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Die Wende 1989 für Kinder erzählt

Die DDR interpretieren

30 Jahre nach der friedlichen Revolution erscheint die DDR den Kindern von heute so weit entfernt wie ein fremder Kontinent. Die beiden Regisseure Matthias Bruhn und Ralf Kukula bringen ihnen die diese Zeit mit dem ersten Animations-Kinderfilm nahe. “Fritzi – Eine Wendewundergeschichte” wurde weitgehend als klassische 2D-Animation mit einigen Spezial-Elementen realisiert.

(Bild: Weltkino Filmverleih)

“Fritzi war dabei”: so lautet der Titel von Hanna Schotts Kinderbuchvorlage für “Fritzi – Eine Wendewundergeschichte”. Dabei war Fritzi bei den Geschehnissen vom Sommer bis zum Herbst 1989, als der Ostblock zusammenbrach und die DDR Geschichte wurde. “Im Buch nimmt Fritzi eine Beobachterrolle ein, für den Film haben wir eine aktive Heldin aus ihr gemacht”, sagt Ralf Kukula, gemeinsam mit Matthias Bruhn Regisseur des Animations-Films. “Wir machen keinen trockenen Geschichtsunterricht. Emotionalität ist das wichtigste Argument für unseren Film.” “Häufig sind es die kleinen Momente, die die Geschichte voranbringen”, ergänzt Matthias Bruhn. Die größte Herausforderung für die beiden Regisseure und Drehbuchautorin Beate Völcker: “Wir wollen Fritzis Geschichte vor dem historischen Background erzählen, aber mit einem richtigen Spannungsbogen“”, sagt Bruhn.

Auch der Filmverleih Weltkino folgt einer ganz speziellen Dramaturgie: Die Deutschlandpremiere findet in der Nikolai-Kirche statt, eine der Keimzellen der Montagsdemonstrationen. Der Kinostart wurde auf Mittwoch, den 9. Oktober gelegt, jenen Tag, der 1989 die Wende einleitete, weil die Staatsmacht eben nicht eingriff und 70.000 Menschen friedlich demonstrieren konnten. Die Filmhandlung beginnt bereits im Sommer, als sich Fritzi im gemeinsamen Baumhaus von ihrer Freundin Sophie verabschiedet. Sophie fährt in den Ferien mit ihrer Mutter nach Ungarn und ihren Hund Sputnik lässt sie in der Zwischenzeit bei Fritzi. Doch im September kehrt die Freundin nicht nach Leipzig zurück. Obwohl “Fritzi” die Stasi ebenso thematisiert wie den Schießbefehl an der Mauer, zeigen die Regisseure die DDR nicht als tristen Ort. “Der Himmel war trotzdem blau und das Gras war grün”, sagt Bruhn. “Fritzis Welt sieht oft schön aus. Aber wir zeigen nicht nur die heile Welt des Baumhaues, wir zeigen auch die Schattenseiten. Allerdings gibt es keine brutalen Szenen.”

OSSI UND WESSI
Die beiden Regisseure bilden eine ost-west-deutsche Doppelspitze. Beide sind 1962 in den unterschiedlichen deutschen Staaten geboren und dann dort aufgewachsen. Ralf Kukula machte 1987 sein Trickfilm-Diplom an der Filmhochschule in Potsdam-Babelsberg und arbeitete im Anschluss daran im DEFA-Studio für Trickfilme in Dresden. “Ich konnte animieren, eigentlich mein Traum von Kindesbeinen an. Doch die Regisseure, für die meine ehemaligen Kommilitonen und ich zeichneten, waren im Alter unserer Eltern und Großeltern. Ich wollte aber meine Geschichten erzählen”, erzählt der Regisseur. Nach dem Mauerfall ging es schließlich auch mit der DEFA zu Ende und Kukula wurde zusammen mit 250 Kollegen des Trickfilmstudios entlassen: “Ich hatte schneller und ganz anders als gedacht die von mir ersehnte Freiheit.” 1993 gründete er schließlich Balance Film. Der Schwerpunkt liegt auf Kinder-Animationsserien und -Kurzfilmen. Über einen dieser Kurzfilme, “Die schöne Annalena”, stieß er beim Klett Kinderbuch Verlag aus Leipzig auf das Kinderbuch “Fritzi war dabei”. Das war ein Teil seiner eigenen Geschichten, die Kukula auf alle Fälle erzählen wollte.

“Uns war klar, dass so ein langer Animationsfilm für Balance Film viel zu groß ist”, sagt Kukula. Daher machte er sich auf die Suche nach einem innerdeutschen Koproduktionspartner. “Nach dem Lesen war uns allen klar: dieses Buch muss unbedingt verfilmt werden“, sagt Koproduzent Richard Lutterbeck, der gemeinsam mit Co-Regisseur Matthias Bruhn das TrickStudio Lutterbeck leitet. Der ergänzt: “‘Fritzi’ ist ein Familienfilm im besten Sinn. Wir wollen, dass die Eltern mit ihren Kindern reingehen.” Trickstudio Lutterbeck ist insbesondere über seine Maus-Spots für “Die Sendung mit der Maus” bekannt. “Ein langer Animationsfilm wie ‘Fritzi’ ist natürlich deutlich komplexer – und zugegebenermaßen auch spannender”, sagt Bruhn, der mit “Molly Monster” bereits einen Animationsspielfilm realisiert hat.

700 BETEILIGTE AN ELF STANDORTEN
“Das Hauptproblem in der Finanzierung war, dass es zu unserem Film keine Referenz gibt. Vielen ist unglaublich wichtig zu sehen, ob es schon mal so einen ähnlichen Film gab, der funktioniert hat”, erzählt Kukula. In Österreich oder Ungarn, die an den realen historischen Ereignissen maßgeblich beteiligt waren, sah man das kommerzielle Potential nicht, berichtet der Regisseur und Produzent weiter. Luxemburg, Tschechien und Belgien sind nun genauso wie Arte mit an Bord, zusätzlich zu MDR, WDR, NDR und Kinderkanal. “Die 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an elf Produktionsstandorten sind das Resultat der komplexen Finanzierungsstruktur”, sagt Kukula. Aber so konnten die beiden Regisseure ihre Schwerpunkte geografisch aufteilen: Bruhn übernahm eher die Arbeiten in den Benelux-Ländern, wo unter anderem das Compositing stattfand. Kukula kümmerte sich um die Tonaufnahmen, die unter anderem in Studio Babelsberg durchgeführt wurden. Beide überwachten selten einen einzelnen Schritt doppelt, doch trotz dieser Arbeitsaufteilung war es für beide ein riesiger logistischer Aufwand. “Ich bin noch nie für ein Projekt so viel gereist wie für ‘Fritzi'”, erzählt Kukula.

Dazu kam noch die Zusammenarbeit mit Service-Studios auf den Philippinen, in China und Polen. “Das hat im Wesentlichen zwei Gründe”, führt Bruhn aus: “Um in einer so kurzen Zeit den Arbeitsaufwand für ein Projekt wie ‘Fritzi’ zu bewältigen, bräuchte man eine Industrie, die wir so in Deutschland und auch in ganz Europa nicht haben. Der Hauptgrund ist aber ein finanzieller: Für eine Produktion in Europa hätte unser Budget nicht gereicht.” Beiden Produzenten war aber sehr wichtig, dass der kreative Prozess komplett in Europa stattfand. “Wir haben ausschließlich handwerkliche Schritte ausgelagert”, sagt Kukula. Dort fanden nur die Reinzeichnungen der Animation statt sowie das Erstellen der “In-Betweens”, also der Zwischenphasen, die zwischen den ausgeführten Key-Animationen liegen. Als Software nutzten die Teams zum Animieren TVPaint, für die In-Betweens Toon Boom und zur Kommunikation SPI – 3D Clic. Letzteres war für die deutschen Teams neu, aber: “Auf irgendeinem System muss sich immer einer einarbeiten”, sagt Kukula ganz pragmatisch. Vor allem bei Balance Film wurden diese Schritte dann in monatelanger Arbeit vom Check-up-Team überwacht.

Manches ist dabei eine Stil-Frage oder eine Frage der Schule. Kukula erzählt, dass es einige Zeit gedauert hat, den, wie er es nennt, “Disney-Stil”, abzugewöhnen: “Das ist beispielsweise die Art der Bewegung, wie sie eingeleitet und ausgeführt wird. Wir sind letztendlich alle mit diesem Disney-Stil aufgewachsen, nicht nur als Animatoren, sondern auch als Zuschauerinnen und Zuschauer. Wir wollten ‘Fritzi’ aber realistischer gestalten.” [10658]

Lesen sie morgen, wie die Matthias Bruhn und Ralf Kukula bei “Fritzi – Eine Wendewundergeschichte” für die historische Genauigkeit der Bilder und Töne sorgten!

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