Die Macht und Kraft von Bilder sichtbar machen: das ist für DoP Matthias Bolliger das Ziel seines Videocasts zum Thema „Visual Storytelling“. In Zusammenarbeit mit der Deutschen Filmakademie und der Stiftung Kulturwerk der VG Bild-Kunst geht das Videoformat nun mit einer weiteren Episode an den Start. Der Host des Videocasts stellt die aktuelle Folge hier vor.
„Licht ist meine Passion“, zitiert Thomas W. Kiennast, der Gast der zweiten Ausgabe von „Exposure“, dem Videocast zu Visual Storytelling. Kiennast sieht den Beruf des Bildgestalters in erster Linie darin, visuell Geschichten zu erzählen. Diesen Prozess erlebt er als „unglaublich, individuellen Arbeitsschritt auf einer Spielwiese voller Möglichkeiten“ und strebt dabei nach einer „ehrlichen Sichtweise“.
„Das Bewegtbild hat für mich immer eine Form der Magie. Am Set zu stehen und zu gestalten, was gibt es Schöneres?“, so beginnt Kiennast das Gespräch über seine Beweggründe, mit bewegten Bildern zu erzählen. Die Filmakademie Wien mit den Professoren Walter Kindler und Christian Berger war ein prägender Ort für ihn. Nach dem Studium ging es dann gleich los mit einer Karriere bis hin zum DoP in der Werbung. Über das Fernsehen gelangte er schließlich auch zum Kinofilm. Die Arbeit am bewegten Bild begleitet ihn nun seit 25 Jahren, doch ist er für jedes einzelne Projekt so engagiert, dass auch weiterhin mal schlaflose Nächte vor dem ersten Drehtag angesagt sind. „Ich liebe das Filmemachen, die Suche und das Finden des richtigen Ausdrucks, der passenden Ästhetik und das daraus folgende Staging für eine Szene. Es entsteht immer was Neues, ein eigenes Gesamtkunstwerk, was mich begeistert und richtig fit hält. Nach einem Dreh seh‘ ich meist auch gesünder aus als davor!“, so der Bildgestalter.
Zur Sky-Mini-Serie „Die Ibiza Affäre“ kam DoP Kiennast direkt über Regisseur Christopher Schier und fand es als politisch interessierter Bürger zentral, diese politische Affäre grundlegend aufzuarbeiten. „Eine riesige Schweinerei“, wie er es nennt. Die Originalbücher waren zwar eher ernst, als Krimi oder Thriller angelegt, aber die Absurdität der gesamten Situation verlangte aus der Sicht von Regie und Kamera eher ein Augenzwinkern.
„Für uns war das mehr eine Heist-Story“, so Kiennast im Videocast, „daher wurden Filme der Ocean‘s-Reihe, ,The Big Short‘ oder ,Vice‘ zu unseren Referenzen. Sie greifen ein ernstes Thema auf, machen dies aber auf sehr charmante, witzig-satirische Art und Weise. Oft wird auch mit Irritationen in der visuellen Auflösung, zum Beispiel mit kurzen Erklärvideos gearbeitet. Das fanden wir reizvoll, da es einerseits Tempo macht und gleichzeitig Spaß zum Schauen bringt, etwas Neues für den deutschen Sprachraum.“
Freude in der Gestaltung
Als Basis für die gesamte Zusammenarbeit mit Christopher Schier sieht Kiennast ein tiefes Vertrauen zueinander. Ziel von Regie und Kamera war es dann auch, gemeinsam der Geschichte mehr Leichtigkeit einzuhauchen. Was an der „Ibiza Affäre“ auffällt, ist genau diese Spielfreunde in der Gestaltung. Man erkennt förmlich die Erzähllust, fast schon eine Erzählwut mit wilden Material-Mixen. Es gibt die klassische Erzählweise, welche die bekannte Handlung in der Finca aufarbeitet, die Handlung wird aber visuell auch mit Dokumentarfilm-Material, szenischen Symbolbildern oder Kinder-Reenactments erweitert. All diese starken visuellen Prägungen wurde vom Regie/Kamera-Duo konzipiert und umgesetzt. Gerade von den zuletzt genannten Stil-Elementen steht nichts in der Urfassung des Buchs.
„Die Frage lautete, wie kann man teilweise trockene Strecken, konzeptionell beleben und amüsanter darstellen? So wurden zum Beispiel die gesamten Dialog-Szenen in der spanischen Villa als Kasperletheater gedreht.“ Nur ein kleiner Teil ist davon im Schnitt übrig gelieben, aber für das Regie/DoP-Duo war es ein Symbolbild der stundenlangen Verhandlungen des Vize-Kanzlers mit der Oligarchen-Nichte. „Trotz des Respekts vor der Geschichte darf die Umsetzung auch Spaß machen. Es ist auch bei politischen Stoffen nicht gesetzt, nur Talking Heads zeigen zu dürfen, denn die passende filmische Umsetzung für eine Geschichte zu finden, bleibt doch die Magie des Ganzen“, so Kiennast.
Bei der Serie ist neben der erhöhten Schnitt-Frequenz auf Basis des Zwei-Kamera-Drehs auch genrebedingt die Schlagzahl der Inszenierung hoch. „Der Puls darf ein bisschen laufen“, bringt es Thomas Kiennast auf den Punkt. „Da haben wir schon einige Screwball-Dialoge mit schnellen Wechseldialogen auch mit zwei Kameras ausgekreuzt. Denn manchmal sind diese Reaktionen im Schuss/Gegenschuss-System nicht noch einmal herstellbar.“ Ein weiteres Stilmittel der Mini-Serie sind der anamorphotische Breitbild-Look mit den Vantage Hawk V.Lite Vintage ‘74 Objektiven. Der lässt laut Kinnast die vielen großen Gesichter der Talking Heads mit Umfeld wahrnehmen und ein bisschen „bigger-than-life“ werden: „H. C. Strache im glorifizierendem Hollywood-Format!“
Im letzten Drittel des Videoformates kommen die Lieblingsszenen von Kiennast im Sky-Mehrteiler zur Sprache. Sie sind im Videocast auch in voller Länge zu sehen. Daneben wird die Figureneinführung von H. C. Strache und der Oligachen-Nichte visuell thematisiert, auch der Zufall, der beide Szenen am Ende stark geprägt hat. „Wenn man mit Spaß aus dem Bauch heraus probiert, das Richtige zu finden, dann entstehen immer tolle Momente“, so Thomas Kiennast. „Aber eine klassische Auflösung mit Storyboard oder Shotlist gibt es bei uns meist nicht, es spielt sich alles über das Staging ab. Denn in dem Moment, wo du ein richtig gutes Staging hast, ergeben sich die Bilder von alleine.“ [15302]