Anzeige
Anzeige
Das Highspeed-Kamerateam bei der TV-Produktion der DTM

Die Kunst, in Highspeed zu denken

Peter Stickler ist seit 22 Jahren Kameramann beim Motorsport. Wir haben in unserem Heft 10.2019 dem Spezialisten für Aufnahmen mit Ultra-Slow-Motion-Kameras an zwei Tagen beim Deutschen Tourenwagen Masters (DTM) in Nürnberg über die Schulter gesehen.

Der Arbeitstag beginnt früh für den Highspeed-Kameramann Peter Stickler. Schon für halb acht morgens hat Thomas Strobl, der Regisseur für das World Feed der DTM im TV-Compound zur Regiebesprechung geladen. 25 Kameraleute müssen wissen, welche Positionen sie besetzen müssen und welche Motive von dort benötigt werden. Nach der Besprechung gehen Peter Stickler und Assistent Dirk Scheidler mit ihrer Ausrüstung zu einem grünen Quad. Mit dem allradgetriebenen Zweitakter kann das Drehteam an den zwei Renntagen schnellstmöglich zu den wechselnden Drehorten entlang des 2.300 Meter langen Stadtkurses gelangen. Das Highspeed-Team wird komplettiert durch den Slomo-Operator Dominik Schullerer, der die angebotenen Highspeed-Aufnahmen auswählt und Highspeed-Slomo-Operator Michael Oppinger, der die Super-Slomo-Szenen für die Playlisten im EVS-System der Slomo-Regie anfertigt und bereitstellt. Die Arbeitsplätze der beiden befinden sich im Ü11 von TV Skyline, der für die 12 Slomo- und EVS-Opera- toren unter der Slomo-Regie von Sven Fischer eingerichtet ist. Die Übertragung geht live oder zeitversetzt als Highlight- Sendung in über 25 Länder.

DREHLAST

Kameramann Stickler muss neben seiner Ikegami NAC Hi-Motion II mit Fujinon HA23x7,6 HD-Optik auch noch einen Rucksack mit zwei Vislink-Sendern L1500 und zwei Antennen, ein digitales Funkgerät
plus Sprechgeschirr mit Panzerkopfhörern, einen Akkugürtel sowie Kabel und Zubehör bewegen. Zusammen wiegt diese Ausstattung 26 Kilogramm. Der Assistent trägt das Sachtler Carbonstativ und einen vollgeladenen Reserve-Akkugürtel. Erster Drehort ist die Box mit dem Rennwagen Startnummer 11 vom BMW-Team RMG. Sticker sucht im Gewusel der Boxencrew die Details, an denen sich irgendetwas interessant bewegt. Hände an einem Schlagschrauber, der mit Pressluft eine Radmutter festzieht, aus der Bodenperspektive. Gesten des Rennfahrers und der Boxencrew, Gesichter mit verschiedener Mimik und das Einsteigen des Fahrers in den Wagen.

Dominik Schullerer , dessen Funktion auch „Triggerer“ genannt wird, sieht im Ü11 alle Aufnahmen des Kameramannes auf einem Monitor und entscheidet, ob die mit bis zu 1.000 fps aufgezeichneten Szenen inhaltlich zufriedenstellend und technisch fehlerfrei sind. Die im 96-GB- Speicher der Kamera abgelegten Szenen werden mit den beiden Vislink-Sendern L1500 über das digitale IP-Funknetz, das Riedel Communications am Norisring aufgebaut hat, an den Ü-Wagen gesendet. Über dieses Netz werden auch die Bilder der Onboard-Kameras der Rennwagen übertragen. Die Steuerung der Ikegami-Kamera mit einem Telemetriesignal erfolgt ebenfalls über das IP-Funknetz. Links neben Schullerer sitzt Michael Oppinger. Er versieht die ausgewählten Highspeed-Szenen mittels EVS-Controller mit In- und Out-Punkten und nimmt die Endfertigung der Clips vor. Die Szenen werden dann in der Playlist für die internationale und nationale Bildregie abgelegt. Sind alle nötigen Szenen gedreht, teilt Schullerer das dem Kameraassistenten Dirk Scheidler über Funk mit. Dann geht es sofort weiter zum nächsten Drehort: der Präsentation des Starterfeldes auf der Strecke an Start und Ziel. Jetzt agiert das eingespielte Highspeed-Kamerateam sehr schnell. Um die Rennwagen tummeln sich jeweils etwa sechs Kfz-Spezialisten, die noch letzte Hand an die Wagen legen. Dazu kommen mehrere Dutzend Medienvertreter und ausgewählte Gäste der Fahrzeughersteller. Auch die Fahrer stehen neben ihren Wagen: Motive satt.

ENTSCHEIDENDE MOMENTE

Nach fünfzehn Minuten wird die Strecke geräumt und der Start vorbereitet. Peter Stickler und Assistent Dirk Scheidler bauen sich an der vierten Kurve auf, die von den 610 PS starken Rennwagen mit nur etwa 65 Kilometer pro Stunde durchfahren werden kann. Hier sind neben Sticklers Highspeed-Kamera fünf weitere Kameras postiert. Zwei Ikegami-HD-Kameras mit 86-fach- und Weitwinkel- HD-Optiken zeigen die Ankunft der Rennwagen vor der Kehre, eine HD-Kamera mit 12-fach-HD-Optik auf einem zwölf Meter hohen Kran nimmt die Übersicht von oben auf und zwei HD-Minikameras von QubeCam sind an der Begrenzungsmauer in beiden Richtungen montiert. Stickler hat die Highspeed-Kamera auf dem Stativ unter Bäumen im Schatten an der Schutzplanke postiert. Davor sollen zwei hüfthohe Reifenstapel einen etwaigen Aufprall der Rennwagen in die Stahlplanke abdämpfen. Aufheulende Motoren der Rennwagen in der Startaufstellung und der Streckensprecher signalisieren den Start des ersten DTM-Rennens. Die Wagen bremsen hörbar von etwa 240 auf 65 Kilometer pro Stunde herunter und fahren genau in das Blickfeld der Highspeed-Kamera. Stickler hat die Schärfe für Nahaufnahmen der Rennfahrzeuge gezogen. Das wiederholt sich nun alle 40 Sekunden. Doch plötzlich sind laut quietschende Reifen zu hören, Gummi- abrieb staubt auf. Ein Wagen dreht sich entgegen der Fahrtrichtung und schleudert durch die Kurve. Ein anderer prallt in dessen Beifahrerseite hinein. Stickler hat instinktiv beim ersten Quietschen der Reifen reagiert und den Zusammenstoß mit seiner Kamera erwischt. Einmal mehr hat sich seine Erfahrung bezahlt gemacht. [10307]


Anzeige

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.