: „Die Modelle werden von den Kindern spielerisch akzeptiert. So können die Übergänge zwischen Drama und Archiv verschmelzen.“ Gerade bei sensiblen Themen wie der Judenvernichtung in den Gaskammern und dem Bombenkrieg ist der Regisseur sehr froh, dass ihm diese Erzählebene zur Verfügung steht, denn neben der räumlichen Orientierung haben die Modelle noch eine viel wichtigere Funktion: „Wir brauchen die Modelle, damit die Kinder spüren: Es ist vorbei. Es tut nicht mehr weh!“
Wie der Realdreh bei dem Projekt ablief, erfahren Sie hier.
[6111]
AUSGEZEICHNET MIT DEM GOLDENEN SPATZ
Die Folge „Anton“ wurde im Juni mit dem Goldenen Spatz in der Kategorie Information/Dokumentation ausgezeichnet. Die Kinder-Jury fand, dass „der Zweite Weltkrieg anschaulich auf den Punkt gebracht worden ist.“