Die Bremer DoP Susanne Hensdiek galt eine Zeit lang als die jüngste EB-Kamerafrau im deutschen Fernsehen. Inzwischen ist sie eine feste Größe im Auslandspool des ZDF und macht EB- und E-Kamera sowie Schnitt für die Regionalmagazine von NDR und Radio Bremen. Neben ihren Aufträgen dreht Hensdiek immer wieder eigene Dokumentarfilme und unterstützt mit ihrer Kameraarbeit NGOs und Sozialkampagnen.
Dein Dokumentarfilm „Die Bergmanns“ hat beim Bremer Filmfest den Publikumspreis gewonnen. Du hast Regie, Kamera und Schnitt gemacht. Der Film ist visuell sehr einfach gestaltet. Die Kamera steht komplett im Dienst deines Gesprächs mit den beiden Protagonisten – Zwillingen, die einander durch eine schwere Erkrankung eng verbunden sind. Musste sich da die DoP Hensdiek der Regisseurin Hensdiek unterordnen und somit eigene Ambitionen aufgeben? Ja. Das stimmt! Eine Rolle musste führen und das war in dem Fall die Regie. Ich hatte klassisch für drei Kameras – zwei Sony FS5 und eine Sony Alpha – aufgelöst. Dann habe ich aber gemerkt, dass das Quatsch ist und man als Zuschauer:in viel lieber bei den beiden Protagonisten bleibt, ihnen ungestört zuschaut und zuhört und sich nicht durch Schnitt und Perspektive leiten lassen möchte. Vom Fernsehen bin ich einen anderen und schnelleren Schnittrhythmus gewohnt. Ich habe dann aber glücklicherweise zusammen mit meiner dramaturgischen Beraterin Beatrix Schwehm diese für mich erst mal ungewohnte Gestaltung erarbeitet.
Bereits 2014 hast du den Bremer Dokumentarfilm-Förderpreis bekommen, für deine Doku „Keine richtige Frau“. Das war gleichzeitig der erste deutschsprachige Film über das medizinische Problem des Vaginismus, eine Beeinträchtigung der weiblichen Se-xualität. Welche Themen interessieren dich als Filmemacherin grundsätzlich?
Ich mag Lebensgeschichten, persönliche Geschichten. Ich mag es, mit einer beobachtenden Kamera Leute näher kennenzulernen. Dass auch „Keine richtige Frau“ ein medizinisches Thema erzählte, war eher Zufall. Grundsätzlich mag ich randständige, eher leise Geschichten. Fiktive Stoffe sind gar nicht mein Ding und für die Kamera inszenieren kann ich gar nicht – obwohl ich das bereits früh, bei meinem ersten Kurzfilm einmal ausprobiert hatte.
Bei deinen eigenen Filmen machst du in der Regel Regie, Kamera und Schnitt. Magst du diese Multifunktionalität, vielleicht auch um die volle kreative Kontrolle zu behalten? Oder ist das den knappen Budgets deiner unabhängigen Projekte geschuldet? Ich habe im Kameravolontariat bei Teuto Tele Kamera und Schnitt parallel gelernt. Deshalb liegt mir das nahe. Aber es hat sicher auch mit den knappen Finanzierungen zu tun. Gleichzeitig kann ich mir aber auch bei der Annährung an meine Protagonist:innen, beim Kennenlernen, beim „gemeinsam ins Thema finden“, schwer vorstellen, dass da noch ein Stab mit dabei ist. Obwohl ich durchaus auch Jobs abgeben kann. Auch bei den „Bergmanns“ hatte ich ja Menschen dabei, die mir bei der Einrichtung des Drehortes, beim Aufbau geholfen hatten und ich hatte einen zweiten Kameramann, der die zweite und die dritte Kamera und den Ton betreut hat. Aber ich möchte Drehs lieber eng und persönlich halten. Am Set wird oft auch lange geredet, ohne dass die Technik läuft – dazu muss ich mir niemanden dazubuchen. Denen wird es dann irgendwann auch langweilig!
Du kümmerst dich auch selbst um den Vertrieb des „Bergmanns“-Films. Wie sieht es damit aus?
Ich reiche gerade bei den Festivals ein und führe Gespräche mit verschiedenen Sendern, darunter auch arte. Leider falle ich fördertechnisch durch alle Raster. Die nordmedia, die mit dem Filmbüro Bremen im Rahmen der Filmstart-Förderung mitgefördert hatte, sagt, dass sie nicht „grundsätzlich gefördert“ haben und deshalb auch wohl keine Vertriebsförderung gewähren können. Leider hat der Film mit 52 Minuten Laufzeit auch keine gängige Länge für die Kino- und TV-Aus- wertung. Ich hatte beim Schnitt rein inhaltlich agiert, nicht auf Standardformate hin geschnitten. Das rächt sich jetzt.
Neben dieser „Kür“, den eigenen Projekten, hast du ein anstrengendes „Pflicht“-Programm beim öffent- lich-rechtlichen Rundfunk. Für wen arbeitest du in diesem Bereich? Mein wichtigstes Standbein ist zurzeit das ZDF-Landesstudio hier in Bremen. Zudem bin ich als sogenannte Multitechnikerin im Auslandspool des ZDF. In dem Zusammenhang musste ich auch an dem obligatorischen einwöchigen Spezialseminar für Kriseneinsätze für Journalist:innen teilnehmen, bei der Bundeswehr in Hammelburg. Das hängt damit zusammen, dass die Auslandsstudios zum Teil riesige Berichtsgebiete haben und man möglicherweise auch aus einem Krisengebiet berichten muss. Gebraucht habe ich das dort Gelernte glücklicherweise bisher noch nicht. Ich war zur Studiovertretung in Istanbul, Rom, Brüssel, Paris, Singapur. Daneben arbeite ich für den NDR, Radio Bremen und diverse Produktionsfirmen, mache EB-Kamera, E-Kamera und auch Schnitt. Regelmäßig arbeite ich für Regionalmagazine, wie zum Beispiel „buten un binnen“ und „Hallo Niedersachsen“ und auch für andere Formate und Musikproduktionen.
Akzeptieren die Redaktionen bei den Sendern deine regelmäßigen Abwesenheiten und Ausflüge in eigene Projekte? Aktuelles Fernsehen ist ja schnelllebig, lebt vom Termingeschäft und muss planen können. Ich muss jetzt natürlich die Zeit wieder aufarbeiten, die ich in meinen „Die Bergmanns“-Film investiert hatte.
Bremen hat den Vorteil, dass es so klein ist und man sich lange kennt in der Szene. Ich werde nicht gerade von den Listen gestrichen, aber ich merke schon, dass ich, sobald ich einige Monate in eigenen Projekten unterwegs war, auf den Dispo-Telefonlisten nach unten rutsche. Das empfinde ich auch durchaus als Stress, in meiner Situation. Aber manche Themen sind so wichtig, dass man sie einfach machen muss.
Darüber hinaus unterstützt du mit deiner Arbeit NGOs und soziale Projekte. Das machst du nicht pro bono, also gratis, aber zu besonderen Konditionen. Für wen drehst du da und wie organisierst du das auftragstechnisch?
Für die Rotenburger Werke, eine Einrichtung für Menschen mit Behinderungen in Rotenburg, Niedersachsen, habe ich zum Beispiel einige Filme für das Recruiting neuer Mitarbeiter:innen produziert. Das habe ich sehr gerne gemacht, weil ich das nicht als klassischen Imagefilm anlegen musste, sondern als Porträt einiger Menschen, die dort arbeiten, gestalten konnte. Man hätte das laut Script an einem Tag umsetzen können, aber ich wollte nicht dort aufschlagen und gleich die Technik anwerfen.
Stattdessen bin ich mehrmals vorab hingefahren, um sowohl die Beschäftigten als auch die von ihnen betreuten Menschen näher kennenzulernen. Das war dann natürlich letztlich nicht sehr lukrativ, wegen dem hohen zeitlichen Aufwand, aber das ist einfach meine Art zu arbeiten. Ähnliche Filme habe ich über ein integratives Theaterprojekt, die Wagabunten gemacht, und für Frauenrechtsorganisationen oder zum Thema Altersarmut gedreht. Bei dem Dokumentarfilm „Tante Ümmü“ von Orhan Calisir habe ich eine ältere türkische Frau gefilmt. Eigentlich sollte es auch da um Altersarmut gehen, aber auch das wurde dann zu einem Porträt der Protagonistin.
Kann man sagen, dass du dir mit deiner speziellen Arbeitsweise und deinem sozialen Interesse ein spezielles Profil als Kamerafrau und Filmemacherin erarbeitet hast, wegen dem du dann gezielt gebucht wirst?
Bei meinen Auftraggeber:innen, die zuvor meine Filme gesehen haben, ist das sicher so und das freut mich natürlich sehr. Ich habe für den Film „Die Liebe zum Leben“, der in diesem Jahr erscheinen wird, die Bildgestaltung bei den Dreharbeiten mit Ludwig Baumann gemacht. Das ist eine Doku über einen inzwischen leider verstorbenen Kriegsdeserteur. Dessen Regisseurin Annette Ortlieb hat mich auch wegen meiner speziellen Herangehensweise an solche speziellen Lebenswege gebucht. Ich lasse halt einfach gern die Technik erst mal beiseite und versuche die Menschen kennenzulernen, bevor ich losdrehe – und ich entscheide mich im Zweifelsfall immer für kleine Ausstattungen, um den Dreh intim zu halten. [15365]